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Pfarrverband Tegernsee-Egern-Kreuth
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Pfarrkirche Tegernsee-St. Quirinus: Geschichte und Kunst

Die Pfarrkirche St. Quirinus in Tegernsee war bis 1803 Klosterkirche der bedeutendsten Benediktinerabtei Oberbayerns. Sie zählt nicht zu jenen großen Kirchenbauten, die rein einen Kunststil repräsentieren; sie ist eine "gewachsene" Kirche, in der viele Epochen ihre Spuren hinterlassen haben.

Überreste der ersten Klosterkirche des 8. Jahrhunderts sind bislang nicht gefunden worden. Doch sind in der Archäologischen Staatssammlung in München zwei karolingische Kapitelle aus der Zeit um 800 zu sehen, die 1895 bei Bauarbeiten in der Krypta zum Vorschein kamen. Man hatte sie im 11. Jahrhundert als Säulenbasen zweitverwendet.

Vom zweiten großen Kirchenbau, dem des 11. Jahrhunderts, sind die Krypta-Anlage unter dem Altarraum und die beiden Türme erhalten. Die beiden Bauteile an den entgegen gesetzten Enden der Kirche zeigen die eindrucksvollen Dimensionen (mit gut 70 m Länge) der dreischiffigen romanischen Basilika von Tegernsee. Von ihrer kostbaren Ausstattung (mit Altären, Malerei, Goldgerät und bunten Glasfenstern) kündet nur noch die Klosterchronik. Bei Grabungen im Zuge der jüngsten Renovierung sind im Altarraum wenigstens Reste eines großen Fußbodenmosaiks aus der Zeit um 1080 entdeckt worden, die für Bayern eine große Rarität darstellen.

Der bestehende Kirchenbau ist ein Werk der Gotik. Die Äbte Kaspar Aindorfer und Konrad Airinschmalz (reg. 1461-1492) ließen nacheinander einen neuen Chor mit doppelstöckiger Sakristei und das wiederum dreischiffige Langhaus errichten. 1476 war die Kirche vollendet. Sie wurde überreich ausgestattet mit 26 Altären, deren Retabel aus den Werkstätten der bedeutendsten Münchener Meister kamen:

Den Hochaltar schuf Gabriel Angler, vierzehn weitere Altaraufbauten Gabriel Mäleßkircher. Wenigstens zum Teil sind diese Spitzenwerke der altbayerischen Spätgotik erhalten, allerdings verstreut auf viele Museen (in Tegernsee, München, Freising, Burghausen, Nürnberg, Berlin und Madrid). Vom einstigen Kirchenschatz blieb nur die große Monstranz des Landsberger Goldschmieds Hans Kistler aus dem Jahr 1448.

Beim barocken Neubau des Klosters blieb einzig die alte Kirche stehen, doch erfuhr sie in den 1680er und 1690er Jahren eine durchgreifende Umgestaltung im Stil des frühen Barock. Anlässlich der 1000-Jahr-Feier des Klosters 1746 wurden an die Seitenschiffe zwei Rokoko-Kapellen zu Ehren der Heiligen Quirinus und Benedikt angebaut.

Nach der Säkularisation erhielt die bisherige Klosterkirche eine neue Zweckbestimmung als Pfarrkirche von Tegernsee (anstelle der abgebrochenen früheren kleinen Pfarrkirche St. Johann Baptist). Der Schlossherr König Max I. Joseph ließ ab 1818 die (im Barock nie fertig gestellte) Fassade der Kirche durch Leo von Klenze vollenden. Das Innere der Kirche wurde durch die damit betrauten Hofkünstler im klassizistischen Stil renoviert; Ziele waren eine "möglichste Vereinfachung" und die Anpassung an die Bedürfnisse einer Pfarrkirche:

Die Kirche erhielt ein neues Gestühl; der Mönchschor hinter dem Hochaltar wurde abgemauert; elf "entbehrliche" Altäre (von insgesamt 16) verschwanden; Hoch-, Marien- und Sakramentsaltar erhielten klassizistische Holzaufbauten. Die so erzielte "majestätische Würde" ist im Wesentlichen der Zustand, wie ihn die Kirche bis heute zeigt.

Nachdem zuletzt eine Renovierung unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg (zur 1200 Jahr-Feier Tegernsees 1946) stattgefunden hatte, wurden in den Jahren 1998-2004 der Kirchenraum, alle Ausstattungsgegenstände sowie die gesamte technische Einrichtung umfassend wieder hergestellt bzw. erneuert.

Das bedeutendste mittelalterliche Kunstwerk der Kirche befindet sich an ihrer Fassade. 1457 hatte der Münchener Bildhauer Hans Haldner ein neues Hochgrab für die Klosterstifter Adalbert und Otkar geschaffen, das in der Mitte der Kirche aufgestellt wurde. Das Relief der Deckplatte zeigt die beiden Brüder unter einer Baldachinarchitektur; gemeinsam halten sie eine Kirche als Symbol ihrer Stiftung.

Bei der Barockisierung der Kirche wurde das Hochgrab abgebrochen, die Deckplatte kam jedoch gleichsam wie eine Reliquie in neuer Rahmung (datiert 1690) als Bekrönung über das Eingangsportal und weist seitdem jeden Besucher gleich auf die Ursprünge des Klosters hin.

Stuck und Fresken prägen den barockisierten Innenraum. Die üppige, ganz in Weiß gehaltene Stuckdekoration mit Fruchtgehängen und Engelsfiguren stammt von italienischen (genauer wohl Graubündner) Stukkatoren. Die Namen der Künstler sind nicht überliefert, doch ist die Beteiligung von Giovanni Niccolo Perti wahrscheinlich. In seiner nun wieder hergestellten ursprünglichen Weißfassung scheint der Stuck direkt aus der Wand heraus zu wachsen. Licht und Schatten bringen seine Plastizität bei wechselndem Sonnenlicht in immer anderer Weise zur Geltung.

Der weiße Raum bildet sozusagen das „Passepartout“ für die leuchtend farbigen Fresken. Hans Georg Asam (1649-1711; der Vater der berühmten Künstlerbrüder Cosmas Damian und Egid Quirin) schuf sie in 6-jähriger Arbeit 1688-1694. Sie zeigen in der Vorhalle Martyrium und Verklärung des hl. Quirinus sowie seine vier Hauptwunder.

An den Decken von Hauptschiff und Seitenschiffen ist das Leben Christi dargestellt. Im Hauptschiff (beginnend über der Orgelempore): Christi Geburt, Epiphanie, den 12-jährigen Jesus im Tempel, die Taufe Jesu und seine Verklärung.

In den Seitenschiffen (beginnend hinten links und dann immer zwischen den beiden Schiffen hin und her springend) zeigen die Deckenbilder Stationen der Passion Christi. Der Kirchenbesucher, der diesem Lebens- und Leidensweg entlang den Bildern nachgeht, wird schließlich in das hohe Querschiff (mit den Darstellungen von Auferstehung und Himmelfahrt) und zuletzt unter die große Kuppel geführt. Hier, unter dem Bild der himmlischen Vollendung, in dem bereits viele Heilige um die göttliche Dreifaltigkeit versammelt sind, kann der Gläubige eine "Aussicht" genießen auf die verheißene Vollendung auch seines Le­bens.

Die Altarbilder der drei großen Altäre sind Kopien von Asam nach Gemälden, die der aus München stammende und in Venedig tätige Johann Carl Loth (1632-1698) für das Kloster geschaffen hat:

Das monumentale Kreuzigungsbild des Hochaltars bildet gleichsam den Zielpunkt für die Blicke der Kirchenbesucher; auf dem Marienaltar (links) ist die Rosenkranz-Spende an den hl. Dominikus dargestellt; der rechte Seitenaltar – zugleich Sakramentsaltar – besitzt ein Schutzengel-Bild.

Die Säulen und Mensen der Altäre sind – ebenso wie der größte Teil des Fußbodens und die Kommunionschranke – aus „Tegernseer Marmor“ gefertigt, der seit ca. 1680 auf Klostergrund (in Enterbach bei Kreuth) gebrochen wurde.

Anlässlich der 1000-Jahr-Feier des Klosters wurden 1746-1748 an die Seitenschiffe zwei Rokoko-Kapellen der Heiligen Quirinus (links) und Benedikt (rechts) angebaut.

Die Altäre besitzen hervorragende Skulpturen von Johann Baptist Straub (1704-1784), dem „Vater des bayerischen Rokoko“. Dargestellt sind die Heiligen Benedikt (versilberte Büste), Florian und Agathe sowie Sebastian und Rochus. An den Wänden der Quirinus-Kapelle zeigen Stuckreliefs Martyrium und Übertragung des Heiligen nach Tegernsee.

Die 2004 geschaffene Neuausstattung des Altarraums stammt vom Schweizer Künstler Kurt Sigrist. Der neue Hauptaltar und der Ambo aus weißem Gussstein stehen auf einer gemeinsamen Messing-Grundplatte.