Diözesanrat der Katholiken

Demokratisch gewählte Vertretung des Kirchenvolkes.
Der Diözesanrat repräsentiert mehr als 125.000 ehrenamtlich in Katholikenräten, Verbänden und Initiativen aktive katholische Frauen und Männer. Zu den Aufgaben des Diözesanrats gehört es, das wirtschaftliche, familiäre, gesellschaftliche und politische Umfeld so mitzugestalten, dass der Mensch gedeihen und sich entfalten kann.

Münchner Kirchenzeitung vom 20.05.2012

Piraten

Vielleicht nehmen sich die Freibeuter der Politik selber nicht so ganz ernst. Sonderlich seriös klingt der Name der neuen Partei jedenfalls nicht. Piraten sind Räuber, die es auf die Gesundheit, die Freiheit, das Leben und vor allem auf das Eigentum anderer abgesehen haben. Allenfalls in den legendären Piratenfilmen gab es positive Helden. Diese waren eine Art Robin Hood der Meere, die – ungerecht in die Illegalität getrieben – die Guten belohnten und nur die Bösen beraubten. Heute sind echte Piraten mit modernen Waffen ausgestattete Verbrecherbanden, die der Schifffahrt auf den Weltmeeren erheblichen Schaden zufügen und rücksichtslos gegen Menschen vorgehen.
Die Mitglieder der Piratenpartei dagegen sind keineswegs Verbrecher. Denn erstens rauben diese Piraten nichts und zweitens schon gar nicht das Eigentum etablierter Parteien. Die Wählerstimmen gehören nämlich einzig und allein den Wählern. Somit stellen sich die Piraten lediglich dem demokratischen Wettbewerb und zwar auf ganz legale, wenn auch neuartige Weise. Transparenz und Partizipation sind ihre erklärten und allgemeinen Ziele. In einer Gesellschaft, die in den letzten Jahren immer wieder von Klüngeleien, Intrigen und Korruptionsskandalen erschüttert wurde, ist dies gar kein so schlechter Ansatz.
Dennoch braucht es konkrete politische Positionen und professionelle Strategien, um an der politischen Willensbildung des Volkes konstruktiv mitwirken zu können. Fachkompetenz in unterschiedlichen Politikfeldern fehlt bislang vielen der katapultartig in die Parlamente geschleuderten Abgeordneten. Dem Gemeinwohl dienende Politik sollte aber eigentlich nicht im Parlament gelernt, sondern dort gemacht werden. Basisdemokratische Schwarmintelligenz in Chats, Facebook und Twitter – die modernen Stammtische, deren Lufthoheit die Piraten eindeutig beherrschen – dürfen nicht die Qualität und die freie Gewissensentscheidung der gewählten Abgeordneten ersetzen. Dass extremistische Tendenzen in den eigenen Reihen nicht mit dem Hinweis auf die Freiheit der Meinungsäußerung zu rechtfertigen sind, wurde bereits erkannt und berichtigt.
Im frischen Wind der Piraten können auch andere Parteien wieder das Segeln lernen. Junge Wählerschichten werden durch sie erschlossen, Nichtwähler zum Urnengang motiviert, Protest von der Straße in die Plenarsäle gebracht. Das ist ein Verdienst dieser Partei. Wer die Piraten politisch besiegen möchte, muss verstehen, warum sie so erfolgreich sind. Er darf ihre klugen Köpfe nicht unterschätzen und muss ihrem Netzpopulismus mit noch überzeugenderen Argumenten begegnen. Nicht der Verfassungsschutz, die Gesellschaft wird diese neue politische Kraft kritisch beobachten. Allein das Volk hat die Macht, die Repräsentanten seiner Wahl in die Parlamente zu schicken – oder eben nicht.
Tremmel
[Übersicht Kolumnen]