Diözesanrat der Katholiken

Demokratisch gewählte Vertretung des Kirchenvolkes.
Der Diözesanrat repräsentiert mehr als 125.000 ehrenamtlich in Katholikenräten, Verbänden und Initiativen aktive katholische Frauen und Männer. Zu den Aufgaben des Diözesanrats gehört es, das wirtschaftliche, familiäre, gesellschaftliche und politische Umfeld so mitzugestalten, dass der Mensch gedeihen und sich entfalten kann.

Leben in einer fremden Kultur - Deutschland verstehen

Länder haben eigene Rechtssysteme, Bildungssysteme, Steuersysteme oder Verkehrsregeln. Diese Systeme funktionieren nicht überall gleich, sondern sind unterschiedlich ausgestaltet – zum Teil sehr unterschiedlich und manchmal gar nicht vorhanden (zum Beispiel das Mülltrennungssystem und der Grüne Punkt).

Die Art, wie diese Systeme aufgebaut sind, und wie sie funktionieren hat viel mit verschiedenartigen Bräuchen und Riten, mit Werten und Normen zu tun. Jeden Tag treffen wir auf diese Systeme – meistens verstehen wir sie, manche sind auch uns nicht sehr vertraut (Stichwort Steuersystem). Mit den meisten sind wir allerdings groß geworden und verstehen sie daher im Gegensatz zu Geflüchteten völlig selbstverständlich. Das führt immer wieder zu Missverständnissen oder Fehleinschätzungen. Beispielsweise sind Geflüchtete in Deutschland über das Asylrechtsverfahren sofort mit dem Rechtssystem konfrontiert – ohne das Rechtssystem und seine Logik zu kennen.

Aktuelle Befragungen von Migrantinnen und Migranten verdeutlichen, dass ein stärkeres Augenmerk darauf gelegt werden sollte, die einzelnen Systeme und die ihnen innewohnenden Logik anschaulich und nachvollziehbar zu erläutern. Erst, wenn man versteht, nach welchen Regeln bestimmte Verfahren ablaufen, kann man sich in ihnen auch angemessen bewegen!

Kirche an die Ränder

Zwei Beispiele für Handlungsfelder

Ein Beispiel ist die Unabhängigkeit der Justiz: Flüchtlinge kommen aus Ländern mit (auch kriegsbedingt) anderen Sozialstandards, möglicherweise geringem Vertrauen in staatliche Einrichtungen und behördliches Handeln. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass Flüchtlinge unser Grundgesetz mit seiner Gewaltenteilung, der Religionsfreiheit, der Gleichheit von Männern und Frauen kennen. Ebenso wenig gehen Geflüchtete vielleicht davon aus, dass Behörden und Verwaltungsangestellte grundsätzlich nach Recht und Gesetz handeln und diesem verpflichtet sind. Eine Selbstverständlichkeit für uns – aber eben nicht für Geflüchtete.
 
Ein weiteres Beispiel ist unser Berufsbildungssystem: Das System der dualen Ausbildung gibt es nur in wenigen Ländern weltweit (z.B. Deutschland, Österreich, Schweiz, Dänemark). Diese besondere Form der beruflichen Bildung, in dem die Auszubildenden mit einem Ausbildungsbetrieb einen Ausbildungsvertrag abschließen und sowohl in dem Betrieb als auch in der Berufsschule ihren Beruf erlernen, ist für viele unbekannt. In den meisten Ländern gibt es nur die Alternative von schulischen Ausbildungen oder einem Studium. Häufig wird eine Berufsausbildung von Migrantinnen und Migranten, die noch nicht lange in Deutschland leben, mit einem Praktikum gleichgesetzt und deswegen als wenig attraktiv eingeschätzt. Woher sollen Geflüchtete wissen, dass eine Berufsausbildung eine hochqualifizierte Ausbildung mit guten bis sehr guten Beschäftigungs- und Einkommenschancen bietet?

Für Systeme sensibilisieren und Systeme erklären

Für die Arbeit der Pfarrgemeinderäte vor Ort ist es hilfreich, sich der Selbstverständlichkeit von vielen Systemen in Deutschland bewusst zu sein. Geflüchtete kommen nicht nur nach Deutschland mit den kulturellen Prägungen ihrer Herkunftsregion, sondern auch mit dem Systemwissen aus ihren Herkunftsländern. Um Missverständnisse und Fehler – mit fatalen Folgen, z. B. hinsichtlich der Bildungsentscheidung – zu vermeiden, ist es wichtig, unsere Systeme zu erläutern und nachvollziehbar zu erklären. Hilfreich sind dabei vor allem solche Erklärungen, die durch Bilder unterstützt werden. Erst der fremde Blick zeigt uns, wie vieles für uns selbstverständlich ist.