Fragen zur Kirchensteuer

Gäbe es keine Kirchensteuer, wäre das ein Verlust für die Gesellschaft

Ein Beitrag von Stephanie Herrmann, Amtschefin im Erzbischöflichen Ordinariat München

Die Frage, für wie sinnvoll die Kirchensteuer zu erachten ist, ist untrennbar verbunden mit der Frage, wie die Kirche und ihr Wirken gestaltet sein sollen. Wollen wir eine Kirche, die nachhaltig ihren Auftrag erfüllt, die möglichst viele Menschen in Berührung bringt mit Gott, ihnen die ermutigende, Hoffnung und Trost spendende Botschaft Jesu Christi verkündet und die insbesondere die Menschen am Rand der Gesellschaft und der Weltgemeinschaft unterstützt? Und die alle, die an der Erfüllung dieses Auftrags mitarbeiten, gerecht bezahlt sowie Räume bereitstellt, an denen dieses Wirken sich für alle Menschen entfalten kann? Eine Kirche, die über die Jahrhunderte bewahrt, was bewahrenswert ist, und zugleich Neues schafft und Perspektiven für die Zukunft eröffnet? Eine Kirche, die die immer komplexeren Anforderungen einer modernen Gesellschaft erfüllt?
Amtschefin Stephanie Herrmann
Stephanie Herrmann
Wer alle diese Fragen mit Ja beantwortet, dem bieten sich kaum Alternativen zur Kirchensteuer. Natürlich könnte man über einen Mitgliederbeitrag nachdenken. Doch was ist die Kirchensteuer anderes als ein gerecht gestalteter, weil am jeweiligen Einkommen orientierter Mitgliederbeitrag?

Dieser Beitrag wird zwar vom Staat eingezogen, doch dafür werden die Steuerbehörden von der Kirche mindestens kostendeckend entlohnt. Auch könnte man versuchen, alle diese Dinge auf dem Weg von Spenden zu finanzieren – doch wie verlässlich, auf Dauer planbar und vor allem auch unabhängig (vom Willen einzelner Großspender etwa) könnte dann das Handeln der Kirche sein? Natürlich gibt es Forderungen, die Kirche solle sich von ihrem Vermögen, ihren Immobilien beispielsweise, trennen, um aus den Veräußerungsgewinnen ihr Handeln zu finanzieren. Doch wie nachhaltig wäre ein solcher Ansatz?  Das Geld kann nur einmal ausgegeben werden und ein schnelles Ende dieser Form der Finanzierung wäre absehbar.

Gäbe es keine Kirchensteuer, wäre das ein Verlust für die ganze Gesellschaft. Selbstverständlich entbindet die Kirchensteuer nicht von der Verantwortung für die Wirksamkeit des damit finanzierten Tuns. Alle, die im Auftrag der Kirche handeln, müssen dafür Sorge tragen, dass der solidarische Beitrag der Kirchenmitglieder zum Segen für alle wird.
 
Veröffentlicht in den Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse, Nummer 33, 21. August 2022. 
 

Warum soll ich Kirchensteuer bezahlen?

Die Kirche ist eine Glaubensgemeinschaft mit einer Sendung: Sie ist „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“.(1)  Auftrag der Kirche ist es also, die Botschaft Gottes in unserer Gesellschaft gegenwärtig zu halten und die Menschen in die Gemeinschaft untereinander und mit Gott zu führen. Dieser Sendung kommt die Kirche seit 2000 Jahren nach, indem sie Gottesdienste feiert, Sakramente spendet, das Wort Gottes verkündet und sich um die Armen und Ausgegrenzten kümmert – und das mit den wirtschaftlichen Gütern, die sie jeweils zur Verfügung hat. Die Kirche ist in diesem Sinne eine Solidargemeinschaft. Die Apostelgeschichte berichtet, dass die Gläubigen in der Urgemeinde von Jerusalem alles gemeinsam hatten (Apg 4,32ff). Darin zeigt sich die Gesamtverantwortung aller Katholiken für den gemeinsamen Sendungsauftrag. Jeder hat nach seinen Kräften dazu beizutragen, dass wir als Kirche unsere Sendung erfüllen können. Seit der Zeit der Apostel werden die wirtschaftlichen Güter für die personellen, missionarischen und caritativen Bedürfnisse der Gemeinde verwendet. Deshalb legt das kirchliche Recht den einzelnen Kirchenmitgliedern die Pflicht auf, die Beiträge zu leisten, die für die Erfordernisse der Kirche notwendig sind. (2)
(1) Rahner Karl, Vorgrimler Herbert. Kleines Konzilskompendium, Lumen Gentium Nr. 1, Freiburg 1966.
(2) Codex des kanonischen Rechts, can 222 § 1 in Korrespondenz mit can 1260 und 1263 CIC.

Seit wann gibt es die Kirchensteuer?

Als älteste regelmäßige Einnahmequelle der Kirche auf deutschem Boden gilt der Kirchenzehnt, der aus biblischen Opfergaben abgeleitet und durch ein Synodalgebot von 585 in eine Pflichtabgabe verwandelt worden war. Durch ein Gesetz Karls des Großen von 779 im ganzen Reich auch staatlich geboten, erlangte er in den folgenden Jahrhunderten als Ertragszehnt von Acker-, Weinberg- und Baumfrucht sowie von Groß- und Kleinvieh eine erhebliche Rolle bei der Finanzierung der kirchlichen Aufgaben. Im Mittelalter nahmen auch die Päpste für sich das Recht der Besteuerung für kirchliche Zwecke in Anspruch.
 

Auf welcher historischen und rechtlichen Grundlage basiert die Kirchensteuer?

Im Zuge der Säkularisation nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 ging den Kirchen neben ihren Gütern endgültig das Zehntrecht verloren. Die begünstigten Landesfürsten wurden gleichzeitig zu finanziellen Ausgleichsleistungen an die Kirchen verpflichtet. In Ablösung dieser Verpflichtung kamen auf Landesebene Schritt für Schritt Regelungen zur Einführung der modernen Kirchensteuer – als Weitergabe der Ausgleichsleistungen von den Fürsten an die Kirchenmitglieder – zustande (in Bayern 1892/1912). Durch Art. 137 Absatz 6 der Weimarer Verfassung von 1919 wurde das Besteuerungsrecht der „Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind“, nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen erstmals reichsrechtlich garantiert. Dieses Recht ist im Reichskonkordat von 1933 sowie in Landeskonkordaten beiderseitig bekräftigt worden. 1949 wurde der zitierte Weimarer Kirchenartikel Bestandteil des Bonner Grundgesetzes (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV). Das kirchliche Besteuerungsrecht wurde in mehreren Landesverfassungen (Bayern: Verfassung von 1946, Art. 143 Abs. 3) ausdrücklich anerkannt.

   
Wie funktioniert die Praxis der Kirchensteuer in Deutschland

  • Kirchenmitglieder, die lohn- und einkommensteuerpflichtig sind, sind in Deutschland kirchensteuerpflichtig. Wer keine Lohn- oder Einkommensteuer zahlt, wird auch nicht zur Kirchensteuer herangezogen. Dies gilt vor allem für kinderreiche Familien, Rentner, Geringverdiener, Arbeitslose, Kinder, Schüler und Studierende.
  • Die Kirchensteuer wird als Annexsteuer (= Folgesteuer/Zuschlagsteuer) zur Lohn- und Einkommensteuer erhoben. In Bayern beträgt die Höhe der Kirchensteuer zurzeit acht Prozent der veranlagten Lohn- und Einkommensteuer.
  • Die Kirchensteuer wird überwiegend von den staatlichen Steuerbehörden eingezogen. Für diese Leistung zahlt das Erzbistum dem Staat zwei Prozent des von ihm erhobenen Steueraufkommens. In Bayern erfolgt der Einzug der Kirchenlohnsteuer durch die staatlichen Finanzämter, der Einzug der Kircheneinkommensteuer aber durch die jeweiligen Kirchensteuerämter der Diözesen.
  • Bei der Kirchensteuer handelt es sich nicht um eine rein staatliche Steuer, sondern um eine gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche, die sowohl für ihre gesetzlichen Grundlagen als auch für ihre praktische Durchführung eine Kooperation von Staat und Kirche – allerdings bei gleichzeitiger Wahrung gegenseitiger Unabhängigkeit – voraussetzt. Die Kirchenmitglieder finanzieren dabei die Aufgaben und Leistungen der Kirche durch ihre Kirchensteuer weitgehend selbst.
Gibt es in anderen Ländern eine Kirchensteuer?

Die Art der Kirchenfinanzierung hängt wesentlich vom Staat-Kirche-Verhältnis des jeweiligen Landes und dem Staatsverständnis seiner Verfassung ab. In Ländern mit einer strikten Trennung von Staat und Kirche (z. B. USA, Frankreich) und in Ländern, in denen sich die Kirche in einer Minderheitensituation befindet, finanziert die Kirche ihre Aufgaben durch Spenden und Kollekten. In Ländern, in denen – trotz organisatorischer und institutioneller Trennung von Staat und Kirche – eine vielfältige Kooperation zwischen beiden besteht, ist die Finanzierung kirchlicher Aufgaben durch ein Steuer- bzw. Abgabensystem etabliert (z. B. Österreich, Schweiz, Spanien und Italien).

   
Welche Vorteile hat das deutsche Kirchensteuersystem?

Bei aller Kritik, die immer wieder im Zusammenhang mit der Kirchensteuer laut wird, bringt das deutsche Kirchensteuersystem zahlreiche Vorteile mit sich:

  • Die Bindung der Kirchensteuer an die Lohn- und Einkommensteuer bewirkt, dass alle Kirchenmitglieder bei der Besteuerung gleich behandelt werden. In unserem Kirchensteuersystem herrscht also Steuergerechtigkeit. Die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist gewährleistet.
  • Im Gegensatz zu einer rein auf Spenden basierenden Finanzierung räumt die Kirchensteuer der Kirche eine weitgehende Unabhängigkeit ein. Großspender oder andere Geldgeber können keinen Einfluss auf kirchliche Entscheidungen nehmen.
  • Die Kirchensteuer ermöglicht eine solide Finanzplanung über Jahre hinaus. Gerade im Hinblick auf die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Erzbistum und die vielfältigen pastoralen und sozialen Aufgaben – nicht nur für die Gläubigen, sondern für die Gesellschaft im Ganzen – ist dies von unschätzbarem Wert.
  • Die Kirchensteuerzahler tragen mit ihrer Kirchensteuer dazu bei, dass die Kirche in unserem Erzbistum gerade im sozial-caritativen Bereich einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Sicherung unserer Gesellschaft leisten kann.
  • Ohne die Kirchensteuer wären diese kirchlichen Leistungen gefährdet, was eine spürbare Einschränkung von Angebotsvielfalt auf vielen Gebieten und eine Verarmung gesellschaftlichen Lebens zur Folge hätte. Besonders caritative und kulturelle Aufgaben wie Sozialstationen, Bildungsstätten, Altersheime und Kindergärten müssten dann vom Staat oder den Gemeinden übernommen und durch höhere staatliche Steuern finanziert werden.
 
Informationen zur Abgeltungssteuer und die Auswirkungen auf die Kirchensteuer erhalten Sie auch bei der Deutschen Bischofskonferenz: Abgeltungssteuer und Kirchensteuer