Heilige Notburga

Dienstmagd in Eben/Tirol - 13. September


Aus dem Jahr 1434 stammt die früheste sichere Nachricht von Notburgas Verehrung: Als am 20. August das alte Ruperts-Kirchlein in Eben am Achensee nach Erweiterung neu geweiht wird, wird es in der Weiheurkunde als »Kapelle zur hl. Notburga« bezeichnet.

Die älteste, vielleicht noch aus dem Mittelalter stammende Erzählung über ihr Leben stand einst auf einer hölzernen Tafel geschrieben, die über ihrem Grab aufgehängt war. Danach war sie Köchin im Schloss eines Edelmanns und speiste mit den Resten von der herrschaftlichen Tafel die Armen. Die Herrin aber befahl ihr, damit die Schweine zu füttern. Notburga fuhr gleichwohl fort in ihrem Tun, und als der Herr sie dabei überraschte, verwandelten sich die Speisen, die sie in ihrer Schürze trug, zu Hobelspänen. Notburga verließ das Schloss: Die Herrin aber starb und musste wegen ihrer Hartherzigkeit nächtens im Schweinestall herumgeistern. Notburga trat nun in den Dienst eines Bauern - unter der ausdrücklichen Bedingung, nach Feierabend keine Feldarbeit mehr tun zu müssen. Als man eines Samstags auf dem Feld Weizen schnitt, hängte sie bei Feierabend ihre Sichel auf und ging zu Gebet und Hausarbeit. Der Edelmann und seine zweite Frau holten Notburga wieder auf ihr Schloss und erlaubten ihr, die frühere Wohltätigkeit weiterzuführen. Vor ihrem Tod bat sie, ihren Leichnam auf einen Wagen mit zwei Ochsen zu legen und sie zu begraben, wohin das Gespann sie führte. Die Tiere zogen über den Inn hinüber auf einen hohen Berg, wo der Edelmann eine Kirche erbauen ließ - die spätere Notburga-Kirche von Eben.

Historische Angaben über Notburgas Lebenszeit und die Orte ihres Wirkens lassen sich dieser Legende nicht entnehmen. Diese näher aufzuklären, bemühte sich im 17. Jahrhundert der fromme Haller Stiftsarzt Hippolyt Guarinoni, auch er konnte aber keine sicheren Nachrichten auffinden und war auf Vermutungen sowie mündliche Mitteilungen aus der Bevölkerung angewiesen. Nach seiner, um 1622 verfassten Lebensbeschreibung wurde die Heilige 1265 als Tochter einfacher Hutmachersleute im damals noch bayerischen Rattenberg am Inn geboren. Mit 18 Jahren trat sie auf der nahen Rottenburg in den Dienst als Köchin und Beschließerin bei der dortigen Grafenfamilie. Graf Heinrich II. und seine erste Gemahlin Ottilie waren ihre Herrschaft. Danach arbeitete Notburga auf dem Spießen-Hof bei Eben, bis sie zu Graf Heinrich und seiner zweiten Frau Margaretha zurückkehrte. Sie starb am 14. September 1313.

Guarinoni gab auch den beiden bekanntesten Wundern Notburgas ihre endgültige Fassung: Sie brachte nach dem Verbot ihrer Herrin den Bedürftigen nur noch etwas von ihrem eigenen Essen. Statt Brot in der Schürze und Wein in einer Kanne sah und kostete der Graf Hobelspäne und Lauge. Und als der Spießen-Bauer von ihr verlangte, auch nach dem Gebetläuten noch weiter Getreide zu schneiden, rief sie Gott zum Zeugen für ihr Recht an und hängte dabei ihre Sichel in die Luft, die an einem Sonnenstrahl hängen blieb.

Notburga ist das Idealbild christlicher Nächstenliebe und Frömmigkeit. Wallfahrten zu ihrem Grab sind seit dem 15. Jahrhundert bekannt. Förmlich selig oder heilig gesprochen wurde sie freilich nie.

Im Jahr 1718 erteilte der zuständige Brixener Fürstbischof die Erlaubnis, in der Kirche von Eben nach Notburgas Grab und Reliquien zu suchen. Wirklich fand sich ein Stück vorderhalb des Hochaltars eine Grabstelle. Die darin liegenden Gebeine wurden zunächst an Ort und Stelle belassen. Doch wurde der Wunsch, die Reliquien zur Verehrung sichtbar auszustellen, immer lauter. So entnahm man sie 1735 mit bischöflicher Genehmigung dem Grab und ließ sie kostbar fassen. 1738 erfolgte die feierliche Ausstellung des heiligen Leibes im Hochaltar der inzwischen neu gebauten Kirche - mancher heutige Besucher erschrickt wohl zunächst, wenn er das bekleidete Skelett hier in einem Glasschrein stehen sieht. Die alte Grabstelle ist im Boden durch eine Marmorplatte gekennzeichnet.

Das Bemühen um eine offizielle Anerkennung des Kults führte 1862 zum Erfolg: Am 27. März bekräftigte Papst Pius IX. ein entsprechendes Dekret der Ritenkongregation. Somit war die allgemeine Feier des Notburga-Festes gestattet, weil nachgewiesen werden konnte, dass die Heilige »seit unvordenklicher Zeit« bis in die Gegenwart ununterbrochen öffentlich verehrt wurde.

Brauchtum und Verehrung
Bis heute kommen zahlreiche Besucher, vor allem aus Tirol und Bayern, nach Eben. Hauptfest ist der »Notburga-Sonntag« (jeweils nach dem 13. September), an dem (seit 1862) für die große Schar der Pilger die Predigt vom Balkon des Mesnerhauses neben der Kirche gehalten wird. Die 1426 in München gegründete Tagwerker-Bruderschaft steht seit 1753 unter dem Patronat der Heiligen Isidor und Notburga. Zahlreiche Votivtafeln zeugen von der Wallfahrt zur hl. Notburga in der 1749 erbauten Kirche von Weißling bei Kollbach.

Darstellung, Attribute, Patronate
Notburga wird in der ländlichen Kleidung einer Dienstmagd dargestellt. Ährenbündel und Schlüsselbund verweisen auf ihre Tätigkeit; Brot, Kanne und Sichel auf die beiden bekanntesten Wunder. Sie ist Patronin der Dienstboten, der Bauern und der Armen.

Roland Götz


Literatur
Franz Caramelle / Wolfgang Ingenhaeff / Peter Orlik / Ludwig Penz, Sankt Notburga. Die Volksheilige aus Tirol in Geschichte, Kult und Kunst, Hall in Tirol 1996
Notburga - Mythos einer modernen Frau [Ausstellungskatalog], Reith im Alpbachtal 2001



Notburga - Gebet
Heilige Notburga
Anwältin der Arbeitenden –
wenn Arbeitslosigkeit uns bedroht,
tritt für uns ein.

Zuflucht in all unseren Nöten -
wenn Menschen in Hunger und Elend
leben,
sei du unser Vorbild der Hilfe.

Beschützerin der Bauern, des Viehs, der
Felder und Fluren -
wenn Natur und Umwelt missachtet
werden,
rüttle uns auf.

Kämpferin für Freizeit und Sonntag –
wenn Sonntag und Freizeit bedroht sind,
sei du uns Mahnung.

Vorbild in der Treue zu Gott -
wenn unser Gottvertrauen schwindet,
sei uns zugegen.

Heilige Notburga, bitte für uns. Amen.

Gebet, verfasst vom Ebener Pfarrer Erwin Corazza, um 1992