Einführung in die Finanzverwaltung

Von der Kameralistik zur Doppik

Was versteht man unter Doppik?
Für die Erstellung eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses wurde es erforderlich, die gesamte dafür relevante Organisation und die Prozesse der Erzdiözese auf die Doppik umzustellen. Der Begriff Doppik ist ein Kunstwort und bezeichnet die doppelte Buchführung in Konten. Für die Umstellung auf Doppik wurde Anfang 2014 das Projekt LUCA initiiert. Der Name LUCA wurde abgeleitet von Luca Pacioli, einem Professor, Mathematiker und Franziskanermönch, der im Jahre 1494 die erste geschlossene Darstellung zur doppelten Buchhaltung in gedruckter Form veröffentlichte.

Warum wurde das Projekt LUCA aufgesetzt?
Vor dem Hintergrund eines wachsenden Informationsbedürfnisses der Gläubigen und Kirchensteuerzahler hinsichtlich der kirchlichen Finanzen einerseits und der diözesanen Entscheidungsträger andererseits (Planung, Controlling) soll der Jahresabschluss umfangreiche Transparenz über das Vermögen, die finanziellen Ressourcen, aber auch die Verpflichtungen der Erzdiözese schaffen. Die Erzdiözese hat nichts zu verbergen und möchte transparent machen, für welche Zwecke welche finanziellen Mittel eingesetzt werden. Damit die veröffentlichten Zahlen eine hohe Qualität aufweisen, hat sich die Erzdiözese dazu entschieden, freiwillig die strengen gesetzlichen Regelungen des Handelsgesetzbuchs (HGB) für große Kapitalgesellschaften anzuwenden.
 
Was ist neu an einem doppischen Jahresabschluss?
Der doppische Jahresabschluss fußt auf dem Ressourcenverbrauchsprinzip. Er betrachtet also nicht nur den reinen Geldfluss, also alle Einzahlungen und Auszahlungen, sondern berücksichtigt auch Sachverhalte, die noch zu keinem Zahlungsfluss geführt haben bzw. zu keinem Zahlungsfluss mehr führen werden. Hierzu zählen vor allem eingegangene Verpflichtungen (beispielsweise für Altersversorgungszusagen) oder der Wertverbrauch des vorhandenen Vermögens (z.B. für die Nutzung diözesaner Schulgebäude) in Form von Abschreibungen. Den Verpflichtungen und Schulden wird das gesamte Vermögen der Erzdiözese gegenübergestellt. Der doppische Jahresabschluss zeigt offen und transparent, welche künftigen Einnahmen und Ausgaben aus heutiger Sicht zu erwarten sind.
So wird offengelegt, wie Entscheidungen, die heute getroffen werden, ggf. auch künftige Generationen finanziell belasten.

Wie ist man im Projekt LUCA vorgegangen?
Die Umstellung auf die Doppik erforderte Aktivitäten des Projektteams in vier Bereichen:
  1. Um alle Vermögensgegenstände und Schulden im Jahresabschluss ausweisen zu können, musste zunächst der gesamte Vermögensbestand aus Immobilien, Kunstgegenständen, Möbeln und sonstiger Betriebs- und Geschäftsausstattung der Erzdiözese im Rahmen von Inventuren erfasst werden. Sachgerechte Inventuren von Vermögensgegenständen erforderten eine Vor-Ort-Besichtigung. Ferner war eine vollständige Ermittlung aller Verpflichtungen und Schulden erforderlich. Weiter mussten Vermögen und Verpflichtungen bewertet werden.
  2. Für die Erstellung des Jahresabschlusses nach handelsrechtlichen Kriterien mussten alle Buchhaltungsprozesse ab dem 1. Januar 2015 den doppischen Anforderungen gerecht werden. Es musste sichergestellt werden, dass alle für die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung erforderlichen Informationen richtig, zeitgerecht und vollständig in der Buchhaltung abgebildet werden. Kernaktivität des Projekts LUCA war es daher, alle erforderlichen doppischen Buchhaltungsprozesse zu definieren, die Prozesse abzubilden und die betroffenen Mitarbeiter/-innen entsprechend zu schulen.
  3. Um einen fortlaufenden Abgleich von Planungszahlen aus dem Haushalt und Ist-Zahlen aus der Buchhaltung auch für die Zukunft zu ermöglichen, musste sichergestellt werden, dass geplante Zahlen und gebuchte Größen nach den gleichen Maßstäben ermittelt werden. Das Haushaltswesen wurde daher an das neue Rechnungswesen angepasst, sodass für das Jahr 2016 erstmalig ein
    doppischer Haushalt geplant wurde.
  4. Eine vierte wesentliche Aktivität des Projektteams bestand darin, die neuen Buchhaltungs- und Planungsprozesse im bestehenden IT-System abzubilden. In Zusammenarbeit mit dem IT-Dienstleister wurden die neuen Anforderungen in der Software abgebildet sowie alle Schnittstellen zu weiteren Systemen angepasst.
Welches Ergebnis konnte im Projekt LUCA erreicht werden?
 
Nach etwa zweieinhalb Jahren endet das Project LUCA mit der vorliegenden Veröffentlichung des Jahresabschlusses zum 31.12.2015, dem Lagebericht und der doppischen Haushaltsplanung für 2016.
  • Bilanz: Alle Vermögensgegenstände werden dem eingesetzten Kapital gegenübergestellt. Im Rahmen des Projekts LUCA wurde erstmalig eine vollständige Bilanz erstellt.
  • Gewinn- und Verlustrechnung (GuV): In der GuV werden alle Erträge und Aufwendungen eines Jahres erfasst. Sie löst die bisherige Haushaltsrechnung ab.
  • Anhang: Die im Anhang gemachten Angaben ergänzen Bilanz und GuV und dienen der besseren Interpretation des Jahresabschlusses.
  • Lagebericht: Im Lagebericht wird die Lage des Erzbistums vor dem Hintergrund des Jahresverlaufs und seiner wesentlichen Einflussfaktoren erläutert. Dabei geht der Lagebericht auch auf zukünftige Chancen und Risiken ein. Der Lagebericht ergänzt damit den Jahresabschluss bestehend aus Bilanz, GuV und Anhang um eine zukunftsgerichtete Blickweise.
  • Testat des Abschlussprüfers: Die vollständige Einhaltung der handelsrechtlichen Regeln und Qualitätskriterien wird durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer im Rahmen eines uneingeschränkten Testats bestätigt.
  • Doppischer Haushaltsplan: Im doppischen Haushaltsplan werden alle Erträge und Aufwendungen eines Jahres auf Basis der Struktur und der Vorgaben der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung erfasst.

Die Gremien

Die Verwaltung von Kirchenfinanzen unterliegt dem Reglement des Kirchenrechts der römischkatholischen Kirche, wie es im Codex Iuris Canonici (CIC) verankert ist, insbesondere can 492 ff. und can 1277, 1291 ff. CIC. Ergänzt und umgesetzt werden diese Bestimmungen durch Regelungen diözesanen Rechts, insbesondere durch das Diözesangesetz über die Grundsätze für die Erstellung der finanziellen Jahresplanung und des Jahresabschlusses der Erzdiözese München und Freising, veröffentlicht im Amtsblatt Nummer 12 vom 31. Oktober 2015.

Die kirchenrechtlichen Bestimmungen machen auch konkrete Vorgaben zu den jeweiligen Gremien, die je nach Art und Bedeutung von Finanzangelegenheiten hinzugezogen werden müssen.
 
Die Beispruchsgremien in Finanzfragen sind in der Erzdiözese München und Freising der Diözesansteuerausschuss und die Erzbischöfliche Finanzkommission sowie das Metropolitankapitel des Münchner Liebfrauendoms. Dem Diözesansteuerausschuss gehören mehrheitlich gewählte Mitglieder der örtlichen Kirchenverwaltungen an. Die Mitglieder der Erzbischöflichen Finanzkommission werden vom Erzbischof ernannt. Soweit sie stimmberechtigt sind, müssen sie über besondere Kenntnisse und Erfahrungen in wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten verfügen, wie beispielsweise Steuerberater, Kaufleute oder Juristen, und dürfen grundsätzlich nicht in einem Anstellungsverhältnis zur Erzdiözese stehen. Vorsitzender beider Gremien ist der Erzbischof oder der von ihm beauftragte Generalvikar. Als solcher besitzt er kein Stimmrecht. Gleiches gilt für den Erzbischöflichen Finanzdirektor als stellvertretenden Vorsitzenden des Diözesansteuerausschusses. Dem Metropolitankapitel gehören zwölf Geistliche an, es wirkt als Konsultorenkollegium bei der Leitung und Verwaltung der Erzdiözese mit.

Wichtigste Aufgaben des Diözesansteuerausschusses und der Erzbischöflichen Finanzkommission sind, die finanzielle Jahresplanung der Erzdiözese festzustellen und den Jahresabschluss anzuerkennen. Die finanzielle Jahresplanung umfasst die zu erwartenden Einnahmen, insbesondere aus der Kirchensteuer, sowie die für die Erfüllung des kirchlichen Auftrags erforderlichen Ausgaben. Der Erzbischöfliche Finanzdirektor ist in seiner Funktion als Ökonom der Erzdiözese dafür verantwortlich, dass die im Haushalt erwarteten Einnahmen auch tatsächlich realisiert und die erforderlichen Ausgaben ordnungsgemäß getätigt werden. Er legt in Form eines nach handelsrechtlichen Regeln erstellten Jahresabschlusses Rechnung über seine Tätigkeit. Dadurch wird größtmögliche Transparenz und Vergleichbarkeit gewährleistet. Dieser Jahresabschluss wird von einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nach handelsrechtlichen Maßstäben geprüft, testiert und schließlich von Diözesansteuerausschuss und Erzbischöflicher Finanzkommission anerkannt.

Darüber hinaus ist bei Geschäften von herausgehobener wirtschaftlicher Bedeutung für die Erzdiözese die Anhörung oder sogar Zustimmung der Erzbischöflichen Finanzkommission und des Metropolitankapitels erforderlich. Bei Veräußerungsgeschäften kann sogar eine Zustimmung des Apostolischen Stuhls in Rom notwendig sein.

Die Stiftungen

Ziel allen Handelns der Erzdiözese ist es, Menschen die Begegnung mit der Frohen Botschaft Jesu Christi zu ermöglichen und sie seelsorglich zu begleiten. Deshalb muss das Vermögen der Erzdiözese dem Grundauftrag der Kirche, wie er sich in Liturgie, Verkündigung und Nächstenliebe verwirklicht, dienen. Das Erzielen von Erträgen und die Mehrung von Vermögen haben allein den Zweck, die dafür in unserer Lebenswelt notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Im Zuge der Einführung einer HGB-konformen Rechnungslegung wurde diese Zweckbindung des Vermögens durch tiefgreifende Reformen in der Struktur, Verwaltung und Aufsicht deutlich festgeschrieben.
 
Eine wichtige Grundregel für die Verwaltung kirchlichen Vermögens ist es, das vorhandene Vermögen nicht als das Eigentum der jeweils gerade handelnden Generation zu betrachten, sondern aus den Vermögenserträgen langfristig und nachhaltig die Erfüllung der kirchlichen Grundaufträge zu unterstützen. Die Sendung der Kirche soll auch unter sich stetig verändernden Rahmenbedingungen verlässlich weitergeführt werden können. Deshalb ist das Vermögen nun noch klarer diesen konkreten Aufgaben zugeordnet und soll im Sinne der Nachhaltigkeit auch den zukünftigen Generationen zur Verfügung stehen.
 
Seit Jahrhunderten nutzt die Kirche dazu Stiftungen. Zu nennen sind insbesondere die vielen jeweils eigenständigen Kirchen- und Pfründestiftungen auf dem Gebiet der Erzdiözese. Die zentrale Rolle im Zusammenhang mit der Neustrukturierung des Vermögens der Erzdiözese spielen jedoch die im Folgenden genannten drei Stiftungen, deren Erträge jeweils einer der Grundaufgaben zugutekommen sollen:

  • Die Erträge der 2015 neu gegründeten St. Korbinian-Stiftung werden dem gemeindlichen Leben
    zugutekommen.
  • Bereits länger bestehen die Bischof-Arbeo-Stiftung, deren Erträge für Bildung und Verkündigung
    verwendet werden,
  • und die St. Antonius-Stiftung, deren Erträge dem Dienst am Nächsten, der Caritas, gewidmet sind.
Diesen Stiftungen wurden im vergangenen Jahr insgesamt 1,3 Milliarden Euro an Vermögen zugestiftet. Dieser Schritt wurde ganz bewusst im Berichtsjahr 2015 vollzogen, damit er transparent und nachvollziehbar in den erstmals veröffentlichten Jahresabschlüssen abgebildet ist.
 
Das Vermögen der Stiftungen ist einem Zugriff des Erzbistums entzogen, es unterliegt der Kontrolle eines Stiftungsrats, in dem anerkannte, unabhängige Fachleute sitzen. Die Geschäftsführung der Stiftungen wird in einem Stiftungszentrum im Kloster Beuerberg zusammengeführt.
 
Die Erträge der drei Stiftungen fließen je nach Stiftungszweck komplett dem Haushalt des Erzbistums zu. Der Diözesansteuerausschuss muss der jeweiligen Verwendung der Mittel zustimmen.
 
Es ist ausdrückliches Ziel, dass das Vermögen aller drei Stiftungen weiter wachsen soll. Das Erzbistum beabsichtigt, in wirtschaftlich guten Zeiten immer wieder Zustiftungen zu machen. Kirche soll so nachhaltig und zuverlässig leistungsstark bleiben.
 
Für das Jahr 2015 haben die drei eigenständigen Stiftungen erstmals einen Jahresabschluss in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Handelsgesetzbuches aufgestellt. In einer eigenen Veröffentlichung zusätzlich zu diesem Geschäftsbericht der Erzdiözese finden Sie die Jahresabschlüsse der Bischof-Arbeo-Stiftung, der St. Antonius-Stiftung und der St. Korbinian-Stiftung jeweils mit Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Anhang und Lagebericht.

Die Emeritenanstalt

Die Erzdiözese ist verpflichtet, eine angemessene Versorgung der Geistlichen im Alter sicherzustellen. Zu diesem Zweck hat die Erzdiözese mit der Emeritenanstalt der Erzdiözese München und Freising ein Sondervermögen eingerichtet. Die Emeritenanstalt wurde als eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts bereits 1923 staatlich anerkannt und gewährt ihren Mitgliedern während des Ruhestandes Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen.

 Um das Bestreben der Erzdiözese, eine möglichst große Transparenz über ihre Vermögensverhältnisse herzustellen, zu unterstützen, hat auch die Emeritenanstalt für das Jahr 2015 erstmals einen Jahresabschluss in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Handelsgesetzbuches aufgestellt. Nach der Einführung des neuen Rechnungswesens ist beabsichtigt, auch die Aufsichtsstrukturen fortzuentwickeln und sie den aktuellen Anforderungen anzupassen.
 
Den Jahresabschluss der Emeritenanstalt mit Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Anhang und den Lagebericht der Körperschaft finden Sie in einer eigenen Veröffentlichung zusätzlich zu diesem Geschäftsbericht der Erzdiözese.

Fragen zur Kirchensteuer 2016

Warum soll ich Kirchensteuer bezahlen?
Die Kirche ist eine Glaubensgemeinschaft mit einer Sendung: Sie ist „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“.(1) Auftrag der Kirche ist es also, die Botschaft Gottes in unserer Gesellschaft gegenwärtig zu halten und die Menschen in die Gemeinschaft untereinander und mit Gott zu führen. Dieser Sendung kommt die Kirche seit 2000 Jahren nach, indem sie Gottesdienste feiert, Sakramente spendet, das Wort Gottes verkündet und sich um die Armen und Ausgegrenzten kümmert – und das mit den wirtschaftlichen Gütern, die sie jeweils zur Verfügung hat. Die Kirche ist in diesem Sinne eine Solidargemeinschaft. Die Apostelgeschichte berichtet, dass die Gläubigen in der Urgemeinde von Jerusalem alles gemeinsam hatten (Apg 4,32ff). Darin zeigt sich die Gesamtverantwortung aller Katholiken für den gemeinsamen Sendungsauftrag. Jeder hat nach seinen Kräften dazu beizutragen, dass wir als Kirche unsere Sendung erfüllen können. Seit der Zeit der Apostel werden die wirtschaftlichen Güter für die personellen, missionarischen und caritativen Bedürfnisse der Gemeinde verwendet. Deshalb legt das kirchliche Recht den einzelnen Kirchenmitgliedern die Pflicht auf, die Beiträge zu leisten, die für die Erfordernisse der Kirche notwendig sind.(2)

Seit wann gibt es die Kirchensteuer?
Als älteste regelmäßige Einnahmequelle der Kirche auf deutschem Boden gilt der Kirchenzehnt, der aus biblischen Opfergaben abgeleitet und durch ein Synodalgebot von 585 in eine Pflichtabgabe verwandelt worden war. Durch ein Gesetz Karls des Großen von 779 im ganzen Reich auch staatlich geboten, erlangte er in den folgenden Jahrhunderten als Ertragszehnt von Acker-, Weinberg- und Baumfrucht sowie von Groß- und Kleinvieh eine erhebliche Rolle bei der Finanzierung der kirchlichen Aufgaben. Im Mittelalter nahmen auch die Päpste für sich das Recht der Besteuerung für kirchliche Zwecke in Anspruch.

Auf welcher historischen und rechtlichen Grundlage basiert die Kirchensteuer?
Im Zuge der Säkularisation nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 ging den Kirchen neben ihren Gütern endgültig das Zehntrecht verloren. Die begünstigten Landesfürsten wurden gleichzeitig zu finanziellen Ausgleichsleistungen an die Kirchen verpflichtet. In Ablösung dieser Verpflichtung kamen auf Landesebene Schritt für Schritt Regelungen zur Einführung der modernen Kirchensteuer – als Weitergabe der Ausgleichsleistungen von den Fürsten an die Kirchenmitglieder – zustande (in Bayern 1892/1912). Durch Art. 137 Absatz 6 der Weimarer Verfassung von 1919 wurde das Besteuerungsrecht der „Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind“, nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen erstmals reichsrechtlich garantiert. Dieses Recht ist im Reichskonkordat von 1933 sowie in Landeskonkordaten beiderseitig bekräftigt worden. 1949 wurde der zitierte Weimarer Kirchenartikel Bestandteil des Bonner Grundgesetzes (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV). Das kirchliche Besteuerungsrecht wurde in mehreren Landesverfassungen (Bayern: Verfassung von 1946, Art. 143 Abs. 3) ausdrücklich anerkannt.
Wie funktioniert die Praxis der Kirchensteuer in Deutschland
  • Kirchenmitglieder, die lohn- und einkommensteuerpflichtig sind, sind in Deutschland kirchensteuerpflichtig. Wer keine Lohn- oder Einkommensteuer zahlt, wird auch nicht zur Kirchensteuer herangezogen. Dies gilt vor allem für kinderreiche Familien, Rentner, Geringverdiener, Arbeitslose, Kinder, Schüler und Studierende.
  • Die Kirchensteuer wird als Annexsteuer (= Folgesteuer/Zuschlagsteuer) zur Lohn- und Einkommensteuer erhoben. In Bayern beträgt die Höhe der Kirchensteuer zurzeit acht Prozent der veranlagten Lohn- und Einkommensteuer.
  • Die Kirchensteuer wird überwiegend von den staatlichen Steuerbehörden eingezogen. Für diese Leistung zahlt das Erzbistum dem Staat zwei Prozent des von ihm erhobenen Steueraufkommens. In Bayern erfolgt der Einzug der Kirchenlohnsteuer durch die staatlichen Finanzämter, der Einzug der Kircheneinkommensteuer aber durch die jeweiligen Kirchensteuerämter der Diözesen.
  • Bei der Kirchensteuer handelt es sich nicht um eine rein staatliche Steuer, sondern um eine gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche, die sowohl für ihre gesetzlichen Grundlagen als auch für ihre praktische Durchführung eine Kooperation von Staat und Kirche – allerdings bei gleichzeitiger Wahrung gegenseitiger Unabhängigkeit – voraussetzt. Die Kirchenmitglieder finanzieren dabei die Aufgaben und Leistungen der Kirche durch ihre Kirchensteuer weitgehend selbst.
Gibt es in anderen Ländern eine Kirchensteuer?
Die Art der Kirchenfinanzierung hängt wesentlich vom Staat-Kirche-Verhältnis des jeweiligen Landes und dem Staatsverständnis seiner Verfassung ab. In Ländern mit einer strikten Trennung von Staat und Kirche (z. B. USA, Frankreich) und in Ländern, in denen sich die Kirche in einer Minderheitensituation befindet, finanziert die Kirche ihre Aufgaben durch Spenden und Kollekten. In Ländern, in denen – trotz organisatorischer und institutioneller Trennung von Staat und Kirche – eine vielfältige Kooperation zwischen beiden besteht, ist die Finanzierung kirchlicher Aufgaben durch ein Steuer- bzw. Abgabensystem etabliert (z. B. Österreich, Schweiz, Spanien und Italien).

Welche Vorteile hat das deutsche Kirchensteuersystem?
Bei aller Kritik, die immer wieder im Zusammenhang mit der Kirchensteuer laut wird, bringt das deutsche Kirchensteuersystem zahlreiche Vorteile mit sich:
  • Die Bindung der Kirchensteuer an die Lohn- und Einkommensteuer bewirkt, dass alle Kirchenmitglieder bei der Besteuerung gleich behandelt werden. In unserem Kirchensteuersystem herrscht also Steuergerechtigkeit. Die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist gewährleistet.
  • Im Gegensatz zu einer rein auf Spenden basierenden Finanzierung räumt die Kirchensteuer der Kirche eine weitgehende Unabhängigkeit ein. Großspender oder andere Geldgeber können keinen Einfluss auf kirchliche Entscheidungen nehmen.
  • Die Kirchensteuer ermöglicht eine solide Finanzplanung über Jahre hinaus. Gerade im Hinblick auf die rund 15.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Erzbistum und die vielfältigen pastoralen und sozialen Aufgaben – nicht nur für die Gläubigen, sondern für die Gesellschaft im Ganzen – ist dies von unschätzbarem Wert.
  • Die Kirchensteuerzahler tragen mit ihrer Kirchensteuer dazu bei, dass die Kirche in unserem Erzbistum gerade im sozial-caritativen Bereich einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Sicherung unserer Gesellschaft leisten kann.
  • Ohne die Kirchensteuer wären diese kirchlichen Leistungen gefährdet, was eine spürbare Einschränkung von Angebotsvielfalt auf vielen Gebieten und eine Verarmung gesellschaftlichen Lebens zur Folge hätte. Besonders caritative und kulturelle Aufgaben wie Sozialstationen, Bildungsstätten, Altersheime und Kindergärten müssten dann vom Staat oder den Gemeinden übernommen und durch höhere staatliche Steuern finanziert werden.

(1) Rahner Karl, Vorgrimler Herbert. Kleines Konzilskompendium, Lumen Gentium Nr. 1, Freiburg 1966.
(2) Codex des kanonischen Rechts, can 222 § 1 in Korrespondenz mit can 1260 und 1263 CIC.