St. Otto & St. Albertus Magnus

Ehemaliger Pfarrverband Ottobrunn

jetzt Pfarrverband Vier Brunnen - Ottobrunn

Interview mit Pfarrer Dr. Czeslaw Lukasz

Wir wollten ein bisschen mehr über unseren Pfarrer wissen!

Das Interview im Herbst 2011 führte Peter Dill, Mitglied der Internet-Redaktion und des Pfarrgemeinderates St. Albertus Magnus.
Dill: Herr, Pfarrer Lukasz, Sie feiern Taufen und Trauungen auf Italienisch, Englisch, Spanisch, Französisch und selbstverständlich Polnisch. Wie viele Sprachen sprechen Sie?
Lukasz: Im Französischunterricht am Gymnasium habe ich gesehen, wie eine Fremdsprache ganz neue Horizonte öffnet und dass es gar nicht so schwierig ist eine Sprache zu lernen. Nach der Priesterweihe hatte ich das Glück, das Aufbaustudium im Ausland zu machen und neben einigen europäischen auch die alten Sprachen der Bibel, Griechisch und Hebräisch, zu lernen.

Dill: Wie haben Sie Deutsch gelernt?
Lukasz: Die ersten Schritte waren während des Theologiestudiums in Warschau, aber so richtig los ging es erst, als ich die deutsche Fachliteratur für Bibelstudium und Promotion lesen musste. Für aktive Sprachkenntnisse war das Studienjahr in Frankfurt am Main wichtig.

Dill: Und Bayrisch?
Lukasz: Das habe ich aufgegeben. Meine Zunge ist so gewachsen, dass die Leute immer lachen, wenn ich ein bayerisches Wort sage...

Dill: Sie sind seit 1993 in der Erzdiözese München und Freising tätig. Bevor Sie nach St. Albertus Magnus kamen, waren Sie ein paar Monate in Moosburg, dann vier Jahre in München. 2007 haben Sie hier auch St. Otto übernommen. Was gefällt Ihnen in Ottobrunn?
Lukasz: Die Menschen hier. Viele sind wie ich hauptsächlich aus beruflichen Gründen nach Ottobrunn gekommen und haben hier ihre neue Heimat gefunden. In Ottobrunn gibt es keine Trennung zwischen Einheimischen und „Zuagroastn“. Die meisten sind in unserem jungen Ort „Ausländer“. Viele haben eine hohe, oft naturwissenschaftliche Ausbildung und arbeiten in den umliegenden Hightech-Betrieben. Auch mich haben Mathe und Physik in der Schule richtig fasziniert und ich wäre selbst beinahe ein Physiker geworden.

Dill: Sie sind aber Priester geworden. Was ist so spannend am Priesterberuf?
Lukasz: Zuerst hat mich das Studium der Theologie und der Bibel wahnsinnig interessiert. Spannend finde ich im Dienste Jesu zu stehen, das Evangelium zu verkünden und zu leben, in der Hoffnung etwas von der Neuheit des Lebens zu erfahren, die Jesus versprochen hat. Als Priester haben wir mit den Menschen zu tun und sind für sie da, von der Taufe bis zum letzen Atemzug. Das ist in anderen Berufen kaum möglich.
Dill: Stört Sie nicht, dass die katholische Kirche in der deutschen Öffentlichkeit derzeit nicht den besten Ruf genießt?
Lukasz: Ich leide darunter mit unserer Kirche, aber ich liebe sie auch. Sie ist mehr als eine rein menschliche Einrichtung. Der Herr reinigt sie in diesen Krisenzeiten und ich bin sicher, dass er uns wieder auf einen geraden Weg führen wird und wir eine lebendige Kirche im Dienst am Menschen bleiben.

Dill: Ist die Abschaffung des Zölibats, die Frauenordination und eine Demokratisierung der hierarchischen Strukturen die Zukunft der Kirche?
Lukasz: Ich bin kein Visionär in diesen Dingen und muss ehrlich sagen, dass ich manchmal froh bin, nicht derjenige zu sein, der dies entscheiden muss. Ich habe hier genug andere Dinge zu tun. In diesen Fragen vertraue ich dem Heiligen Geist und den Verantwortlichen, dass sie zur richtigen Zeit notwendige Veränderungen einleiten, ich kann aber nicht sagen welche. Es gilt sicher auch für unsere Zeit: Ecclesia semper reformanda, die Kirche muss sich immer erneuern.

Dill: Die Christen in Deutschland sind getrennt in Katholiken und Protestanten. Können von der Ökumene Impulse für die Erneuerung der katholischen Kirche ausgehen?
Lukasz: Wir lernen schon jetzt viel voneinander durch zahlreiche Kontakte und gemeinsame ökumenische Feiern. Vieles davon, was die sog. Reformkatholiken fordern, ist längst Alltag in den Kirchen der Reformation. Dort sehen wir aber auch, dass es kein Allheilmittel ist. Durch die Anpassung an gesellschaftliche Standards gelingt es der evangelischen Kirche auch nicht in einer immer mehr säkularen Welt, neue überzeugende Impulse in Verkündigung und im Kirchenleben zu setzen und sie hat zum Teil noch größere Sorgen um die Zukunft als die katholische Kirche.

Dill: Wie wichtig ist Ihnen die Ökumene?
Lukasz: Sehr wichtig: der Weisung Jesu nach ist jeder Christ der Einheit der Christen verpflichtet. Richtig verstandene Ökumene ist kein Verlustgeschäft für unsere Kirche, wie einige befürchten. Wir müssen nichts von dem, was uns ausmacht, aufgeben. Im Gegenteil, ökumenische Kontakte können bereichernd sein. Sie können auch dazu führen, das Besondere und das Schöne des „Katholischen“ neu zu entdecken.

Dill: Wie können aber katholische und evangelische Kirchen zur Einheit gelangen, die Jesus gewollt hat?
Lukasz: Die Einheit, die hier gemeint ist, kann nicht am Verhandlungstisch beschlossen werden. Sie muss von innen her, im Glauben erfolgen, indem die Christen beider Konfessionen sich verstärkt bemühen den Anforderungen Jesu zu entsprechen. Wenn wir dies tun, dann treffen wir uns auf einer Glaubensebene, die eine geistige Einheit schafft, die dann ihrerseits zum Ausgangspunkt werden kann für die Suche nach der sichtbaren Einheit der Kirchen.

Dill: Sie haben in Rom, in der Nähe des Vatikans, zehn Jahre lang gelebt. Wie sieht die Kirche von Rom aus?
Lukasz: Das war eine tolle Erfahrung unserer Weltkirche, die ich nicht missen möchte und die mich bis heute prägt. Man trifft in Rom Leute aus der ganzen Welt: es gibt kaum ein Land auf unserem Planeten, aus dem ich dort nicht katholischen Christen und Priestern begegnet bin. In Rom überwindet man kirchlichen Provinzialismus und lernt in universalkirchlichen Kategorien zu denken. Dort habe ich gelernt äußere Ausprägungen des Kirchenlebens in einzelnen Ländern zu schätzen aber nicht zu überbewerten, sondern vielmehr das allgemein verbindlich Christliche zu beachten. Vielleicht fiel mir deshalb die Umstellung, als ich nach Deutschland kam, um so leichter.

Dill: Ihre Doktorarbeit hat auch mit der Universalität des Heils zu tun. Was war genau das Thema?
Lukasz: Ich habe über die Zielsetzung der Kornelius-Perikope in der Apostelgeschichte 10,1-11,18 geschrieben. Der Evangelist Lukas berichtet, wie der erste Nicht-Jude, der römische Hauptmann Kornelius, von Petrus getauft und in die bisher ausschließlich jüdisch-christliche Kirche aufgenommen wurde. Die Erzählung macht den Weg frei für eine Weltkirche und enthält eine Begründung, warum alle Menschen, unabhängig von der Herkunft, Christen werden können. Die Dissertation ist in Deutschland als Buch mit dem Titel „Evangelizzazione e conflitto“ erschienen und enthält eine Zusammenfassung auf Englisch und Deutsch.

Dill: Vor der Promotion am Päpstlichen Bibelinstitut haben Sie dort ein vierjähriges Bibelstudium abgeschlossen, das mit einem Lizenziat endete.
Lukasz: Es war eine harte Zeit, vor allem wegen des Lernens der alten Bibelsprachen. Manchmal habe mich gefragt, ob ich das Richtige gewählt habe, wenn man durchs Fenster der Bibliothek die Scharen von Romtouristen gesehen hat, die fröhlich zum Trevi-Brunnen spazierten. Versöhnt habe ich mich mit meiner Wahl, als man die Sprachkenntnisse für die Exegese einsetzen konnte. Das Lizenziat in der Bibelwissenschaft habe ich mit einer Arbeit über den hundertfachen Lohn (Markus 10,17-31) erworben. Dann kam die Promotion zum „Doktor in re biblica“, die in Deutschland aufgrund von hohen Anforderungen praktisch mit Habilitation gleichgesetzt wird.

Dill: Wenn ich all das höre, frage ich mich: Fühlen Sie sich in Ottobrunn nicht zu sehr, sozusagen, eingeengt?
Lukasz: Ein Priester ist dort zu Hause, wo Menschen ihn brauchen und wo er der Kirche am besten dienen kann. Vielleicht ein Reflex meines priesterlichen Werdegangs ist die Tatsache, dass ich gerne auch überpfarrliche Aufgaben übernehme, soweit sie sich mit meinen Aufgaben als Pfarrseelsorger vereinbaren lassen. In meiner Münchner Zeit habe ich am Rupprecht-Gymnasium in der Kollegstufe Religionsunterrichtet erteilt, ich halte gerne Bibelvorträge für das Münchner Bildungswerk. Ich war auch fünf Jahre Dekan des Dekanats Ottobrunn, dann weitere fünf Jahre der Dekanstellvertreter. Aktuell bin ich Mitglied des Priesterrates der Erzdiözese, wo ich die Priester der Dekanate Ottobrunn, München-Giesing und München-Perlach vertrete. Im diözesanen Projekt „Zukunft Pfarrkindergärten“ leite ich das Teil-Projekt „Pastorale Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtungen und Pfarreien“. Außerdem bin ich Dekansbeauftragter für unser Caritas-Zentrum, den Hospizkreis und den Dekanatsrat.

Dill: Wie erholen Sie sich von den zahlreichen Verpflichtungen?
Lukasz: Wenn es geht, halte ich den Montag frei und verschwinde am liebsten in die Berge. Dazu ist die Lage Ottobrunns optimal. Im Sommer gehe ich Bergsteigen, im Winter mache ich Skitouren. Wenn ich pisteln muss, weil ich Gäste habe, dann mit Snowboard und wenn im Oberland Schnee liegt, dann steige ich auf die Bretter zum Langlauf. Gerne höre ich klassische Musik und besuche Konzerte in München, dafür liegt Ottobrunn auch sehr günstig.

Dill: Aus eigener Erfahrung weiß ich zu schätzen, dass Sie jedes Jahr eine Reisegruppe der Pfarreien durch die verschiedensten Länder führen. Was bewegt Sie, quasi im Urlaub auch noch für andere sorgen zu müssen?
Lukasz: Die Leute sorgen schon selbst für sich. Mein Anliegen ist den Mitreisenden das biblische und christliche Erbe zu zeigen, auf dem unser Glaube baut. Deshalb führte unsere erste Reise im Jubiläumsjahr 2000 ins Heilige Land: Israel, Palästina und Jordanien. Danach haben wir fast alle Länder der Bibel besichtigt und auch andere, wo das Christentum intensiv gelebt wird, am fernsten lag Mexiko. Die Reisen sind immer auch ein schönes Gemeinschaftserlebnis. Es freut mich, dass sie so schnell ausgebucht sind.

Dill: Gibt es etwas im Pfarrleben, was Ihnen besonders gefällt, wo sie Kraft und Motivation schöpfen?
Lukasz: Es gibt, Gott sei Dank, mehrere solche Momente. Die Pfarrangehörigen haben auch schon gemerkt, dass mein oft konzentriertes Gesicht sich besonders in den Familiengottesdiensten entspannt und aufhellt. Es ist auch tatsächlich so: wenn schwungvolle moderne Musik im Familiengottesdienst erklingt, wenn die Kirche gefüllt ist mit Kindern, jungen Familien und Erwachsenen, wenn gesungen, geklatscht und freudig gefeiert wird, dann wird es einem ums Herz warm... Da muss auch der Herr in unserer Mitte sein!

Dill: Die letzte Frage: Was empfehlen Sie einem skeptischen Christen?
Lukasz: Er soll drei Mal unsere Gottesdienste besuchen. Wenn er sie immer noch langweilig findet, bekommt er von mir beim Pfarrfest eine Maß Bier!

Dill: Wenn es nur so einfach wäre... Ich danke Ihnen, Herr Pfarrer Lukasz, dass Sie so viel Zeit für die Beantwortung meiner Fragen gefunden haben.