Der Pfarrkindergarten – ein Auslaufmodell? Die Zukunft der katholischen Kindertageseinrichtungen

Informations- und Diskussionsveranstaltung des Katholikenrates der Region München am 28.11.2011

Die katholischen Kindertageseinrichtungen (Kitas) haben einen sehr guten Ruf und ein hohes pädagogisches Niveau. Sie werden deshalb bei Katholiken wie auch bei Nichtkatholiken stark nachgefragt. Veränderungen sind jedoch unumgänglich und notwendig.
Die Trägervertretung und die pädagogische Verantwortung für die katholischen Kitas werden immer aufwändiger. Gründe sind gesetzliche Vorgaben und auch gesellschaftlich zunehmende Anforderungen an die kindliche Entwicklung. Zudem erscheint ein erweitertes Angebot der Kita als Familienzentrum notwendig. Das Angebot von katholischen Kinderkrippen muss noch ausgebaut werden. Und nicht zuletzt darf die katholische Kita als pastoraler Ort nicht aus dem Bewusstsein der Pfarrgemeinde geraten.
2010 startete die Erzdiözese München und Freising das Projekt „Zukunft Pfarrkindergärten“. In einem Pilotprojekt wurden Kitas in drei Regionalverbünden, die als Piloten fungieren, in der Trägerschaft der Erzdiözese München und Freising, mit je einer pädagogischen und einer Verwaltungsleitung zusammengefasst. Inzwischen hat der Erzbischof von München und Freising Reinhard Kardinal Marx entschieden, diese Kita-Regionalvebünde Freising, Ottobrunn und Ebersberg mit Vaterstetten unbefristet fortzuführen.
Der Katholikenrat der Region München hatte dazu am 28. November 2011 zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung in das Salesianum in München-Haidhausen eingeladen. 170 Teilnehmer und Teilnehmerinnen – Pfarrgemeinderäte, Kirchenverwaltungsmitglieder und Seelsorger sowie Leitungen und Trägervertreter katholischer Kindertageseinrichtungen – bearbeiteten mit kompetenten Referenten der Erzdiözese München und Freising und der Landeshauptstadt München die anstehenden Fragen und diskutierten über die Zukunft der katholischen Kitas.

Die Bedeutung der katholischen Kitas für die Erzdiözese München und Freising
Prof. Dr. Dr. Peter Beer, Generalvikar der Erzdiözese München und Freising
Für Generalvikar Peter Beer gehören die katholischen Kitas zum Wesen der Kirche als Handelnde in der Welt und sind entscheidend für die Zukunft der Kirche. Sie sind soziale Einrichtungen, da sie allen Menschen offen stehen, Orte der Gemeinschaft und Lernorte für einen festen Stand im Leben und für Werte- und Sinnorientierung. Die Erzieherinnen in den Kitas sind wichtige Ansprechpersonen und Beraterinnen für Eltern. Für die Pfarrgemeinden sind ihre Kitas Kristallisationspunkte, die Kontakt- und Begegnungsmöglichkeiten schaffen. Kinder fordern mit ihren Fragen eine Pfarrgemeinde heraus.
Generalvikar Beer sprach sich deshalb dafür aus, die katholischen Kitas in ihrem Bestand zu erhalten. Notwendig für ihre Zukunftsfähigkeit seien der Kontakt zur Pfarrgemeinde, eine qualitätvolle Pädagogik und eine professionelle Verwaltung. Die Erzdiözese werde ihr Engagement für die katholischen Kitas nicht zurückfahren. Innerhalb der Erzdiözese sind sie Bildungseinrichtungen, die den Bildungsauftrag der Kirche wahrnehmen. Hinsichtlich des wachsenden Bedarfs, vor allem auch bei den Kinderkrippen, sieht Generalvikar Peter Beer für die Erzdiözese nicht das Ziel, der größte Betreiber von Kitas in Oberbayern zu werden, sondern der größte Anbieter von Hilfen für Eltern und Familien zu sein oder zu werden.
An die Pfarrgemeinden appellierte Generalvikar Beer, dass es nicht genüge, eine Kita „zu haben“. Für eine katholische Kita brauche es ein lebendiges Hin- und Her zwischen Kita und Pfarrgemeinde, beispielsweise durch die Einbeziehung der Kinder in die Gottesdienstgestaltung, die Besuche der Seelsorger in der Kita und den regelmäßigen Kontakt zwischen Kita und Pfarrgemeinderat.

Bedarf und Bedingungen für Kitas im Raum München
Dr. Eleonore Hartl-Grötsch, LH München, Leiterin Fachabteilung Kindertageseinrichtungen
1. Bedarf
Im Gegensatz zu den Prognosen von 2001 nimmt der Bedarf an Kitas im Raum München stetig zu. Die Geburten in der LH München liegen derzeit um 3.000 pro Jahr höher als 2001 prognostiziert. Die Buchungsstunden pro Tag steigen. Im Schnitt sind es heute 7 Stunden pro Tag. Sie werden auf 11 Stunden pro Tag steigen. Durch die Berufstätigkeit beider Eltern werden die Kitas heute ganzjährig nachgefragt, da die Kinder in den bisher üblichen Ferien nicht zu Hause betreut werden können. Die Gesamtdauer des Aufenthalts eines Kindes in einer Kita – von der Krippe bis zum Hort – nimmt zu.
Der Bedarf wächst in allen Teilbereichen einer Kita, also bei den Krippen, den Kindergärten und bei den Horten. Auch der Bedarf an Mittagsbetreuung nimmt zu. Die Zukunft ist dabei das Komplettangebot, die Altersmischung in einer Einrichtung. Denn Eltern wollen Kinder einer Familie in ein und derselben Einrichtung unterbringen und auch im Verlauf des Heranwachsens ihrer Kinder bei der Einrichtung bleiben können.
Der Bedarf vor Ort ist heute schwerer zu ermitteln als früher, da es eine viel höhere Mobilität und Fluktuation gibt und viele Kinder in Patchworkfanilien leben. Beim Kindergarten und der Schule wird eher wohnortnah nachgefragt, bei der Krippe eher arbeitsplatznah.
Der pädagogische Bedarf wächst durch die wachsenden gesellschaftlichen Anforderungen an die kindliche Entwicklung und durch die Ziele der Integration und Inklusion. In den Kitas in München sind mehr Kinder aus Migrantenfamilien als deutsche Kinder. Zudem sind in den Kitas mehr behinderte und gefährdete Kinder als früher.
Eine weitere Anforderung ist schließlich die Familienorientierung. Kitas sollten als Familien-zentren alle Kompetenzen und Leistungen rund um die Familie anbieten.
2. Bedingungen
Diskussion
Hauptthemen der Diskussion waren mögliche Alternativen zu den Kita-Regionalverbünden und die Größe der künftigen Verbünde.
Für Generalvikar Peter Beer und Bernhard Freitag sind andere Modelle grundsätzlich denkbar. Beispielsweise werden in der Diözese Regensburg von Kirchenstiftungen nur die Verwaltung, nicht jedoch die Trägerschaft der Kita abgegeben. Die Erzdiözese München und Freising hat sich jedoch für die Erprobung des Modells Regionalverbund entschieden. Alternativen werden derzeit nicht erprobt. Eine Übergabe der Trägerschaft an die Caritas ist in Einzelfällen möglich. Im größeren Umfang wird dies von der Erzdiözese jedoch nicht genehmigt. Für die Erzdiözese darf kein Flickenteppich entstehen, der dann die Bildung von Verbünden erschwert. Kirchenstiftungen werden nicht gezwungen werden, mit ihrer Kita einem Regionalverbund beizutreten.
Bei der Größe der künftigen Verbünde sprachen sich zahlreiche Teilnehmer für kleinere Verbünde auf Pfarrverbandsebene aus. Mit der Strukturreform in der Erzdiözese München und Freising entsteht mit den Pfarrverbänden und Stadtkirchen bereits eine neue größere Ebene der Zusammenarbeit, auf der die Pfarreien zusammenarbeiten sollen und die es zu stärken gilt. Für Generalvikar Peter Beer ist dies keine Option. Bei Verbünden mit 10 bis 15 Kitas kann die Erzdiözese eine Verwaltungsleitung und eine pädagogische Leitung pro Verbund finanzieren und damit für die Kitas professionelle personelle Unterstützung anbieten. Dies lässt sich bei kleineren Verbünden in dieser Form nicht realisieren. Auch eine alternativ stärkere finanzielle Unterstützung der Kirchenstiftungen würde eine solche Professionalität nicht erzielen.

Michael Bayer