Brief der Generalvikare Schreiben vom 21. Oktober 2019

Die Generalvikare der (Erz-)Bistümer Berlin, Essen, Hamburg, Hildesheim, Limburg, Magdeburg, Münster, Osnabrück, Speyer und Trier haben einen Brief an Kardinal Reinhard Marx und Professor Thomas Sternberg geschrieben, um ihre Unterstützung des synodalen Wegs auszudrücken.

Im Folgenden finden Sie den Wortlaut des Briefes:

Sehr geehrter Kardinal Marx,
sehr geehrter Prof. Sternberg!
 
Wir, die unterzeichnenden Generalvikare, haben uns am 9. September 2019 in Münster getroffen, um auf dem Weg einer kollegialen Beratung die aktuelle Situation der Kirche in Deutschland und die damit verbundenen Herausforderungen, nicht zuletzt auch für uns je persönlich und in unseren Aufgaben als Generalvikare unserer jeweiligen Diözesen, zu betrachten. Einige von uns sind schon länger auf einem gemeinsamen Weg des kollegialen Austauschs, mit dem wir uns gegenseitig stützen und ermutigen. Unser vertrauensvoller, ehrlicher und offener Austausch in dieser Zeit der Auseinandersetzungen um den synodalen Weg hat uns zu gemeinsamen Einsichten und Überzeugungen geführt, die wir Ihnen gerne mitteilen möchten – als Ermutigung für den eingeschlagenen synodalen Weg für unsere Kirche in Deutschland. Bitte verstehen Sie unseren Brief als sehr persönliche Positionierung, die aus unserem vertrauensvollen Austausch hervorgegangen ist. Zugleich unterstützen wir damit ausdrücklich die Haltung unserer Bischöfe, die sich aus Überzeugung für den synodalen Weg ausgesprochen haben. 

Wir erleben schon seit längerer Zeit eine Kirche, die durch allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen zunehmend ins Abseits gerät, aber die auch – und das ist für uns schwerwiegender - durch vielfaches, eigenes Verschulden an Glaubwürdigkeit verliert. Die Folgen sind dramatisch: Eine steigende Zahl von Gläubigen, die aus der Kirche austreten, eine innere Zerstrittenheit unter Bischöfen,  Priestern und Gläubigen, eine zurückgehende Zahl von jungen Menschen, die bereit sind, sich in den Dienst der Kirche zu stellen, schwindende Ressourcen auch im Bereich der Finanzen. All das löst in uns eine große Betroffenheit und Ratlosigkeit aus, weil wir als Generalvikare sehen, welche gravierenden und für unsere Diözesen bedrohlichen Auswirkungen diese Entwicklungen in den kommenden Jahren noch mit sich bringen können.

Gott hat uns in eine Zeit gestellt, in der wir als Kirche - oftmals zurecht – angefragt werden. Die Krise der katholischen Kirche unseres Landes und unserer Zeit, die vielfachen kritischen Anfragen an sie durch unsere Mitmenschen und durch die Medien sind für uns ein „Zeichen der Zeit“, eine Herausforderung, vor die Gott selbst uns stellt. Im „Weiter so“-Modus werden wir unserem Auftrag nicht mehr gerecht werden können. Wir haben uns daher gefragt, was der Synodale Weg, den die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken in Gang gesetzt haben, für unsere Kirche, aber auch für uns persönlich als Generalvikare bedeutet.
 
Nach tiefgehenden und ehrlichen Gesprächen sind wir überzeugt, dass uns Gottes Wille zu deutlichen Schritten der Veränderung ermutigt. Ein jeder von uns bemüht sich in seinem jeweiligen Bistum, gemeinsam mit seinem Bischof und anderen Verantwortungsträgern und Gläubigen, vor Ort neue Wege für unseren Glauben und unsere Kirche zu finden. Oftmals ist das mit einem schmerzhaften Abschieds- und Veränderungsprozess verbunden, Widerstände und emotionale Auseinandersetzungen inbegriffen. Wir begrüßen und unterstützen darüber hinaus den synodalen Weg, seine Themen und seine Zielsetzungen mit Nachdruck. Wir halten das damit verknüpfte Anliegen einer grundlegenden Reform der Kirche in Deutschland für dringend notwendig, ja für existentiell.
 
Wir sind miteinander in der zurückliegenden Zeit einen Weg des offenen Dialogs gegangen, indem wir uns auf eine kollegiale Beratung abseits der offiziellen Arbeitszusammenhänge begeben haben. Einige tun das schon länger, im größeren Kreis wollen wir diesen Weg nach unserem gemeinsamen Tag im September weiter fortsetzen. Wir haben dabei die grundlegende Erfahrung gemacht, dass es möglich ist, im Vertrauen auf den Hl. Geist, die Wirklichkeit von Kirche und Gesellschaft vorbehaltlos anzuschauen und über notwendige Veränderungen angstfrei nachzudenken. Unsere Erfahrung ermutigt uns in dem Vertrauen, dass Gottes Geist größer und weiter ist als das je eigene Denken und die je eigene Perspektive. Darum appellieren wir an alle Mitwirkenden und Beteiligten des Synodalen Weges, aber auch an alle verantwortlichen und engagierten Gläubigen in unserer Kirche, das Wirken dieses Geistes nicht voreilig einzugrenzen. Ganz besonders werben wir dafür, einander zu vertrauen und jeder und jedem eine lautere Motivation und einen ehrlichen Glauben zu unterstellen. Wir bitten darum, auf gegenseitige Unterstellungen oder gar den Vorwurf mangelnder „Rechtgläubigkeit“ zu verzichten. Wir hoffen auf einen ehrlichen und offenen Dialog, der von gegenseitigem Vertrauen und Respekt sowie der Bereitschaft zu einem gegenseitigen Verstehen geprägt ist.  Die Haltung, voneinander und miteinander zu lernen, weil Gottes Geist sich im je anderen zeigt, kann eine große Hilfe sein, um zu angemessenen Schritten der Erneuerung unserer Kirche zu kommen.
 
In dieser Haltung wird es möglich sein, offen über die bedrängende Dimension der aktuellen Entwicklungen in unserer Kirche und in unserer Gesellschaft zu sprechen sowie die damit verbundenen Ängste, Widerstände und drohenden Konflikte wahrzunehmen. Es wird wichtig sein, unterschiedliche Auffassungen zu hören und zu verstehen, und miteinander darum zu ringen, welche Veränderungen in unserer Kirche möglich sind. Indem wir die Realität anerkennen und indem wir die Möglichkeiten und Grenzen, diese Wirklichkeit zu verändern, im Glauben an Gottes Wirken mutig und demütig nutzen, werden wir verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.
 
Wir sind davon überzeugt, dass uns Christen eine große Hoffnung trägt, die uns mutig in die Zukunft gehen lässt. Weil uns die bleibende Gegenwart Christi zugesagt ist, dürfen wir uns darauf verlassen, dass sein Geist dabei hilft, das heute angemessene Verhältnis von Tradition und Innovation zu bestimmen. In einer Welt, die immer mehr zusammenwächst und gleichzeitig von wachsender Vielfalt und Freiheit bestimmt ist, wünschen wir uns eine Kirche, in der Pluralität und Diversität gewünscht und erlaubt sind. Als Generalvikare sehen wir in unseren Bistümern sehr deutlich, dass nur eine offene und Vielfalt zulassende Kirche eine Chance hat, in unserer Gesellschaft wirksam präsent bleiben zu können. Darum hoffen wir am Ende des Synodalen Weges auf verbindliche Entscheidungen, die von allen mitgetragen werden und neue Spielräume für unsere Kirche eröffnen.
 
Wir sehen klar, dass die Themen des Dialogs, insbesondere auch die Fragen um den Umgang mit Macht, von zentraler Bedeutung auch für uns persönlich sind. Als Priester und Generalvikare ist uns bewusst, dass auch wir Macht ausüben und uns selbst mit unserer Aufgabe, unsere Rolle und unser Handeln zu hinterfragen haben. Wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse des Synodalen Weges unsere Praxis wesentlich verändern werden. Wir wollen das und sind offen für solche Veränderungen. Mehr noch: Wir stehen als Verwaltungsverantwortliche in unseren Bistümern gemeinsam mit unseren Bischöfen für die Umsetzung von Reformbeschlüssen bereit.
 
Wir werden den weiteren Verlauf mit Interesse und Engagement verfolgen. Wir sichern allen Beteiligten des Synodalen Weges unsere Unterstützung mit Rat und Tat, in Gedanken und Gebeten zu.
 
Mit freundlichen Grüßen und Gottes Segen,

Ulrich Graf von Plettenberg
Generalvikar Bistum Trier
 
Sowie:
Manfred Kollig (Berlin)
Klaus Pfeffer (Essen)
Ansgar Thim (Hamburg)
Martin Wilk (Hildesheim)
Wolfgang Rösch (Limburg)
Bernhard Scholz (Magdeburg)
Klaus Winterkamp (Münster)
Theo Paul (Osnabrück)
Andreas Sturm (Speyer)