Katholische Pfarrgemeinde St. Nikolaus in Übersee am Chiemsee

Predigttext Requiem für Benedikt XVI am 04.01.23

Predigt von Pfarrer Heiß
Predigttexte Phil 3,20-21/Joh 21,1.15-19
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Das Requiem, das Eingangslied im Gottesdienst für die Verstorbenen, enthält tröstliche Gedanken über das Sterben und den Tod.
„Requiem aeternam dona eis, Domine“, so beten wir – „Herr, gib den Verstorbenen die ewige Ruhe.“
Der hl. Augustinus – einer der vier lateinischen Kirchenväter, mit dessen Denken sich Benedikt seit seinem Studium intensiv beschäftigte -, schreibt zu Beginn seiner Selbstbiographie das bekannte Wort: „Du hast uns für dich geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ Augustinus hält Rückschau auf sein Leben, auf seinen äußeren und seinen inneren Lebensweg. Doch dann schaut er in die Zukunft und schließt den Rückblick mit einem Gebet: „O Herr und Gott, schenke uns nun auch den Frieden, den Frieden der Ruhe, den Frieden des Sabbats, des Sabbats ohne Ende.“
Unser Leben sieht viele Morgen und viele Abende. Es hat selbst einen Morgen und einen Abend. „Der siebente Tag aber“, so schreibt Augustinus, „hat keinen Abend und keinen Niedergang, weil du ihn geheiligt hast, auf dass er immerdar dauere.“ Unser Leben endet nicht in Verfall und Zusammenbruch, sondern findet Vollendung bei Gott. Nicht Abend und Untergang stehen am Ende, sondern Leben und Friede und Ruhe bei Gott. 
Auch das Leben unseres emeritierten Papstes Benedikt, für den wir heute das Requiem feiern, hat viele Morgen und viele Abende gesehen. Er hat mit den Talenten gearbeitet, die der Herr ihm in reichem Maß gegeben hat. Ihm gilt nun das Wort des Herrn: „Komm, du guter und getreuer Knecht, geh ein in die Freude deines Herrn.“
 
„Et lux perpetua luceat eis“, - so singen wir weiter – „und das ewige Licht leuchte ihnen.“
Oft hat Papst emeritus Benedikt XVI. als Priester, als Bischof, als Papst in der Osternacht das Licht der Osterkerze entzündet. Er hat das feierliche Alleluja angestimmt als Preislied auf die Auferstehung des Herrn. So wurde er zu einem Zeugen der Auferstehung. So sah er auch seinen bischöflichen und päpstlichen Dienst. Möge ihm nun für immer das Licht des Auferstehungstages leuchten!
 
Der Gesang des Requiem fährt fort: „Lux aeterna luceat eis, Domine: Cum sanctis tuis in aeternum“ – „Das ewige Licht leuchte ihnen, mit deinen Heiligen in Ewigkeit.“ Unsere Verstorbenen sind nicht allein. Sie leben mit Gott in der Gemeinschaft der Heiligen. 
Benedikt war ein großer Freund der Heiligen. Er hat zu ihnen aufgeschaut. Er hat in ihnen Vorbilder für unser christliches Leben gesehen. Er hat sie um ihre Fürsprache angerufen. In vielen Katechesen bei den Generalaudienzen, in unzähligen Predigten, Botschaften und Ansprachen hat er die Heiligen den Christen als Vorbilder für ein christliches Leben nahegebracht. „Erst wenn wir die Heiligen wieder entdecken, werden wir auch die Kirche wieder finden“, so hat Papst Benedikt einmal in einer seiner vielen Heiligenpredigten geäußert. Möge Benedikt selbst nun in der Gemeinschaft der Heiligen Gott schauen!
Der Gesang des Requiem endet mit dem Blick auf Gott, den Vater: „Quia pius es“, - so singen wir – „denn du bist gut.“
Der Gedanke an den liebenden Gott war kennzeichnend für die Frömmigkeit Papst Benedikts, denken Sie nur an seine erste Enzyklika: „Deus caritas est“ – „Gott ist Liebe“.
 
Dreimal hat Jesus den Petrus gefragt: Liebst du mich? Dreimal hat Petrus dem Herrn bekannt, dass er ihn liebe. Und dreimal hat Jesus ihm den Auftrag gegeben: Weide meine Lämmer, weide meine Schafe! Damit hat Jesus den Petrus zum Hirten seiner Kirche bestellt. Und dieses Amt sollte in seinen Nachfolgern weitergehen. Die Kirche braucht diesen Hirten für ihren Gang durch die Geschichte, bis zur Wiederkunft des Herrn. Fast 8 Jahre lang durfte Benedikt XVI. dieses Petrusamt ausüben. In den vergangenen Tagen und Wochen sah sich mancher berufen, das Pontifikat Benedikts theologisch, vor allem aber kirchenpolitisch einzuordnen bzw. zu beurteilen. Nicht wenige folgten dabei den heute gängigen Mustern weltlicher und kirchlicher Kritik vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Sicht auf das, was die Kirche ist oder wie sie sein sollte oder ihrer Ansicht nach zu sein hätte. Der Auferstandene fragt Petrus nicht nach seinem pastoralen Programm und schon gar nicht nach seinem kirchenpolitischen Kurs, den er einzuschlagen gedenkt. Er fragt nicht einmal danach, ob ihn die anderen Jünger oder das Volk Gottes wohl annehmen würden. Er fragt nicht nach deren Erwartungen und Forderungen an ihn. Das sind ja alles durchaus berechtigte Fragen. Aber sie dürfen die eine alles entscheidende Frage des Auferstandenen nicht verdecken: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“
Unser emeritierter Papst hat diese Frage für sich mit seinem gesamten priesterlichen und bischöflichen Leben sowie mit seinem wissenschaftlichen Werk konsequent und eindeutig mit einem bedingungslosen Ja beantwortet.
 
In der Komplet, dem kirchlichen Abendgebet, sprechen wir jeden Abend: „Herr, auf dich vertraue ich, in deine Hände lege ich mein Leben.“ In diesen Worten klingt das Gebet Jesu nach, das er selbst am Kreuz gesprochen hat: „Vater, in deine Hände lege ich mein Leben“: Dieses Gebet hat auch Papst Benedikt jeden Abend beim Beten der Komplet gesprochen. In diesem Gottesdienst wollen wir Papst Benedikt der Vatergüte Gottes empfehlen. 
 
Papst Benedikt XVI., scheute sich nicht, seine Hinfälligkeit einzugestehen. Er wollte das allerdings auf andere Weise kundtun als sein Vorgänger Johannes Paul II.: Papst Benedikt zog sich zurück. In einer Welt, die das Schöne, Edle, Gesunde und Eloquente verherrlicht, ließ Benedikt XVI. erkennen, dass es für alles eine Zeit gibt und dass das heldenhafte Zeugnis nicht selten eher im Verborgenen liegt, in der Stille, im Schweigen als im öffentlichen und demonstrativen „zur-Schau-stellen“.
 
Was bleibt nun vom verstorbenen Papst emeritus Benedikt XVI. über das Heute hinaus?
·      Sein Bemühen um eine offene, geschwisterliche Theologie gegenüber den Kindern des Ersten Bundes, also des Volkes Israel;
·      sein Weg an den Ort, wo Martin Luther gelebt und gelehrt hat;
·      dann die offene Hand gegenüber Anglikanern, die sich der katholischen Kirche anschließen wollen;
·      sein Wirken als Konzilstheologe, seine theologischen Schriften, seine Jesus-Trilogie;
·      es wird das Bild eines Mannes bleiben, der treu alle Ämter auf sich genommen hat, in die er gerufen wurde, auch wenn er sie selbst nicht angestrebt hatte, ja manches gar als Last sah, auch das Papstamt;
·      und es bleibt vor allem in Erinnerung ein Papst, der mit seinem Rücktritt die absolute Macht in der Kirche relativiert hat.
Danken wir heute unserem verstorbenen Papst emeritus Benedikt XVI. für seinen Dienst und sein Glaubenszeugnis; beten wir für ihn, dass sich das erfüllen möge, wonach sich sein Herz zeitlebens sehnte und dass Gott ihm nun den ersehnten Frieden schenke.
Nehmen wir uns seine Liebe zu Christus, die zeitlebens die Kraft für sein Arbeiten und Forschen war und die er uns demütig vorgelebt hat, zum Vorbild. 
Zu seinen Lebzeiten hat uns Papst Benedikt XVI. manchen wertvollen Dienst erwiesen, und dafür dürfen wir ihm von ganzem Herzen dankbar sein. Heute erweist er uns einen letzten Dienst, und der ist nicht gerade der geringste. Er bringt uns nämlich noch einmal zum Nachdenken über unseren Glauben und über unser eigenes Leben und macht uns – hoffentlich – so reifer und weiser.