Von Chanel-Kostümen, Weihnachtsglück und einem Zuckerl

Ein Bericht von Stephanie Steidl

„Ist der weich!“ Martina Grandauer streicht über den Angorapullover. „Wie das Fell meiner Katze. Und sonnengelb!“ Es ist 14 Uhr, gerade hat der Kleidermarkt im Pfarrzentrum Christkönig geöffnet. Der Pfarrgemeinderat Christkönig, das Seniorenwohnen Küpferling und der Vinzentiusverein Rosenheim veranstalten ihn unter dem Motto „Kleider machen Leute“. Martina Grandauer ist eine der ersten Kundinnen. Sie ist froh, nach Herzenslust shoppen zu können. Eine Bluse, eine Hose dazu, der Pullover – das würde ihr schmales Budget normalerweise sprengen. Aber hier ist alles kostenlos. „Das ist wie Weihnachten“, sagt die 57-Jährige.

Sozial und nachhaltig
Die Röcke und T-Shirts, Kleider, Jacken und Schuhe sind gespendet, ein Wäsche-Hersteller hat Schlafanzüge beigesteuert. Fast alles Second Hand. Es wäre eine Schande, wenn diese guten Sachen nicht mehr getragen würden, meint Martina Czerny. Sie hatte die Idee für die Aktion. Czerny arbeitet als Pflegekraft im Seniorenwohnen Küpferling. „Nachdem eine unserer Bewohnerinnen verstorben war, haben wir in ihrem Schrank Chanel-Kostüme entdeckt. Kaum getragen, weil sie sie schonen wollte.“ Das war die Initialzündung: Seitdem sammeln Czerny und ihre Kollegin Rosi Busch gut Erhaltenes. Nicht nur, damit Menschen mit geringem Einkommen oder kleiner Rente etwas davon haben. Martina Czerny geht es außerdem um Nachhaltigkeit: „Es regt mich auf, dass so viel weggeschmissen wird. Mit ‚Kleider machen Leute‘ wollen wir ein Zeichen für umweltfreundliches Handeln setzen.“

„Bereicherung für mein Leben“
Kleider machen nicht nur Leute, sie machen auch viel Arbeit: Mitglieder des Vinzentiusvereins unter Leitung von Manfred Hellstern haben die Spenden gesammelt, eingelagert und den Transport zum Pfarrzentrum organisiert. Eine Gruppe von Frauen hat die Ware geprüft und Beschädigtes aussortiert. Zum Schluss haben die Helferinnen die Kleidung im Pfarrsaal auf Tischen und Ständern professionell dekoriert – sortiert nach Damen-, Herren- und Kindermode. Praktisch, dass eine der Damen bei einem großen Kaufhaus gearbeitet hat. Von dort bekommen sie Kleiderständer und Spiegel, kostenlos natürlich.
Was motiviert die Ehrenamtlichen, so viel Zeit und Mühe zu investieren? „Die Begegnung mit den Menschen hier macht einfach Spaß“, sagt Hilde Horn vom Vinzentiusverein. Und ihre Mitstreiterin Regina Dombeck ergänzt: „Es kommt so viel zurück, es ist eine Bereicherung für mein Leben.“
Nach dem Shopping können sich die Besucherinnen und Besucher am Kuchenbüffet stärken, Pfarrgemeinderats-Mitglied Eva Dirmeier hat es organsiert. Später gibt es noch einen Gemüseauflauf. Eine Frau um die 30 nimmt sich ein Stück Streuselkuchen. „Die Leute hier sind so lieb. Ich bin sehr dankbar dafür, das lässt sich gar nicht in Worte fassen.“
Adelheid Lappy, Pastoralreferentin in der Pfarrei Christkönig, freut sich über das Gemeinschaftswerk. „Ohne den engagierten Einsatz von so vielen Menschen wäre das nicht möglich gewesen“, sagt sie. Was ist ihre Aufgabe bei dem Event? „Ich stehe als Gesprächspartnerin zur Verfügung. Setze mich beim Kaffeetrinken dazu, bin einfach da.“ Dass sich jede und jeder wohl- und wertgeschätzt fühlt – das ist ihr Ziel.

Herausfinden, was Menschen brauchen
Premiere hatte „Kleider machen Leute“ im Frühjahr 2019. Es war ein Erfolg, und auch mit der Resonanz auf die diesjährige Veranstaltung sind die Verantwortlichen zufrieden. „Die vielen Besucherinnen und Besuchern zeigen uns, dass wir einen Nerv getroffen haben“, sagt Sebastian Heindl, Pfarrer in Christkönig. In diesem Stadtteil Rosenheims mit eher einkommensschwachen Haushalten brauche es unterstützende, helfende Angebote. Aufgabe von Kirche sei es, immer wieder neu herauszufinden, was Menschen brauchen. Um darauf basierend passende Orte der Begegnung zu schaffen.
„Es tut so gut, zusammenzusitzen und zu ratschen“, bekräftigt Initiatorin Martina Czerny. „Das hier, das ist mein Zuckerl!“