„Es braucht lange Zeit, um das verkraften zu können“

Kardinal Marx über Amoklauf: „Furchtbares ist geschehen, es gibt aber auch die Kraft der Solidarität“
Kardinal Reinhard Marx
Kardinal Marx bei der Predigt. © EOM/Kiderle
München, 24. Juli 2016. Kardinal Reinhard Marx hat sich tief betroffen vom Amoklauf in München am vergangenen Freitag gezeigt: „Der Schock sitzt tief über eine solch grausame Tat, die uns völlig unverständlich erscheint und die keiner in irgendeiner Weise vorausgeahnt haben könnte“, sagte der Erzbischof von München und Freising beim Gottesdienst zum Jahresgedenken an den letztverstorbenen Münchner Erzbischof, Kardinal Julius Döpfner, am Sonntagabend, 24. Juli, im Münchner Liebfrauendom. „Wir sind verbunden mit den Verstorbenen, den Angehörigen, die um die Toten trauern, und den Verletzten, die hoffentlich bald nachhause zurückkehren können“, so  Marx, der auch den zahlreichen Polizei- und Hilfskräften für ihren großen Einsatz dankte. Es brauche eine „lange Zeit der Überlegung, um das verkraften zu können“.
 
Der Kardinal erinnerte daran, dass auch „der Täter ins Blickfeld“ gehöre: „Er hat sich getötet. Schockierend, für uns unverständlich. Und doch sind es Menschen, Brüder und Schwestern, Abbilder Gottes.“ Marx warnte vor einfachen Antworten: „Kein Staat, keine Gemeinschaft kann absolute Sicherheit gewährleisten.“ Es sei etwas Furchtbares geschehen, es gebe „aber auch die Kraft der Hilfe, der Solidarität“.
 
In einer solchen Situation sei es auch die Aufgabe der Kirche, „ein Wächteramt in der Gesellschaft“ zu erfüllen, wie es der vor 40 Jahren verstorbene Kardinal Döpfner forderte, so Marx: Es gehe darum, dass „Werte geachtet werden, wie der unbedingte Schutz des Lebens, Prinzipien wie Recht und Gerechtigkeit“, und dass es Aufgabe aller sei, „ein geordnetes Gemeinwesen aufzubauen“.  Es gebe keine „absolute Gerechtigkeit und absolute Sicherheit in dieser Welt, aber ohne unser Engagement können wir sie nicht verbessern“.
 
Ein Schlüssel für dieses unabdingbare Engagement könne das Gebet sein, erklärte Kardinal Marx: „Das Gebet öffnet den Horizont, lässt den Blick weiten auf alle Menschen. Es ist ein Schlüssel, der uns hineinführt in eine bessere Welt.“ Das Gebet lasse den Menschen nicht um sich selbst kreisen, sondern weite seine Wahrnehmung, sei eine Quelle der Kraft und des Engagements, gebe Hoffnung und Zuversicht, die sich nicht niederdrücken ließen: „Das Gebet führt uns auf den Weg der Solidarität, es lässt uns mitleiden. Wer betet, wird sensibler und solidarischer.“ Und schließlich gehe es darum, Quellen der Versöhnung zu erschließen. Nach Ansicht von Marx ist es „Aufgabe der Christen, Wege des Friedens und Orte der Versöhnung zu finden“. (ck)