„Ich werde für Idee der verantwortlichen Freiheit kämpfen“

Ansprache von Kardinal Marx bei Entgegennahme des „Freiheitspreises der Medien“
Rottach-Egern, 21. Januar 2017. Die an den Idealen von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten orientierten Gesellschaften des Westens sollten sich nach Worten von Kardinal Reinhard Marx angesichts einer sich möglicherweise andeutenden Zeitenwende neu ihrer Grundlagen vergewissern. „Es wird nur gelingen, wenn wir den Geist der westlichen Ideen wieder stärker durch grundsätzliche Fragestellungen herausarbeiten. Kann der Westen gedacht werden ohne Christentum?“, sagte Marx am Freitagabend, 20. Januar, bei der Entgegennahme des „Freiheitspreises der Medien 2017“ in Rottach-Egern. Freiheit dürfe niemals beliebig sein. „Verantwortliche Freiheit ist immer auf andere Menschen bezogen. Sie muss gebunden sein, ansonsten läuft sie ins Leere.“

Der Erzbischof von München und Freising und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz erinnerte in seiner Ansprache daran, dass führende Wissenschaftler die Erzählung vom Exodus des Volkes Israel, die in der Bibel im zweiten Buch Mose erzählt wird, als Ausgangspunkt der heutigen westlichen Zivilisation sehen. „Der Auszug aus der Sklavenherrschaft Ägyptens ist die Kerngeschichte der europäischen Identität.“ Der Historiker Heinrich August Winkler stelle den Exodus des Volkes Israel und den Glauben an einen Gott bewusst an den Anfang seiner „Geschichte des Westens“: „Es geht darum, das Paradies wiederzufinden im Land der Freiheit. Israel ist ein Zeichen für alle Völker: So könnte man leben!“ Darin liege eine Dynamik begründet, die Welt besser zu machen, etwa nach Gerechtigkeit oder Überwindung der Armut zu streben. In der neuen Gesellschaft, welche die ersten Bücher des Alten Testaments in der Heiligen Schrift schildern, würden Recht und Gerechtigkeit, Güte und Erbarmen zum Maßstab erhoben.

Am Anfang des Neuen Testaments und im Zentrum des christlichen Glaubens stehe dann der große Gedanke der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. „Gott wird Bruder der Menschen, er hat sich mit jedem Menschen verbunden.“ Marx sagte, er wisse, dass der darin grundgelegte Universalismus heute bedauerlicherweise manchen auf die Nerven falle. Freiheit sei aber nie nur mit Blick auf sich selbst vollendet, sondern immer nur dann, wenn sie auch auf den anderen bezogen sei – „die Welt als Familie, als Verantwortungsgemeinschaft, wir gehen miteinander, stehen füreinander ein, behalten das Allgemeinwohl im Blick“.

Zugleich sei Gott aber nicht Teil dieser Welt. „Wir können ihn nicht für unsere Zwecke benutzen.“ Dies mache die Welt autonom und frei: „Es gibt nichts in dieser Welt, das wir anbeten, nicht die Macht, nicht das Geld, Niemanden.“

Mit Blick auf die Infragestellung und zunehmende Anfeindung der ideellen Grundlagen westlicher Zivilisation zeigte sich Marx fest entschlossen. „Ich möchte versprechen, dass ich in den kommenden Auseinandersetzungen um eine Erneuerung der Gesellschaft, und die werden nicht ohne sein, für die Idee der verantwortlichen Freiheit kämpfen werde.“

Kardinal Marx folgt als Träger des „Freiheitspreises der Medien“ auf Michail Gorbatschow, der im Vorjahr ausgezeichnet worden war. In ihrer Laudatio hob die Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hervor, Marx setze sich mit „Zerrbildern der Freiheit“ auseinander und habe so etwa Züge eines hemmungslosen Kapitalismus vor Augen geführt. Auch mache er klar, dass Religion nicht Feind der Freiheit sei. Die Jury würdigte, Marx stelle das Leitbild einer verantwortlichen Freiheit nicht nur dem christlichen Glauben voran, sondern es bilde für ihn auch „den wirtschaftlich ordnungspolitischen Rahmen in einer global vernetzten Welt“. (kel)