Kardinal Marx fordert „Globalisierung der Solidarität“

Erzbischof in Radiobeitrag: Herausforderungen durch Flüchtlinge verlangen einen „langen Atem“
München, 5. September 2015. Angesichts der wachsenden Zahl von Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Not fliehen müssen, fordert Kardinal Reinhard Marx eine „Globalisierung der Solidarität“. „Solange Gewalt, Krieg, Terror, Naturkatastrophen und Hunger nicht zurückgehen, solange wir unsere Mitverantwortung für soziale und politische Gerechtigkeit, den Schutz der Schöpfung und den Einsatz für Menschenwürde nicht stärker wahrnehmen als bislang, solange wird auch die Zahl der Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, nicht zurückgehen“, so der Erzbischof von München und Freising in einem Radiobeitrag für die Sendereihe „Zum Sonntag“ des Bayerischen Rundfunks, der am Samstag, 5. September, gesendet wurde. 
              
Es gebe „keine einfachen Lösungen“, räumt der Kardinal ein, die Herausforderungen verlangten einen „langen Atem“. Es sei nun aber drängendste Aufgabe, Flüchtlinge und Asylsuchende menschenwürdig aufzunehmen: „Aufnehmen heißt, diese Menschen willkommen zu heißen, sie spüren zu lassen, dass sie nach entbehrungsreicher, oft lebensgefährlicher Flucht angekommen sind an einem Ort, wo ihnen mit Nächstenliebe und unbedingter Achtung ihrer Würde begegnet wird.“ Der Erzbischof zollt „den Vielen, die oft an Belastungsgrenzen arbeiten oder sich ehrenamtlich engagieren, in den Kommunen wie auch in den Pfarreien, in Verbänden, Behörden, Verwaltungen oder auch bei der Landes- und Bundespolizei“, größten Respekt. Diese Menschen würden dazu beitragen, dass „Werte wie Solidarität, Nächstenliebe und Barmherzigkeit gelebt, nicht nur proklamiert werden“. Zugleich verurteilt Marx jede fremdenfeindliche und rassistische Haltung: „Mit christlichen Werten unvereinbar sind Hass und Gewalt gegen Flüchtlinge, wie wir sie in diesen Tagen wieder erlebt haben. Dagegen müssen wir entschieden aufstehen.“
   
Kardinal Marx plädiert dafür, „den Menschen, die zu uns kommen und von denen eine große Anzahl für längere Zeit oder auch für immer bei uns bleiben, Chancen auf Bildung, Ausbildung und Arbeit“ zu eröffnen. Damit würde im Grunde ein Stück Entwicklungshilfe geleistet werden. Der Erzbischof verweist auf Studien, wonach Migranten, die in ihrer neuen Heimat Arbeit gefunden haben, einen nicht geringen Teil ihres Verdienstes in ihre ehemaligen Heimatländer rücküberweisen. Diese Geldtransfers überstiegen nach Schätzungen der Weltbank die Summe der weltweiten Entwicklungshilfe. Daneben verweist Marx darauf, dass „nicht wenige Flüchtlinge als gut ausgebildete Fachkräfte“ in ihre Heimatländer zurückkehrten und „dort einen Beitrag beim Aufbau der Wirtschaft“ leisteten. 
   
Umgekehrt bestehe aber auch die Gefahr einer Abwanderung von Fachkräften in die Industrienationen, warnt Marx. Das Engagement dürfe deshalb „nicht an unseren Grenzen haltmachen“. Vielmehr bedürfe es „weltweit koordinierter politischer und wirtschaftlicher Initiativen, um die vielen Krisenregionen auf einen Weg der Stabilisierung, der Entwicklung und des Friedens zu bringen“. Angesichts der Vielzahl der Probleme scheine dies ein aussichtsloses Unterfangen zu sein, so Kardinal Marx: „Aber wir dürfen und werden nicht resignieren. Solange die krasse Ungleichheit zwischen armen, unsicheren und wohlhabenden, starken Ländern bestehen bleibt, werden Flucht und Migration zunehmen.“ (ck)