„Menschenwürde ist Basis des europäischen Miteinanders“

Kardinal Reinhard Marx warnt in Radiobeitrag vor neuen Nationalismen und Abgrenzungstendenzen
München, 4. Juli 2016. Anlässlich der jüngsten Krisen in Europa und weltweit fordert Kardinal Reinhard Marx, die Menschenwürde als zentralen „Sinn und Wert unseres Miteinanders in Europa“ neu in den Blick zu nehmen. „Das Europa, das wir heute kennen, ist Ausdruck davon, dass alle Menschen die gleiche Würde haben“, so der Erzbischof von München und Freising in einem Radiobeitrag für die Sendereihe „Zum Sonntag“ des Bayerischen Rundfunks, der am 2. Juli gesendet wurde.  Ein in manchen Ländern stärker werdender Nationalismus dürfe „nicht noch einmal zum Schwungrad der Abgrenzung, der Feindschaft und des Unfriedens werden“, betont Marx. 
   
Der Kardinal nimmt Bezug auf die Auseinandersetzungen über den sogenannten Brexit und erinnert zugleich an „die Toten und Verletzten des grausamen Terroranschlags in Istanbul, die Ertrunkenen im Mittelmeer, die Opfer von Krieg, Gewalt und Terror“. Das alles gebe den Menschen das Gefühl, in einer „unruhigen Welt“ zu leben, „in der auch persönliche Sorgen und Befürchtungen größer werden“. Umso wichtiger sei es nun, „in allem das gemeinsame Menschsein in den Mittelpunkt“ zu stellen und die Menschenwürde „als Basis dessen, was uns in Europa miteinander verbindet“, zu betrachten.
   
Marx nennt es „eine wirkliche Errungenschaft, dass wir in Europa in einer Vielzahl von Staaten und Regionen friedlich zusammenleben und einander achten“. Dies habe Europa erreicht, weil es trotz allen Leids, das die europäische Geschichte kennt, „einen Vorschuss an Vertrauen und ein tiefes Verständnis dafür gibt, dass wir nur in Solidarität miteinander leben wollen, dass wir zu unserem Glück vereint sind“. Dies sei ein Grundbaustein des „europäischen Hauses“, für das es sich zu engagieren gelte. Dazu wolle auch die Kirche ihren Beitrag leisten, versichert Marx. Er erinnert an die Rede von Papst Franziskus vor dem Europaparlament, der darin ein Europa forderte, „das auf den Menschen schaut und ihn verteidigt und schützt“.
 
Schließlich gehöre es zur christlichen Überzeugung, dass die Menschenwürde von Gott gegeben sei: „Das gilt ausnahmslos für jeden Menschen, egal zu welcher Zeit und an welchem Ort, egal welcher Religion und Überzeugung.“ Davon seien auch das Grundgesetz, die Europäische Grundrechtecharta und die Erklärung der Menschenrechte geprägt. Und damit sei auch eine Richtschnur für die aktuellen Auseinandersetzungen gegeben, so Marx: „Hinter diese Grundlinie der Humanität dürfen wir nicht zurückfallen.“ (ck)