Klima, Kriege, Pandemien: Die komplexen Multikrisen unserer Tage führen uns vor Augen, wo die Schwachstellen unserer politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen liegen. Auch wenn Krisen immer verzahnter werden und sich gegenseitig verstärken, ist und bleibt die Klimaveränderung die fundamentale Frage unseres Überlebens.
Dieses Szenario zielt mitten in das Hungertuch von Emeka Udemba. Sein farbenstarkes Bild ist als Collage aus vielen Schichten ausgerissener Zeitungsschnipsel, Kleber und Acryl aufgebaut: Nachrichten, Infos, Fakten, Fakes - Schicht um Schicht reißt und klebt der Künstler diese Fragmente und komponiert aus ihnen etwas Neues.
In einen freien rötlichen Raum ohne Horizont hineingesetzt, ragen zwei Unterarm- und Hand-Paare offen in die Fläche hinein: Form und Farbe nach gehören sie zu einem dunkelhäutigen Mann und einer weißen Frau, Ihre Hände berühren gemeinsam sachte die Erdkugel, die sie gemeinsam halten, ihr aber auch Spielraum lassen. Die Kugel bleibt in der Schwebe von Halten und Loslassen, Schutz und Preisgabe. Rollt die Kugel im nächsten Moment nach links unten in den roten aufgeheizten Raum hinein? Wird sie kippen wie unser Klima? Die Erdkugel, gute Schöpfung und Heimatplanet oder Spielball verschiedener Interessen?
„Vom Anfang“ lesen wir im Zentrum des Hungertuchs. Lassen wir uns zurück zu diesem Anfang führen: Von Schöpfung zu sprechen ist mehr, als nur Natur zu meinen. Es hat mit einem Plan der Liebe Gottes zu tun, in dem jedes Geschöpf einen Wert besitzt und nicht verfügbar ist.
Was ist uns noch heilig?
Was ist unverfügbar?
Was tasten wir nicht an?
Was ist uns das Leben wert?
Diese Fragen laden ein, das Bild miteinander zu entdecken und so Teil einer neuen, weltumspannenden Schöpfungs-Erzählung zu werden.
Im Anfang
bist du
ewiges, verborgenes Geheimnis
schöpferisch Liebende
in deiner Sehnsucht
deinem Wort
Ich will, dass du bist
Im Anfang
bin ich
gewollt und geliebt
geschaffen in der Erde Tiefe
beatmet von deiner Zärtlichkeit
Staunenswert
Du
in deinem beständigen Wirken
aus Liebe
in den vielfältigen Spuren
deiner Schöpfung
und Ich – dein Ebenbild
hineingesetzt
in deine Welt, in das Leben
beschenkt und begabt
mit Augen, damit sie wahrnehmen
die Schönheit der Schöpfung
und ihre Verletzlichkeit
mit Ohren, damit sie hören
die stille Hoffnung und die Not der Geschöpfe
mit einem Herzen, damit ich fühle
dein schweigendes Dasein
und das Leben, das gestaltet werden will
durch mein Mit-wirken
in Verantwortung und Solidarität
Im Anfang – Du
in der Sehnsucht deiner Liebe
in Allem
Inspiriert von Hungertuch + Genesis 2,7-9
© Norbert Lammers OFM, Hofheim
Hineingenommen
bin ich
in das geheimnisvolle,
göttliche Gegenwärtig-sein
Herausgerufen
werde ich
auf einen Weg
in ein Land, das mir gezeigt wird
es lässt mich
fragen
wofür lohnt es sich aufzubrechen
suchen
worin liegt das Ziel
vertrauen
geführt
und gesegnet zu sein
In Spannungen
und Herausforderungen
in Zeiten
von Verunsicherung
und Hoffnung
auf dem Weg der Wandlung
und Veränderung
ahne ich
gehalten zu sein in deiner Nähe
horche ich
auf den Klang
der göttlichen Stimme
in mir
und der Erde
die ich behutsam und zärtlich
in meine Hände nehme
Die Stimme meines Herzens
Erinnert mich
an die Verheißung
und ermutigt mich
in meiner Mit-Verantwortung
die Heimat will Heimat
für alle Geschöpfe
werden und bleiben
Gesegnet
kann ich Segen sein
Inspiriert von Hungertuch + Genesis 121-2 und
Matthäus 5,5
© Norbert Lammers OFM, Hofheim
Im Hunger strecke ich mich aus
nach dem, was mich sättigt
Im Durst verlange ich
nach dem, was meine Sehnsucht stillt
Im Leid sehne ich mich
nach dem, was mir Heilung schenkt
In der Brüchigkeit suche ich
nach dem, was mir Halt ermöglicht
Suchend
tastend, sehnsuchtsvoll
bleibe ich auf dem Weg
Entdecke ich die Spuren des Lebens,
die ich entziffern kann?
Verborgen – sichtbar – fühlbar
mitten im Alltäglichen?
Die Quelle alles Lebendigen,
die in mir sprudeln will?
Ich werde aufmerksam,
lasse mich ansprechen:
von den Farben des Göttlichen
und des Bodenständigen –
von den Worten und Nachrichten
und gehe ihnen auf den Grund –
von der Welt und ihren Ereignissen
und lasse mich (be)treffen –
Dein Lebensraum – diese Welt
in ihrer Zerrissenheit
und ihrem Schrei nach Leben, Heilung
uns Menschen zur Mit-Sorge anvertraut
von mir und dir gehalten
Dein Lebensraum – diese Welt
die mir heilig ist
und zum geheilten Hoffnungsort
werden soll –
Gottes- und Menschenort
Du willst sein und spürbar bleiben
als lebendiger Brunnen –
in unserem Herzen,
bewohnt von deiner Geistkraft
in unserem Miteinander
Inspiriert von Hungertuch + Johannes 4,5-15
© Norbert Lammers OFM, Hofheim
Manchmal frage ich mich
Wie soll es nur weitergehen,
was kann ich bewirken?
und staune darüber –
Du hast es mit uns Menschen nicht aufgegeben,
weil du uns willst?!
Deine Schöpfung lässt du
nicht versinken
ins bodenlose Nichts?!
Du gabst uns deinen Lebensodem
und willst Leben
Wo ich nur Dunkel sehe –
du bist Licht
Wo ich nur Tod ahne –
du rufst Leben
Wo ich blinde Flecken habe –
du öffnest die Augen
Wo ich hartherzig bin –
du weitest die Enge
Was zählt – wirklich?
Wer ist in meinem Blick
in meinem nahen –
entfernten Umfeld?
Was ist mir – uns heilig?
Der Sabbat –
Raum und Ort zum Aufatmen
bringt mich in Berührung
mit dir
dem Leben,
das du bist und willst
befreit
zu heilvollen Erfahrungen
der Hoffnung
verbindet
mich mit der ganzen Schöpfung,
dass auch sie aufatmet und
lebensfähig bleibt
als Lebensort für Alle
durch die schöpferische Liebe
zum Licht geworden
lasst uns leben
als Töchter und Söhne des Lichts
Inspiriert von Hungertuch + Epheser 5,8-9 und
Johannes 9,1.6-13
© Norbert Lammers OFM, Hofheim
Du bist
ein Liebhaber des Lebens
eine Liebende des Menschen
Nicht Vernichtung und Ausbeutung
Einsamkeit und Tod willst du
das Leben drängt
und bewegt dich – in deiner Leidenschaft
deiner tief-gründigen Sehnsucht
wie im Anfang da du gesprochen
Es werde … und es wurde
auch heute
Deinen kraft-vollen Geist
hast du eingehaucht
holst heraus aus aller Enge
führst hinein in ein weites Leben
Spüre ich es – in meinem Innersten?
Entdecke ich es –
in unserem Miteinander
in der Verantwortung für
deinen Schöpfungsauftrag?
Komm und sieh
wie die Welt aufschreit,
um eine Zukunft zu finden
wo die Schöpfung leidet
wo sie ausgebeutet wird
wo die Menschen für Würde
und Freiheit aufstehen
Komm heraus
Stell dich ins Leben – und stell dich
seinen Herausforderungen
Gestalte es –
und gib ihm Ansehen und Würde
Gemeinsam mit allen, die dieser Welt
ein neues Gesicht geben
Deine Sorge werde meine Sorge
für die Welt, die dir und mir am Herzen liegt
Deinen Atem gib uns,
damit wir aus dir leben
und das Leben gestalten
in der Vielfalt pflegen
Sendest du deinen Lebensodem aus
auch heute – das Antlitz der Erde wird neu
auch durch uns
Inspiriert von Hungertuch + Ezechiel 37,14 und
Johannes 11,43-44
© Norbert Lammers OFM, Hofheim