Was sind Jesuiten? Das ist gar nicht so leicht zu sagen. Ich versuche es einmal so: Jesuiten sind schräge Vögel, fromme Kämpfer, Mitglieder der Gesellschaft Jesu und am Ende wir alle, falls wir uns als Christen verstehen und Christen sind. Wie ich zu dieser letzten Behauptung komme? Schauen wir in die Geschichte und achten war auf Namen und Bezeichnungen!
1.
Vom Fähnlein zur Gesellschaft, von der Gesellschaft zu den Jesuiten Im Herbst 153T war der ehemalige Offizier Ignatius von Loyola mit seinen Gefährten unterwegs nach Rom. Sie wussten noch nicht recht, was sie eigentlich sein und werden wollten. Drei Wegstunden vor Rom, in dem Flecken La Storta, ging Ignatius in ein halbverfallenes Oratorium zum Beten. Dabei hatte er eine Vision. Er sah Gottvater und Jesus mit dem Kreuz auf den Schultern. Jesus sprach nach einer entsprechenden Aufforderung seines ewigen Vaters zu ihm: „Ich will, dass du uns dienst.“ Ignatius begriff, dass sein Herzenswunsch erfüllt und er damit dem gekreuzigten Jesus zugesellt war. Seither wollte er, dass seine Gemeinschaft die Compania de Jesus, auf Deutsch: „das Fähnlein, die Kampftruppe Jesu“, heißen sollte. Man einigte sich dann auf den Namen Societas Jesu „Gesellschaft Jesu", ca. das Zugesellt sein zum Gekreuzigten ja doch die Hauptsache war.
[1] Das Kämpferische hat diese Gesellschaft aber durchaus beibehalten.
Die Rede von Jesuiten kam erst einige Jahre später auf, als die ersten Väter der Gesellschaft Jesu nach Deutschland kamen, und zwar in Köln, wo 1544 die erste deutsche Niederlassung entstand. -Jesuiten“ — häufig gebrauchte man auch die Pluralform „Jesuiter“ - war freilich ein Schimpf- und Spottname für diese merkwürdigen Vögel, die man eher für Antichristen, Räuber und Putschisten hielt als für fromme Gesellen. Im Laufe der Zeit übernahmen die Mitglieder der Gesellschaft die Bezeichnung -Jesuiten“ als Selbstbezeichnung. Dadurch verlor sich allmählich der abfällige Beigeschmack, auch wenn Verleumdungen des Ordens, besonders von protestantischer Seite, eitrig weiterbetrieben wurden. Dabei taten sich nicht zuletzt die Aufklärer des 18. Jahrhunderts hervor, so dass es 1773 zur Aufhebung der Societas Jesu kam.
2.
Wie werden aus Christen Jesuiten? Der Begründer der Gesellschaft Jesu musste erst bekehrt werden, bevor er an so etwas wie eine Ordensgemeinschaft denken konnte. Bei dieser Bekehrung spielte nun ein lateinisch geschriebenes Buch eine wichtige Rolle, das heute nur noch wenige kennen oder gar benützen. Der Schreiber dieser Zeilen gesteht, dass er es nur zum Teil gelesen hat, weil es ein dickes Buch in vier Bänden ist (von dem es übrigens keine deutsche Übersetzung gibt). Aber er schlägt immer wieder einmal darin nach und bleibt nie ohne Belehrung und Erbauung. Es ist die „Vita Jesu Christi“ von Ludolf von Sachsen. Dieses im Mittelalter viel benützte und berühmte Buch entstand in der Mainzer Kartause. Sein Autor starb am 10. April 1378 im Ruf der Heiligkeit. Als nun der baskische Offizier aus dem Geschlecht der Loyola auf dem väterlichen Schloss im Streckverband lag, weil ihm eine Kanonenkugel das Bein zerschmettert hatte, las er zum Zeitvertreib Ludolfs Vita Jesu Christi, weil die Schlossbibliothek sonst nur noch die Legen da aurea umfasste. Es war eine spanische, das heißt katalanische Übersetzung. Der Leser fing, wie man so sagt, bald Feuer, las das Buch ganz durch, schrieb sich dreihundert Seiten mit Exzerpten in Schönschrift ab — die Worte Jesu mit roter, die seiner Mutter Maria mit blauer Tinte — und war danach ein gewandelter Mensch. Ignatius sagt in seinem autobiographischen „Bericht des Pilgers“, er habe die Zeit teils mit Schreiben, teils im Gebet verbracht. Auch für das Gebet fand er in der Vita Christi Anregung, denn Ludolf beendet jedes Kapitel mit einem zusammenfassenden Gebet. Das ergibt 181 sehr schöne Gebete. In seinem kurz darauf verfassten Exerzitien Büchlein übernahm Ignatius die Betrachtungsweise des Lebens Jesu genauso, wie von Ludolf empfohlen.
Über die Bedeutung des Namens Jesus handelt Ludolf in zwei eigenen Abschnitten (I 10,1/2). Er betont, dass der Name Jesus ihm von seinem himmlischen Vater noch vor seiner Empfängnis verliehen wurde (Lk 1,31). Dieser Name sei ihm also eingeboren, und was er bedeute, das besitze er als seine ihm eigentümliche Natur, unbeschadet der Tatsache, dass auch andere vor ihm diesen Namen getragen hätten, Seine Bedeutung sei Salvator „Erlöser, Heiland“. In der Tat bedeutet der Name Josua, Jehoschua oder Jeschua „Der HERR ist Heil“. Von daher wundert man sich auch nicht, wenn Hieronymus in seiner Psalmenübersetzung gemäß dem hebräischen Text Ps 51,14, wo wir „Mach mich wieder froh mit deinem Heil“ oder ähnlich lesen, so übersetzt: Redde mihi lactitiam Jesu tui „Gib mir wieder die Freude an deinem Jesus“.
„Erlöser, Heiland“ zu sein, und zwar im umfassenden Sinn, ist nach Ludolf also die eigentümliche Natur Jesu. Als Eigenname ist Jesus aber auch der Herrlichkeitsname, „der Name über alle Namen“ (Phil 2,9), während Christus lediglich ein allgemeiner, gnadenhaft durch ein Sakrament verliehener Name ist. Für diesen Unterschied beruft sich Ludolf auf Augustinus und zieht daraus die erstaunliche Folgerung: „Wie wir nämlich hier [auf Erden] aufgrund der Taufgnade von Christus her Christen heißen, so werden wir in der himmlischen Glorie von Jesus selbst einst Jesuiten (Jesuitae) genannt werden, das heißt: vom Erlöser Erlöste. Und so groß, wie der Unterschied zwischen Gnade und Glorie ist, so groß, kann man sagen, ist auch der Unterschied zwischen dem Namen Jesus und Christus.“
[2] Ludolf steht ganz deutlich in der großen Tradition der Verehrung des Namens Jesu, für die Bernhard von Clairvaux besonders wichtig wurde, Er erwähnt auch das berühmt gewordene Kurzgebet „Jesu, esto mihi Jesus (Jesus, sei mir Jesus!, Jesus, sei mein Heil!)“, das er Anselm von Canterbury zuschreibt.
Als es Ignatius und seinen Gefährten darum ging, welchen Namen sie tragen sollten, spielte Ludolfs Verständnis der Bezeichnung „Jesuit“ keine Rolle. Aber sollten wir Christen nicht wenigstens damit rechnen, dass wir in der himmlischen Glorie von Jesus persönlich als Jesuiten begrüßt werden? In diesem Fall sollten wir nicht verdutzt dreinschauen, sondern freudig.