PFARRVERBAND OBERES INNTAL
ST. MICHAEL NIEDERAUDORF

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Die Barock-Krippe in der Karmelitenkirche Reisach

Die Barock-Krippe der Karmelitenkirche zu Reisach
zählt zu den qualitätsvollsten Kirchenkrippen im oberbayerischen Raum. Die in dieser Größe (60-70 cm) äußerst seltenen Krippenfiguren stammen alle aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, d. h. sie wurden bald nach der Weihe der Kirche im Jahre 1747 angeschafft.

Leider findet sich für diese Zeit in den Archivalien des Klosters nur ein einziger Hinweis auf die Krippe; in einem Manuale” (Handbuch) für den Sakristan aus dem Jahre 1774 steht unter dem Monat Dezember folgender Eintrag (in lateinischer und deutscher Sprache gemischt):

Triduo ante festum Nativitatis dñi: erigitur praesepe [drei Tage vor dem Fest der Geburt des Herrn wird die Krippe aufgebaut] alles zugehörige wird aufbehalten in den thurm. wo man auf die orgl hinaufgeht. in diser wochen oder zufor wird einer ex domest: [von den Bediensteten] geschickht umb den mües [das Moos] und das baumel. Die Kripl persohnen seind aufbehalten in oratori in einen kasten ex parte Evangelii [auf der Evangelienseite = linke Seite des Altars]. Die spalier [Kulissen] mit zwei kleinen saiten bläter, auf einen ist gemahlen ein zimmer gehörig für den unschuldigen kindlstag, auf der anderen ist gemahlen der Judaische templ, gehörig pro festo circumcisionis [zum Fest der Beschneidung] et [und] den templ. dise seind auch in obgemelten thurm, das krippl bleibt stehen bis auf Sebastiani [20. Januar]
Aus dem Eintrag kann man durch die Hinweise auf Zubehör und Kulissen schlussfolgern, dass zu dieser Zeit (1774) vom 24. Dezember bis 20. Januar vermutlich fünf oder sechs Krippenszenen dargestellt wurden:

24. Dezember: Geburt im Stall von Betlehem

28. Dezember: Fest der Unschuldigen Kinder (Betlehemitischer Kindermord)

1. Januar: Fest der Beschneidung des Herrn (Beschneidung Jesu im Tempel)

6. Januar: Epiphanie (Anbetung der Hl. Drei Könige)

1. Sonntag nach Epiphanie: Maria und Josef finden Jesus im Tempel mitten unter den Lehrern

2. Sonntag nach Epiphanie: Die Hochzeit zu Kana (auch wenn diese im Text nicht erwähnt wird, weisen Figurenbestand und altes Krippenzubehör eindeutig darauf hin, dass auch diese Szene aus dem Johannes-Evangelium dargestellt wurde).

Der Figurenbestand der Reisacher Krippe weist heute noch 34 Ganzfiguren, 69 Köpfe, 52 Händepaare, 60 Beinpaare und 59 Torsi (Figurenkörper) auf. Dazu kommen noch 39 Tiere: Ochs und Esel, 24 Schafe, zwei Hunde, sieben Pferde, zwei Kamele, ein Elefant und eine Ziege.

Vom originalen Zubehör sind besonders einige Musikinstrumente für die Hochzeit zu Kana sowie die Goldtruhe, das Weihrauchschiffchen und das Myrrhengefäß für die Anbetung der Hl. Drei Könige (zeitgenössische Goldschmiedekunst) hervorzuheben.
Die Figuren (Köpfe, Hände und Füße) wurden in der Zeit um 1760 bis 1800 geschnitzt. Sie sind nicht alle von gleicher, aber großenteils von hoher bis höchster Qualität. Leider überliefern die Archivalien uns keine Namen für die Krippenschnitzer. Perfektion und Ausdruckskraft einiger Krippenköpfe lassen jedoch an die besten Bildhauerriegen der Barockzeit denken (vielleicht Werkstatt von Joh. Baptist Straub oder Ignaz Günther).

Von der originalen Bekleidung der Figuren sind nur wenige Reste erhalten. Die in den letzten Jahren verwendeten 28 Figuren wurden in den Jahren 1980-86 von Familie Pöllmann aus Schwandorf teilweise restauriert und unter Verwendung von Resten alter Stoffe neu eingekleidet. Seit 1980 besorgt Herr Raimund Pöllmann auch das Szenenarrangement, die dafür nötigen Kulissen und die Aufstellung der Krippe.

2003 begannen Herr Wolfgang Ager aus Raubling und Herr Dr. Dietrich Barth aus Neubeuern mit der systematischen Bestandsaufnahme, Katalogisierung und fotografischen Dokumentation aller Bestandteile der Reisacher Barock-Krippe. Diese Arbeit konnte im Februar 2004 abgeschlossen werden.
Nun soll darangegangen werden, die teilweise sich ablösende farbliche Fassung der Figuren an Köpfen, Händen und Füßen zu sichern, von Farbschichten des 19. und 20. Jahrhunderts zu befreien und nach Möglichkeit die ursprüngliche Fassung des 18. Jahrhunderts freizulegen. Eine äußerst aufwändige und kostspielige Angelegenheit! Danach werden die Figuren neu eingekleidet und neue Krippenszenen arrangiert, um so nach und nach möglichst alle Reisacher Krippenfiguren wieder zeigen zu können.