Jahresmiete: drei Gebete täglich
„Ich sehe Dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedrückt“, schrieb der Dichter Novalis vor 200 Jahren. Tatsächlich wird Maria in unzähligen Bildern dargestellt– als Frau aller Völker, als die Jungfrau von Guadeloupe, als die unbefleckt empfangene Jungfrau in der Grotte, wie sie der heiligen Bernadette in Lourdes erschien, als Rosa Mystica, als Mutter vom guten Rat, als die apokalyptische Frau, als Schlangenzertreterin und viel mehr; es sind wahrscheinlich wirklich 1000 Bilder, die man so zusammenkriegt.
Zu einer Pilgerfahrt zu zwei ganz besonderen Gnadendarstellungen Mariens in Bayern luden am 16. März die Dorfener Ortsgrupppe der Marianischen Männerkongregation Altötting und der Pfarrverband Dorfen ein: zu Maria Knotenlöserin in Augsburg und zum „Maria Birnbaum“ in Sielenbach (bei Augsburg).
Das Interesse der Dorfener an diesem Tages-Wallfahrt war größer als erwartet: das Omnibus-Unternehmen Kalb musste für die 55 Teilnehmer einen noch größeren Bus bereitstellen als ursprünglich geplant. Erste Station war, im 1500-Seelen-Ort Sielenbach bei Augsburg, die Kirche Maria Birnbaum, die von Priestern des Deutschordens betreut wird. Der dortige Pfarrer Norbert Rasim erklärte den Besuchern aus Dorfen ausführlich Entstehungsgeschichte und Hintergründe der Wallfahrt zu der Pietá, die seit rund vier Jahrhunderten in einen hohlen Birnbaum eingebettet ist. Um diesen Baum herum wurde nach dem Dreißigjährigen Krieg die danach benannte Kirche gebaut, nachdem Gläubige von auffallend vielen Gebetserhörungen und Wunderheilungen berichteten, die sie der Verehrung der Sielenbacher Pietá zuschrieben. Pater Stephan Matula zelebrierte in dieser Kirche eine Eucharistiefeier und ging in seiner Predigt auf die Verehrung der schmerzhaften Muttergottes ein.
Beim Besuch des Gnadenbilds Maria Knotenlöserin in Augsburg erfuhren die Dorfener Pilger, dass sie sich vor dem Original einer Muttergottes-Abbildung befanden, die, gefördert durch Papst Franziskus, in ganz Lateinamerika sehr verehrt wird und dort wesentlich bekannter ist als bei uns. Papst Franziskus ließ dieses Bild auch im Gästehaus des Vatikan aufhängen und empfängt unter diesem Bild hohe Gäste. Vor dieses Bild brachten die Wallfahrer aus Dorfen in einer feierlichen Marien-Andacht die Knoten ihres Lebens und legen sie Maria hin, damit sie auch diese löst.
Abgerundet wurde der Tag in Augsburg durch eine Führung durch die Altstadt von Augsburg, die Stefan Teplan leitete, der zehn Jahre in Augsburg als Redakteur arbeitete und von daher mit der Stadt bestens vertraut ist. Während der Besichtigung kirchlicher Stätten wie der Basilika St. Ulrich und Afra, dem Augsburger Dom und der (heute protestantischen) Barfüßerkirche, des malerischen Lechviertels und anderer Sehenswürdigkeiten lieferte der Stadtführer reichlich Informationen, die so mancher der Dorfener zum ersten Mal hörte: dass Augsburg zusammen mit Trier und Kempten zu den ältesten Städten Deutschlands gehört, dass sein einzigartiges Wasser-Management zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, dass Augsburg Brecht- und auch Mozartstadt ist (bis kurz vor der Geburt von Wolfgang Amadeus lebte die Familie Mozart in Augsburg), dass es eine ganz entscheidende Rolle in der Geschichte der Reformation spielte und dass die dort 1521 von Jakob Fugger (im 16. Jahrhundert der reichste Mann der Welt) gegründete „Fuggerei“ die älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt ist. In deren 142 Wohnungen können auch heute noch Bedürftige katholischen Glaubens bei einer Jahresmiete von 88 Cent leben. Galt doch Jakob Fuggers Engagement bei diesem Projekt ausnahmsweise nicht kaufmännischen Interessen, sondern dem Seelenheil: Die Bewohner verpflichten sich im Mietvertrag, dreimal am Tag für die Stifterfamilie Fugger zu beten.
Stefan Teplan