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Nachruf auf Georg Ratzinger, Wallfahrtskurat und Chorregent von Maria Dorfen 1953 – 1957

Im biblischen Alter von 96 Jahren ist Georg Ratzinger am 1. Juli 2020 in Regensburg verstorben.
Vor seinem Engagement als Regensburger Domkapellmeister wirkte der Bruder von Papst Benedikt XVI. in Maria Dorfen unter Pfarrer Kainzmaier als Wallfahrtskurat und Chorregent, leitete in dieser Funktion auch den Kirchenchor, hielt Religionsunterricht an Dorfens Schulen und konnte viele Kinder und Jugendliche zu Musik und Gesang motivieren. 
Georg Ratzinger wurde am 15. Januar 1924 in Pleiskirchen bei Altötting geboren. Der Beruf des Vaters, eines Gendarmeriemeisters, erforderte des Öfteren den Umzug der Familie. Bruder Joseph kam 1927 in Marktl/Inn zur Welt. Als der Vater 1937 in den Ruhestand trat, ließ sich die Familie in Hufschlag in der Gemeinde Surberg bei Traunstein nieder.
Der Gymnasialzeit in Traunstein folgte ein mehrjähriger Kriegseinsatz. 1941 mussten die Ratzinger-Brüder der Hitler-Jugend beitreten, wie es das damalige Jugenddienstgesetz verlangte. Ab 1946 studierte Georg gemeinsam mit seinem Bruder Theologie und Philosophie in Freising. Und gemeinsam empfingen die beiden Brüder am 29. Juni 1951 auch die Priesterweihe durch Kardinal Michael Faulhaber. Ihrem Weihejahrgang gehörten die späteren Weihbischöfe Heinrich Graf von Soden-Fraunhofen und Franz Schwarzenböck an sowie Hermann Eigner, der 1962 als Pfarrer nach Dorfen kam, und Lorenz Stadler, der spätere Oberdorfener Pfarrer.
Die ersten Stationen seines priesterlichen Wirkens führten Georg Ratzinger 1951 zur Aushilfe nach Grainau, dann als Präfekt ans Erzbischöfl. Knabenseminar Freising und zwei Monate später als Kooperator nach München-St. Ludwig. Am 1. August 1953 trat er als Nachfolger von Kurat Siegfried Pfaffinger seine Stelle in Maria Dorfen an. Parallel dazu pendelte er regelmäßig nach München, um sein Studium der Kirchenmusik an der Musikhochschule in München weiterzuführen. Während seiner Dorfener Zeit erhielt Georg Ratzinger häufig Besuch von seinem Bruder Joseph, der damals als Hochschuldozent in Freising tätig war.
1957 wechselte er in seine Heimatstadt Traunstein, als Chorregent von St. Oswald. Zugleich war er dort als Musikpräfekt im Erzbischöflichen Knabenseminar tätig. In Dorfen wurde seine Stelle daraufhin aufgeteilt: Als Wallfahrtskurat folgte ihm Martin Rothbauer, zuvor Pfarrer von Forstinning, nach, als Chorregent der Kirchenmusiker Benno Meindl, den Ratzinger persönlich empfahl, nachdem jener ihn bei einem Organisteneinsatz voll überzeugt hatte.
1963 wurde Georg Ratzinger zum Regensburger Domkapellmeister berufen. Dieses Amt trat er am 1. Februar 1964 an und leitete fortan 30 Jahre lang die weltberühmten Regensburger Domspatzen, den nachweislich seit 976 bestehenden, ältesten Knabenchor der Welt, dessen ausgezeichnete Reputation er noch verbesserte. Bereits 1964 führte ihn die erste Auslandstournee nach Rom, wo die Domspatzen bei einer Konzilsmesse singen durften. Jährliche Konzertreisen in Deutschland und Auslandstourneen folgten, u. a. in die USA, nach Kanada, Japan und die DDR, mit insgesamt mehr als 1.000 Konzerten. Zahlreiche Rundfunk- und Fernsehaufnahmen sowie Schallplatten und CD-Produktionen sprechen für das hohe Niveau, das breite Repertoire und das künstlerische Level des Chores unter seiner Leitung. Wichtig war Ratzinger aber auch stets die sonntägliche Gestaltung des Hauptgottesdienstes im Regensburger Dom. Daneben unterrichtete der Domkapellmeister an der Regensburger Hochschule für Kirchenmusik und Musikpädagogik.
1994, mit 70 Jahren, trat Georg Ratzinger seinen wohlverdienten Ruhestand an. Von 1995 bis 2001 leitete er aber noch als Stiftsdekan das Regensburger Kollegiatsstift. Eine Vielzahl an Ehrungen wurde ihm im Lauf seines langen Lebens zuteil, so die Ernennung zum Apostolischen Protonotar (die höchste päpstliche Prälatenwürde) und zum Regensburger Ehrendomherrn, die Verleihung von Honorarprofessur und Ehrendoktorwürde für Kirchenmusik, das Bundesverdienstkreuz, der Bayerische Verdienstorden sowie mehrere hochrangige Kulturpreise. Vor allem im Ruhestand fand er auch Zeit für Eigenkompositionen. Zum Heiligen Jahr 2000 schrieb er sogar eine Messe, die „Missa L’anno santo“. Dass er sich dagegen mit moderner Rock- und Popmusik nicht anfreunden konnte, daraus machte er nie einen Hehl.
Im Skandal um die zahlreiche Missbrauchsfälle an kirchlichen Schulen gerieten auch die Regensburger Domspatzen wiederholt in die Schusslinie, wobei Georg Ratzinger stets beteuerte, von sexuellen Verfehlungen nichts mitbekommen zu haben. Allerdings räumte er 2010 ein, durchaus die in der Pädagogik damals üblichen Ohrfeigen eingesetzt zu haben, und entschuldigte sich dafür.
Mit seinem Bruder verband Georg Ratzinger zeitlebens eine enge Bindung. Dass Joseph Ratzinger 1969 vom renommierteren Tübinger Dogmatik-Lehrstuhl an die junge Regensburger Universität wechselte, hatte auch zum Grund, dass er auf diese Weise nahe bei seinem Bruder sein konnte. Als dieser 1981 dem Ruf nach Rom folgte und zum Präfekt der Römischen Glaubenskongregation aufstieg, besuchte er ihn dort wiederholt. Die einzige Schwester der beiden Brüder, Maria Ratzinger (*1921 +1991), blieb unverheiratet und versorgte jahrzehntelang Georgs Haushalt, zeitweilig auch den von Joseph.
Seinen Lebensabend verbrachte Georg Ratzinger in seiner neuen Heimat Regensburg, wo er in der Luzengasse, nahe der jüdischen Synagoge, wohnte. Die Wahl seines Bruders Joseph zum Papst im April 2005 hat ihn tief berührt. Allerdings hätte er gehofft, dass dem Kurienkardinal und vormaligen Erzbischof von München-Freising die Bürde dieses Amtes erspart bliebe. Bis zuletzt telefonierte er mit ihm oft und gerne. Dabei betonte er einmal, dass sein Bruder auch als Papst „nicht auf Wolken schwebe, sondern die Realitäten durchaus wahrnehme“. Übrigens unterhielten sich die beiden stets im oberbayerischen Dialekt: „Unser Muttersprache ist nicht Deutsch, sondern Bayerisch.“ In den letzten Lebensjahren machte Georg Ratzinger ein schweres Augenleiden zu schaffen, das zur fast vollständigen Erblindung führte. Kurz vor seinem Tod erhielt er noch Besuch von seinem 93-jährigen Bruder, dem emeritierten Papst.
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