Tauben und Flammenzungen: Was genau feiern wir eigentlich an Pfingsten?
Neben Ostern und Weihnachten gehört Pfingsten zu den drei großen Festen im
Christentum. Trotzdem wissen nur die wenigsten, was an dem Tag gefeiert wird – und was es mit dem Heiligem Geist, den Flammenzungen und dem Sprachengewirr genau auf sich hat.
Der Name Pfingsten geht auf das griechische Wort "pentekoste" – der Fünfzigste – zurück, weil das Pfingstfest seit etwa Ende des vierten Jahrhunderts fünfzig Tage nach Ostern gefeiert wird und der feierliche Abschluss der Osterzeit ist. An diesem Tag wird auch die Osterkerze, die seit der Osternacht bei jedem Gottesdienst entzündet wird und prominent im Altarraum steht, für den Rest des Kirchenjahres zum Taufbrunnen gestellt und nur noch bei Taufen, Beerdigungen und besonderen Gottesdiensten entzündet.
Den biblischen Berichten zufolge schenkt Gott seit Pfingsten seinen Geist nicht mehr einzelnen Auserwählten, sondern allen Christen: "Sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an, zu predigen in anderen Sprachen", heißt es in der biblischen Apostelgeschichte. In Erinnerung an dieses Ereignis wird Pfingsten auch als Geburtstag der Kirche verstanden.
Maßgeblich für die christliche Feier des Pfingstfestes ist der Bericht über das Pfingstereignis im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte. Dort wird die Sendung des Heiligen Geistes am jüdischen Wochenfest Shawuot – ursprünglich einem Erntedankfest – terminiert.
Die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die versammelte Jüngerschar wird dabei mit allerhand Begleiterscheinungen beschrieben: Der Geist kommt in Form eines Brausens und eines "heftigen Sturmes" in das Haus, in dem die Jünger beisammen sind. Sichtbar wird der Geist in Feuerzungen, die auf die Jünger herabkommen. Auch die Auswirkungen, welche die Geistgabe mit sich bringt, führt Lukas an: Vom Geist erfüllt beginnen die Jünger in fremden Sprachen zu reden, so, wie sie der Geist ihnen eingibt. Dass es sich bei der Geistsendung nicht um ein ruhiges, beschauliches Ereignis handelte, macht der Berichtaus der Apostelgeschichte ebenfalls deutlich: Ausdrücklich heißt es, dass sich „ein Getöse erhebt", wodurch Schaulustige angezogen werden. Doch die Geistsendung dient nicht dazu, Aufsehen zu erregen. Vielmehr hat sie nur einen einzigen Grund, den Lukas ausdrücklich benennt: „Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden".
Interessant ist dabei: Nur Lukas kennt als Termin der Geistsendung das jüdische Wochenfest. Im erst spät entstandenen Johannesevangelium heißt es, der Auferstandene sei den Jüngern am „Abend des ersten Tages der Woche" erschienen und habe sich ihnen als der Lebende offenbart. Und weiter berichtet Johannes: „Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!" (Joh 20,22). Lukas übernimmt den Bericht der Geistgabe, baut ihn aber am Beginn seiner Apostelgeschichte zu einer eigenen Erzählung aus. Dabei sind sowohl der Termin, die Art der Herabkunft des Geistes in Feuerzungen als auch die Wirkung der Geistgabe in Form der Sprachverwirrung neutestamentlich einzigartig.
Liturgische Feier
Bereits in der Antike gab es die Tradition, die Feier des Pascha-Mysteriums, also des Osterfestes, auf sieben Wochen auszudehnen. In den ersten vier christlichen Jahrhunderten wurden die gesamten fünfzig Tage als Einheit betrachtet, man feierte sie wie einen einzigen Sonntag, wie einen einzigen Tag, an dem man der Auferstehung des Herrn gedachte. Erst im 4. Jahrhundert bekam der fünfzigste Tag eine eigenständige Form, die zunächst mit der Himmelfahrt des Herrn verbunden war, später den Fokus aber mehr und mehr auf die Geistgabe legte. In der heutigen Liturgie wird Pfingsten besonders als Abschluss der Osterzeit gefeiert: „Heute sind die fünfzig Tage erfüllt", heißt es daher auch in der Magnificat-Antiphon in der Vesper des Pfingsttages.
Frömmigkeitsgeschichte
Ikonographisch hat man im Lauf der Zeit gerne das Motiv der Feuerzungen verwendet: Es gibt viele Darstellungen, die zeigen, wie die Jünger beieinander sitzen und sich dabei Feuerzungen auf ihren Häuptern niederlassen. Diese Darstellungsform hat auch in der Frömmigkeitsgeschichte ihre Spuren hinterlassen: Während des Pfingstgottesdienstes ist es in vielen Kirchen üblich geworden, aus einem kleinen Loch im Dachboden Rosenblätter auf die Gläubigen herabrieseln zu lassen. Ebenfalls hatte es sich in manchen Gemeinden eingebürgert, durch eben dieses Loch eine Holzfigur in Form einer Taube herabzulassen. Ob Rosenblätter oder Taube: Beides sind Versuche, das darzustellen, was sich jeder Möglichkeit der Abbildung entzieht. Das Wirken des Geistes ist eben geheimnisvoll und unsichtbar, die Kraft des Geistes durchdringt die Menschen und befähigt sie, freimütig Zeugnis zugeben vom auferstandenen und in den Himmel aufgefahrenen Herrn Jesus Christus.