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Text der Predigt vom 4. Oktober 2025 in der Antoniuskirche FEST DES HL. FRANZISKUS VON ASSISI


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Brich die Tabus! Wage es, anders zu sein!
von Br. Charls John OFMCap, Kaplan

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Schwestern und Brüder,

heute feiern wir Franziskus – den Mann, der alles hinter sich ließ. Den Sohn eines reichen Tuchhändlers, der nackt auf dem Platz von Assisi stand, weil er wusste: wenn ich Christus nachfolge, kann ich nichts Halbes leben. Franziskus hat Tabus seiner Zeit gebrochen. Nicht um zu provozieren, nicht um auffällig zu sein, sondern weil er von einer Wahrheit ergriffen war, die größer war als alle Konvention.

Heute beim Mittagessen haben wir über das Brechen von Tabus gesprochen. Das Brechen alter Tabus ist das, was der Heilige Franziskus getan hat. Er hätte wie sein Vater Kaufmann werden können... Er hätte, wie seine Kollegen ein großer Soldat werden können... Er hätte wie andere ein großartiger Familienvater wer- den können. Aber er hat viele Tabus gebrochen. Wie ein Verrück- ter rief er durch die Straßen von Assisi: Die Liebe wird nicht ge- liebt... Ja, er war überwältigt und fasziniert von dem armen, de- mütigen und gekreuzigten Christus. Tabus zu brechen ist nicht einfach, denn dann hält dich die Welt für verrückt. Gott sei Dank, Ich bin nicht verrückt...

Doch er entschied sich für etwas völlig anderes. Er entschied sich für Christus – arm, verwundet, gekreuzigt.

Darum hielten ihn viele für verrückt. Wer freiwillig arm wird, wo alle nach Reichtum streben? Wer Frieden sucht, wo alle nach Rüstung schreien? Wer das Evangelium wörtlich nimmt, wo alle es als fromme Theorie abtun?

Franziskus wusste: Die Liebe wird nicht geliebt. Und er machte daraus keine fromme Klage, sondern eine Lebensentscheidung. „Die Liebe wird nicht geliebt!“ – schrie er durch die Straßen. Heute könnten wir hinzufügen: Die Schöpfung wird nicht geach- tet. Die Armen werden nicht gesehen. Die Wahrheit wird nicht gehört. Der Friede wird nicht gewollt.

Franziskus wurde für verrückt erklärt. Aber vielleicht braucht un- sere Welt heute wieder solche Verrückten. Menschen, die mutig genug sind, die stillschweigenden Tabus unserer Zeit zu brechen.
                    
  •  In einer Gesellschaft, in der Erfolg wichtiger ist als Mensch-
     lichkeit, braucht es Menschen, die den Mut haben, klein zu
    werden.
                            
  •  In einer Welt, in der Waffenlieferungen selbstverständlicher
    geworden sind als Friedensverhandlungen, braucht es Men- schen, die laut sagen: „Frieden ist möglich – auch wenn ihr mich naiv nennt.“
                            
  •  In einer Kultur, in der Konsum über allem steht, braucht es Stimmen, die wie Franziskus die Schönheit des Einfachen preisen.
     
Franziskus sah im Bruder Wolf nicht den Feind, sondern ein Ge- schöpf Gottes. Er sprach mit Sonne und Mond, mit Wasser und Feuer. Und wir? Die Menschen zerstören Wälder, Meere und Luft – und wundern uns, dass die Welt stöhnt. Vielleicht ist das größ- te Tabu unserer Zeit, das wir brechen müssen: uns einzugeste- hen, dass wir nicht Herren der Erde sind, sondern ihre Gäste. Franziskus liebte den Gekreuzigten – und dieser Gekreuzigte zeigt uns: Wahre Kraft ist verwundbar. Wahre Größe ist demütig. Wahre Liebe riskiert alles. 

Darum frage ich: Bin ich bereit, wie Franziskus als „Narr“ dazu- stehen? Bereit, die Liebe zu wählen, auch wenn Spott und Un- verständnis folgen? Bereit, Frieden zu wagen, wenn alle anderen von „Realpolitik“ reden? Bereit, arm zu leben, damit andere le- ben können? 
                       
Vielleicht ist Heiligkeit genau das: den Mut haben, das Unmögli- che zu wagen, weil man weiß, dass Gott es möglich macht. Franziskus ruft uns heute zu: „Brich die Tabus! Wage es, anders zu sein! Wage es, das Evangelium ernst zu nehmen!“

Vater Franziskus,
ich fürchte mich, die Liebe zu verkünden, die nicht geliebt wird. Ich fürchte mich, meine Gewohnheiten zu zerbrechen.
Ich fürchte mich, den Armen in die Augen zu sehen,
den Kranken nahe zu kommen,
die Ausgestoßenen meine Geschwister zu nennen.
Ich flüchte mich in die Sicherheit meiner kleinen Welt.
Dort bleibe ich ungestört,
dort bleibe ich unangetastet,
dort bleibe ich bequem.
Doch du, Franziskus, hast dich nicht gefürchtet. Du hast alles losgelassen,
alles verschenkt, alles gewagt.
Du hast Tabus zerbrochen,
wie man ein Gefängnis sprengt.
Du hast dich auf den Weg zu den Armen gemacht, auf den Weg zu den Wunden der Welt,
                    
Franziskus,
lehre mich, dass die Furcht nicht das letzte Wort hat.
Lehre mich, dass Freiheit größer ist als Sicherheit.
Lehre mich, dass Liebe stärker ist als jede Angst.
Und vielleicht werde auch ich eines Tages „verrückt“ genannt – verrückt nach Christus,
verrückt nach Liebe,
verrückt nach Frieden.

Amen