Am 15. September, dem Tag nach "Kreuzerhöhung", gedenken wir der Schmerzen Mariens, denn ihre Schmerzen waren Teilhabe an den Leiden ihres Sohnes. Bei der Darstellung im Tempel prophezeite Simeon, dass Mariens Seele das Schwert der Schmerzen durchdringen werde (Lk 2,35), was sich unter dem Kreuz erfüllen sollte.
Pius VII. setzte dieses Gedenken 1814 ein (zum Dank für seine Rückkehr aus der Gefangenschaft unter Napoleon in Fontainebleau). Er legte es zunächst auf den 3. Sonntag im September, bis es Pius X. 1913 auf den 15. September verschob. Ein weiterer, wesentlich älterer Gedenktag der Schmerzen Mariens ist der Freitag vor dem Palmsonntag ("Schmerzensfreitag"), der allerdings bei der Kalenderreform 1970 wegen der Doppelung abgeschafft und deshalb heute nur noch nach dem alten Ritus (Vetos Ordo) gefeiert wird. Er entstand wahrscheinlich im Zisterzienserorden, wurde 1423 auf einer Synode in Köln ausdrücklich empfohlen und 1727 von Papst Benedikt XIII. verbindlich eingeführt.
Bereits um 1221 weihte man in der Zisterzienserabtei Schönau im Odenwald einen Altar zu Ehren der Schmerzen Mariens. Vor allem der Servitenorden, der die schmerzhafte Muttergottes als Patronin verehrt, förderte diese Andacht. Die Serviten (Ordo Servorum Mariae) entstanden 1233 in Florenz, von sieben Kaufleuten gegründet, die sich dazu auf den Monte Senaro zurückzogen (ihr Fest ist am 17. Februar; im alten Ritus am 12. Februar). Auf sie geht der " Sieben-S chmerzen-Rosenkranz" zurück, der in unseren Tagen wieder am Erscheinungsort Kibeho/Ruanda besonders empfohlen wurde. (Dort erschien die Gottesmutter 1981- 89 drei Mädchen unter dem Titel "Mutter des Wortes".)
Die sieben Schmerzen Mariens
Wenn wir von den "Sieben Schmerzen Mariens" sprechen, dürfen wir die Zahl "7" zunächst symbolisch verstehen für das tiefe Leid der Gottesmutter als Mitleiden an den Leiden ihres Sohnes. Wie er, war sie aufgrund ihrer unbefleckten Empfängnis ganz ohne Sünde und so brauchte sie nicht für ihre eigenen Sünden zu leiden, sondern stellvertretend für die unseren. Daher darf sie zu Recht "Miterlöserin" genannt werden, denn durch Leiden sind wir erlöst.
Anhand des Evangeliums gelten als sieben Schmerzen Mariens die folgenden:
1. Die Weissagung Simeons, dass ihre Seele "ein Schwert durchdringen" werde - bei der Aufopferung ihres Sohnes im Tempel (Lk 2, 34 £).
2. Die Flucht nach Ägypten (Mt 2, 13-15).
3. Das dreitägige Suchen des zwölfjährigen Jesus bei der österlichen Wallfahrt nach Jerusalem (Lk 2,41- 52).
4. Die Begegnung mit Jesus auf dem Kreuzweg (4. Station).
5. Ihr Ausharren unter dem Kreuz (Joh 19, 25).
6. Die Kreuzabnahme (Joh 19, 38) — „Vesperbild“: Wie bei seiner Empfängnis bietet Maria dem Menschensohn ihren Schoß auch nach seinem Tod.
7. Die Grablegung Jesu (Lk 23, 55).
Beim "Sieben-Schmerzen-Rosenkranz" betet man sieben Mal nach dem Vater unser sieben Ave's mit folgenden Geheimnissen:
1. Den du, o Jungfrau, mit Schmerzen im Tempel vor Simeon aufgeopfert hast.
2. Den du, o Jungfrau, auf der Flucht nach Ägypten mit Schmerzen getragen hast.
3. Den du, o Jungfrau verloren und mit Schmerzen gesucht hast
4. Der dir, o Jungfrau, mit dem schweren Kreuz beladen begegnet ist.
5. Den du, o Jungfrau, am schmählichen Kreuz sterben gesehen hast.
6. Den du, o Jungfrau, vom Kreuz in deinen Schoß aufgenommen hast.
7. Den du, o Jungfrau, mit größtem Herzeleid zu Grabe begleitet hast.
In der christlichen Kunst kennen wir zahlreiche Darstellungen der Schmerzen Mariens, etwa als Bild mit einem oder sieben Schwertern in ihrem Herzen, oder das durchbohrte Herz als Gegenüber zum heiligsten Herzen ihres Sohnes.
Am häufigsten begegnen wir dem Bild der Schmerzensmutter {Mater dolorosa:), die nach der Kreuzabnahme den Leichnam ihres Sohnes in ihren Schoß gelegt bekommt. Bekannt ist die Pieta Michelangelos im Petersdom (um 1500 aus Marmor, auch "Addolorata", die „Schmerzhafte“ genannt).
In vielen Kirchen finden sich ähnliche Bilder; an Wallfahrtsorten oft als Gnadenbild. Es wird auch als "Vesperbild" bezeichnet, weil die Kreuzabnahme am Nachmittag zur Zeit des Gebetes der Vesper anzusetzen ist. (vgl. Predigt Benedikt XVI. am 22. Sept. 2011 in Etzelsbach!)
Zahlreiche Gebetserhörungen sind auf die Anrufung der Schmerzhaften Muttergottes bezeugt. (So wurde der Lavastrom auf Lanzarote/Kanaren 1730 gestoppt und ihr zu Ehren das Inselheiligtum in Mancha Bianca errichtet.) Der Gedenktag der Schmerzen Mariens ist einer der fünf Tage, deren Liturgie eine gebetete oder gesungene Sequenz kennt: Stabat Mater dolorosa-, im neuen Ritus vor, im alten nach dem Alleluja. (Die übrigen vier: Ostern: Victimae paschali laudes; Pfingsten: Veni sancte Spiritus-, Fronleichnam: Lauda Sion Salvatorem-, Allerseelen: Dies irae.)
Die Sequenz Stabat Mater umfasst 10 Strophen, in jeweils zwei Teilstrophen unterteilt, was auf die Praxis des liturgischen Gesangs hinweist. Ab dem 15. Jahrhundert wurde Stabat Mater immer wieder vertont, von so ziemlich allen Komponisten geistlicher Gesänge, bis in unsere Zeit hinein. Eine Auswahl von fünf Strophen in deutscher Fassung haben wir in unsrem Kirchenlied Christi Mutter stand mit Schmerzen (neues GL 532, altes 584; vollständige Fassung: Laudate Patrem 391).
Die "Sieben Freuden Mariens
Dem Orden der Franziskaner ist es zu verdanken, dass die sieben Schmerzen Mariens um ihre sieben Freuden ergänzt wurden; so ehren wir sie nicht nur als schmerzhafte Mutter {Mater dolorosa), sondern auch als freudenreiche Mutter {Mater gaudiosa). Schließlich erfuhr sie in ihrem Leben gleich uns allen neben dem Leid auch Freude; außerdem hat das Leid nicht das letzte Wort, sondern die ewige Freude des Himmels, wie wir am Leben Mariens vorbildhaft für uns ablesen können. In der Lauretanischen Litanei rufen wir sie an als "Ursache unserer Freude" {Causa nostrae laetitiae).
Den sieben Freuden entsprechend hat der "franziskanische Rosenkranz" {Corona francescana) sieben Gesätze, allerdings nicht mit je sieben, sondern mit je zehn Perlen. Das ergibt insgesamt 70 Ave's, dem noch zwei hinzugefügt werden, weil man meint, die Gottesmutter sei 72 Jahre alt geworden. (Oder je eines für die Menschheit und Gottheit Christi.) Früher trugen vor allem die Minoriten diesen Rosenkranz am "Strickgürtel" (Zingulum). Die Geheimnisse gehen zurück auf die mystische Erfahrung eines Novizen im Jahr 1422 und wurden vor allem vom hl. Berhardin von Siena (1380 - 1444) verbreitet.
Entlang der Klostermauer des Südaufgangs zum Franziskanerkloster auf dem Frauenberg in Fulda sind Bronzereliefs der sieben Freuden Mariens angebracht, die Michael Franke aus Erkelenz geschaffen hat. Sie ersetzten ca. 1985 die früheren, auf Kupferblech gemalten Bilder.
Im Louvre zu Paris zeigt man einen Altar der sieben Freuden Mariens (um 1480, Meister der heiligen Familie, Kölner Schule).
Ein Fest der Sieben Freuden Mariens (Maria Lätitia) war schon im Mittelalter bekannt. Papst Clemens IV. verfasste 1265 eine Schrift mit dem Titel "Die sieben Freuden unserer lieben Frau und Papst Pius X., selbst Mitglied des dritten franziskanischen Ordens, bestätigte 1906 mit dem Breve Quo corona septem gaudiorum betae Mariae virginis pluribus indulgentiis ditatur das Fest am 5. Juli für die gesamte Kirche. Doch leider verschwand es bald wieder aus dem liturgischen Kalender. In nur wenigen Heiligenkalendern findet man noch unter dem 5. Juli einen entsprechenden Eintrag. Die sieben Freuden Mariens erinnern an die freudenreichen Rosenkranzgeheimnisse, wobei das vierte, das zu den Schmerzen Mariens zählt, durch die Anbetung der Magier ersetzt wird. Die sechste Freude ist die Begegnung mit ihrem auferstandenen Sohn, die einer nicht-biblischen Tradition entspricht, und die siebte Freude ihr Übergang in die ewige Freude des Himmels (4. u. 5. Geheimnis des glorreichen Rosenkranzes).
Der Rosenkranz der Freuden Mariens lässt sich entweder mit sieben oder mit zehn Wiederholungen des Ave Maria beten, die den sieben Vater unser folgen.
Die Geheimnisse betrachten wir folgendermaßen:
1. Den du, o unbefleckte Jungfrau, mit Freuden vom Heiligen Geist empfangen hast.
2. Den du, o unbefleckte Jungfrau, mit Freuden zu Elisabeth getragen hast.
3. Den du, o unbefleckte Jungfrau, mit Freuden geboren hast.
4. Den du, o unbefleckte Jungfrau, mit Freuden den Weisen zur Anbetung dargereicht hast.
5. Den du, o unbefleckte Jungfrau, mit Freuden im Tempel wiedergefunden hast.
6. Den du, o unbefleckte Jungfrau, mit Freuden nach seiner Auferstehung zuerst begrüßt hast.
7. Der dich, o unbefleckte Jungfrau, mit Freuden in den Himmel aufgenommen und gekrönt hat.