Pfarrverband Feldkirchen-Höhenrain-Laus

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Impuls zum 12. Sonntag im Jahreskreis

20. Juni 2021
Den Impuls können Sie hier herunterladen und ausdrucken...(pdf)
Vielleicht wollen Sie diesen Text auch einer lieben Nachbarin, einem netten Nachbarn, die keinen Zugang zum Internet haben, mit einem Gruß versehen in den Briefkasten werfen.

Tornado

Evangelium

An jenem Tag, als es Abend geworden war, sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren.

Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; und andere Boote begleiteten ihn.
 
Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann. Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief.

Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?

Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein.

Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?

Da ergriff sie große Furcht und sie sagten zueinander: Wer ist denn dieser, dass ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen?

Mk 4, 35–41

Harry neu

IMPULS
von Pastoralreferent Harald Petersen

Liebe Schwestern und Brüder,
„Stürmische Zeiten mein Schatz“, so sang es der Liedermacher Konstatin Wecker bereits in den 1990er Jahren.

Wir Leben als Staat, Gesellschaft und Kirche, nicht nur wegen Corona, tatsächlich in stürmischen Zeiten.

Aber auch persönlich begegnen uns im Leben, in unseren Familien und Beziehungen immer wieder Tiefdruckgebiete und Wirbelstürme – im übertragenen Sinn.

Manches davon, mag sicher der sprichwörtliche Sturm im Wasserglas sein, der alles einmal kräftig durcheinanderwirbelt und sich dann bald darauf wieder in Heiterkeit auflöst.

Anderes, wie die Corona- oder die Klimakrise und ihre Folgen, der Tod eines lieben Menschen, das Scheitern einer Beziehung, die Sorge um den Arbeitsplatz, eine schlimme Diagnose, sind dagegen schwere und bedrohliche Un- und Donnerwetter.

In diesen Situationen, in denen die Wellen über unser Leben hereinschlagen, taucht dann schon mal die Frage auf: War´s das jetzt? Ist das das Ende meiner Karriere, einer Freundschaft, meiner Beziehung oder Ehe? Und wenn Wind und Wetter lebensbedrohliche Ausmaße annehmen: Ist das mein Ende oder das der ganzen Welt?

Verbunden mit diesen Fragen stellt sich für viele Menschen auch noch eine ganz andere Frage, die Frage der Jünger: Kümmert es Gott denn gar nicht, dass wir zugrunde gehen?

Die Antwort Jesu auf all das finde ich auf den ersten Blick für seine Verhältnisse ehrlich gesagt doch recht schroff und unbarmherzig: „Warum habt ihr solche Angst?“

Vielleicht muss man Jesus an dieser Stelle zugutehalten, dass er gerade unfreiwillig aufgeweckt wurde. Vielleicht verkürzt auch der Evangelist das Gespräch zwischen Jesus und seinen Jüngern auf eine knappe Kernaussage.

So wie es nun einmal dasteht, tue ich mir jedenfalls sehr schwer mit dieser Frage.

Warum die Jünger Angst haben? Ganz einfach, weil auch die Jünger nur Menschen sind, weil Angst zum Menschsein gehört, weil ihnen das Wasser bis zum Halse steht und weil sie sich schlicht und ergreifend in ihrer Existenz bedroht sehen.

Der bekannte Psychotherapeut Irvin D. Yalom benennt aus seiner Jahrzehnte langen Erfahrung in der Gesprächstherapie vier existenzielle Ängste, bzw. Themen, mit denen wir Menschen uns auseinander setzen müssen: Die Angst vor dem Tod, die Freiheit und die damit verbundene Verantwortung für unser Leben, die Einsamkeit und die Frage nach dem Sinn oder der Sinnlosigkeit unseres Lebens.  

Aus meiner, sicher stark pastoralpsychologisch geprägten Sicht, sind es genau diese Kernbereiche der menschlichen Existenz, auf die der Glaube an Tod und Auferstehung, die Idee der Nächstenliebe, die Kirche als Gemeinschaft und die Rede von einem letzten Gericht versuchen Antworten zu geben.

Ich deute die Aussage Jesu: „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“, also eher als pointierte Beschreibung eines eigentlich langen, wahrscheinlich lebenslangen, Lern- und Entwicklungsprozesses. Für mich gilt nicht: Hast du noch Angst oder glaubst du schon?

Ich habe in den Stürmen meines Lebens und auch in vielen seelsorglichen Gesprächen eher die Erfahrung gemacht, dass sich Angst, Glaube und Vertrauen ins Leben nicht ausschließen müssen. Gerade in der Krise kann und muss Vertrauen ins Leben und Vertrauen auf Gott erst langsam wachsen.
In der biblischen Erzählung braucht es nur drei kleine Worte aus dem Munde Jesu: „Schweig, sei still! Und der Wind legte sich …“

Im Leben, in Therapie und Seelsorge braucht es oft viele Worte, lange Gespräche, gemeinsames Zuhören und Schweigen und vor allem viel Zeit bis sich Wellen glätten, Stürme legen und wieder Ruhe, Gelassenheit und Frieden einkehren können.

In einem Punkt sind sich die beiden Therapeuten Yalom und Jesus aber dann doch sehr einig. Der Weg aus der Angst heraus besteht vor allem darin nicht passiv in der Angst sitzen zu bleiben, sondern aufzustehen, sich seinen Ängsten entgegenzustellen.

Mitten im Sturm heißt die oberste Devise das Steuer nicht loszulassen, sondern sich Welle für Welle die Kontrolle über das Boot und das eigene Leben zurückzuerobern. Ganz so, wie Jesus es seinen Jüngern vormacht: „Da stand [Jesus] auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still!“

Was mir Hoffnung gibt, sind die (Lebens-) der Geschichten der Jüngerinnen und Jünger und vieler Menschen nach ihnen. Ich durfte in der Begleitung alter, kranker und sterbender Menschen immer wieder erleben, wie es Menschen gelungen ist, ihre Ängste zu bewältigen. Wie sie trotz aller existentiellen Bedrohung (neues) Vertrauen ins Leben gefunden haben. Und ich durfte spüren, wie sich Menschen am Ende ihres Lebens ganz Gott anvertraut haben.

Ihr Harald Petersen