Pfarrverband Feldkirchen-Höhenrain-Laus

Münchener Str. 1, 83620 Feldkirchen-Westerham, Telefon: 08063-243, E-Mail: feldkirchen.hoehenrain.laus@ebmuc.de
Logo Pfarrverband

Impuls zum 24. Sonntag im Jahreskreis

12./13. September 2020
Den Impuls können Sie hier herunterladen und ausdrucken...(pdf)

Vielleicht wollen Sie diesen Text auch einer lieben Nachbarin, einem netten Nachbarn, die keinen Zugang zum Internet haben, mit einem Gruß versehen in den Briefkasten werfen.

Pforte der Vergebung,  Lateranbasilika, Rom

Evangelium
vom 24. Sonntag im Jahreskreis

In jener Zeit trat Petrus zu Jesus und fragte: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er gegen mich sündigt? Bis zu siebenmal?
Jesus sagte zu ihm: Ich sage dir nicht: Bis zu siebenmal, sondern bis zu siebzigmal siebenmal.

Mit dem Himmelreich ist es deshalb wie mit einem König, der beschloss, von seinen Knechten Rechenschaft zu verlangen. Als er nun mit der Abrechnung begann, brachte man einen zu ihm, der ihm zehntausend Talente schuldig war.

Weil er aber das Geld nicht zurückzahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen.

Da fiel der Knecht vor ihm auf die Knie und bat: Hab Geduld mit mir! Ich werde dir alles zurückzahlen.

Der Herr des Knechtes hatte Mitleid, ließ ihn gehen und schenkte ihm die Schuld.

Als nun der Knecht hinausging, traf er einen Mitknecht, der ihm hundert Denáre schuldig war. Er packte ihn, würgte ihn und sagte: Bezahl, was du schuldig bist!

Da fiel der Mitknecht vor ihm nieder und flehte: Hab Geduld mit mir! Ich werde es dir zurückzahlen.

Er aber wollte nicht, sondern ging weg und ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt habe.

Als die Mitknechte das sahen, waren sie sehr betrübt; sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles, was geschehen war.

Da ließ ihn sein Herr rufen und sagte zu ihm: Du elender Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich angefleht hast. Hättest nicht auch du mit deinem Mitknecht Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte? Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Peinigern, bis er die ganze Schuld bezahlt habe.

Ebenso wird mein himmlischer Vater euch behandeln, wenn nicht jeder seinem Bruder von Herzen vergibt.

Mt 18, 21–35

Harry neu

IMPULS
von Pastoralreferent Harald Petersen

Liebe Schwestern und Brüder,

„Wie du mir – so ich dir“, dass war mein erster Gedanke zum heutigen Evangelium. Aber ganz so einfach, ist es wohl doch nicht. Umso länger ich mich mit diesem Text beschäftigt habe, umso unverständlicher wurde er mir. Ich wurde mit der Zeit sogar richtig sauer auf diese Droh-Botschaft.
Wie kann Jesus nur, mit erhobenen Zeigefinder, solche ethischen Höchstleistung fordern: „Wenn nicht jeder seinem Bruder von Herzen vergibt“?

Kann dieser Grundstz wirklich für alle Menschen gelten, ungeachtet dessen, was ihnen widerfahren ist? Sollen auch die vielen unschuldigen Opfer von Lüge, Betrug und Untreue, Gewaltverbrechen und Vergewaltigung ihren Peinigern von Herzen vergeben? Unweigerlich muss ich dabei auch an die vielen Missbrauchsopfern denken? Sind wir im kirchlichen Kontext nicht eher viel zu schnell mit dem Ruf nach Vergebung?

Ich glaub ich muss erst einmal fest auf die Bremse drücken und  mir, auch wenn’s schwer fällt, die Zeit nehmen und diesen schwierigen Text wirklich sehr genau anschauen, bevor die Emotionen weiter hochkochen.

Anlass für Jesus, überhaupt diese schauerliche Geschichte zu erzählen, ist eine Frage seines Freundes Petrus: „Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er gegen mich sündigt?“

Ich weiß leider nicht, welche Sünden seines Bruders Petrus bei dieser Frage im Sinn hatte. Jesus jedenfalls nimmt seine Frage sehr ernst. Der Knecht, von dem er in seinem Gleichnis erzählt, schuldet seinem Herrn 10000 Talente. Das ist eine schier unvorstellbare, ja eigentlich schon unrealistische Summe. Zum Vergleich, das geschätzte Steuereinkommen eines Jahres des Königs Herodes belief sich auf gerade mal 200 Talente.

Für Jesus geht es also nicht um Peanuts! Es geht um Schuld in einer Höhe, die eigentlich nicht zu begleichen ist, die durch nichts wieder gut zu machen ist. Nur dürfen wir nicht überlesen, das erste „Opfer“ in Jesu Erzählung kein Kencht, sondern der geschädigte Herr ist. Gott selbst wurde betrogen und es ist Gott, nicht der Mensch, der sich ungeachtet der unglaublichen Größe der Schuld, als gütig erweist, wo er mit Fug und Recht streng sein könnte.

Ein zweiter und ganz entscheidender Punkt, ist die Reue des Schuldigen. Diesen Aspekt dürfen wir nicht zu schnell unter den Tisch fallen lassen. „Hab Geduld mit mir!“ Es ist nicht die größe der Schuld, sondern diese entwaffnende Bitte, von der sich der Herr anrühren lässt. Gott weiß, dass die Schuld letztlich viel zu groß ist, um jemals zurückbezahlt zu werden. So erlässt er alle Schuld.

Was dann geschieht, betrübt nicht nur die Mitknechte, es empört auch mich. Der Herr schenkt dem einen die unvorstellbar hohe Summe von 10000 Talenten und dieser fordert vollkommen gnadenlos sein Recht auf die vergleichsweise verschwindend geringe Schuld von 100 Denaren. Das ist umgerechnet  1/60000 seiner eigenen Schuld. Wow, da kann ich wirklich nur staunen.

Für mich wird jedenfalls klarer, welches Verhalten Jesus mit seinem Gleichnis eigentlich anprangert. Die ethische Herausforderung, die Pflicht zur Vergebung, richtet sich im Gleichnis nicht an den Geschädigten; nicht das Opfer wird zur Vergebung verdonnert, sondern der Täter.

Fassen wir noch einmal zusammen. Auch wenn sich die frohe Botschaft heute in einer recht hässlichen Geschichte verbirgt, so lautet sie doch: Wenn es mir ernst ist mit meiner Reue, dann ist Gott unvorstellbar geduldig, großzügig und barmherzig mit mir und bereit mir alle Schuld zu erlassen.
Aber im Gegenzug mutet Gott auch mir Geduld, Barmherzigkeit und Bereitschaft zum Verzeihen zu, vor allem wenn es dabei um vergleichsweise geringe Schuld geht.

Und was ist mit den wirklichen Opfern, an die ich zuerst denken musste? Menschen, denen solches Unrecht widerfahren ist, haben ein uneingeschränktes Recht darauf, dass die zuständigen Autoritäten nicht vergeben, sondern die Taten streng und unnachgiebig ahnden.

Aus meiner seelsorglichen Erfahrung weiß ich aber, dass der lange, mühsame und oft schmerzvolle Weg zur Vergebung, auch von Opfern gegangen werden kann. Vergebung des widerfahrenen Unrechts kann so zu einem Weg der Heilung, der Emanzipation und der endgültigen Befreiung aus dem Machtbereich der Täter werden. In der sensiblen Begleitung von Opfern, darf das aber niemals zum  Appell oder gar zur Pflicht werden. Es bleibt eine Möglichkeit.

Solange es um mich und die Nachlässigkeiten und Sünden der Menschen in meinem Alltag geht, lautet die Antwort auf die Frage des Petrus: „Wie oft muss ich meinen Mitmenschen vergeben?“ also: Immer und immer und immer wieder, so oft, wie Gott mir bereits vergeben hat.

Für mich als Christ gilt nicht: „Wie du mir – so ich dir“, sondern „Wie Gott mir – so ich dir“.

Ihr Harald Petersen