Pfarrverband Feldkirchen-Höhenrain-Laus

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Impuls zum 28. Sonntag im Jahreskreis

10. Oktober 2021
Den Impuls können Sie hier herunterladen und ausdrucken...(pdf)
Vielleicht wollen Sie diesen Text auch einer lieben Nachbarin, einem netten Nachbarn, die keinen Zugang zum Internet haben, mit einem Gruß versehen in den Briefkasten werfen.

Kamel

Evangelium

In jener Zeit lief ein Mann auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?

Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer der eine Gott. Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!

Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt.

Da sah ihn Jesus an, gewann ihn lieb und sagte: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!

Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen.

Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!

Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.

Sie aber gerieten über alle Maßen außer sich vor Schrecken und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden?

Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich.

Mk 10, 17–27

Harry neu

IMPULS
von Pastoralreferent Harald Petersen

Liebe Schwestern und Brüder,

vor dem heutigen Evangelium zittern nicht nur die Jünger Jesu, sondern auch die meisten Prediger und Predigerinnen, die ich kenne. Wie soll man die altbekannten und sprichwörtlich gewordenen Worte Jesu vom Kamel, das kopfschüttelnd vor dem Nadelöhr steht, auslegen, ohne wie die Jünger zu dem Schluss zu kommen, „wer kann dann noch gerettet werden?“

So enden viele Predigten in dem Versuch, das Nadelöhr, unter dem Einsatz theologischer Stemmeisen und exegetischer Zangen, doch noch zum Tor, oder wenigsten zur Tür aufzubiegen.

Z.B. gab es da folgende Theorie: „Mit Nadelöhr sei ein enges Tor in der Stadtmauer von Jerusalem gemeint, durch das ein ausgewachsenes Kamel nicht hindurchgepasst habe.“ Leider sagen die meisten Historiker heute, dass es dieses Tor nie gegeben hat.

Der Karmeliterpater Reinhard Körner geht in seinem Buch Jesus braucht Kleinbauern einen anderen Weg. Er lässt das Nadelöhr ein Nadelöhr sein und widmet sich lieber dem anderen Ende des Problems, dem Kamel. Laut Körner besteht der einzige Weg um das Kamel durch das Nadelöhr, also im Klartext uns selbst in den Himmel zu bekommen wollen, nicht darin, die Öffnung größer, sondern uns selbst kleiner zu machen.

Um zu verstehen, was Körner meint, müssen wir zunächst die hohen Hallen der Theologie verlassen und uns dahin begeben wo die Rede vom Kamel und dem Nadelöhr mutmaßlich ihren Anfang genommen hat: Nach Nazareth ins Haus des Zimmermanns:

„Als […] Jesus noch klein war und seiner Mutter mal beim Nähen zuschaute, da brauchte Mirjam einen möglichst dicken Faden. »Jeschu, hilf mir einen dicken Faden suchen!«, rief sie ihrem Jungen zu, und der sprang sofort auf und suchte mit. Einige Schnüre fanden sie, zwei sogar in seiner Rocktasche, aber sie waren alle entweder zu kurz oder schon so arg zerdröselt, dass Mirjam sie nicht gebrauchen konnte.

»Der Ziegenstrick!«, kams Jesus plötzlich in den Sinn, und dieser Eingebung folgend, lief er schnell zum Ziegenstall. Doch als er mit seinem Fund angelaufen gekommen war, musste ihm die Mutter sagen: »Sieh mal, Jeschu, der ist viel zu dick, der passt nicht durchs Nadelöhr!« - Wieder was gelernt! Von Mutter Mirjam.“ (Reinhard Körner, Jesus braucht Kleinbauern. Münsterschwarzach, S. 26)

Natürlich ist diese kleine Episode von Körner ausgedacht. In einem hat er aber sicher recht, irgendwoher muss Jesus ja gewusst haben, dass ein dicker Strick eben nicht durch ein Nadelöhr passt.

Jetzt wundern sie sich sicher, warum auf einmal von einem Strick und nicht mehr von einem Kamel die Rede ist. Wie wird aus einem Kamel ein Strick oder anders aus einem Strick ein Kamel?

Lesen wir, was Körner weiter schreibt. Der Strick wurde zum Kamel, weil „irgendeinem lieben frühen Christenmenschen ein Abschreibfehler unterlaufen ist. Als er das aramäische Jesuswort handschriftlich kopierte […], hat er aus reiner Schussligkeit statt »gamta«, was Seil, Strick oder Tau bedeutet, »gamal« hingeschrieben; und »gamal« heißt auf Aramäisch Kamel.

[…] Keiner der drei Evangelisten hat gemerkt, dass da was nicht stimmt. Gar nicht stimmen kann! Den Bibelübersetzern und Theologen ist das natürlich auch nicht aufgefallen. Über fast zwei Jahrtausende hin nicht!“ (Reinhard Körner, Jesus braucht Kleinbauern. Münsterschwarzach, S. 28)

So lautet zumindest die Theorie Reinhard Körners und auch einiger anderer namhafter Theologen.

Auch für mich ergibt das Bild vom Strick, der nicht durch’s Nadelöhr passt ein sinnvolles Bild. So klingt es tatsächlich nach einem Sprichwort, das unter Hausfrauen, Handwerkern und Kleinbauern vor 2000 Jahren in Galiläa gebräuchlich gewesen sein könnte.

Alles schön und gut. Jetzt haben wir also aus Kamelhaar einen Strick gedreht. Dummerweise wird uns aber auch der noch zum Verhängnis. Auch wenn die Sache nicht mehr ganz so aussichtslos erscheint wie zuvor.

Aber auch mit dem Strick kommen wir nicht durch’s Nadelöhr, egal ob an dem Strick hinten noch ein Kamel dran hängt oder nicht. Beides ist zu groß und die Botschaft bleibt gleich:

Wer sich selbst großmacht, wessen Wohlstandsbauch allmählich dicker und dicker wird; wer sich mit ausgefahrenen Ellbogen breit macht, wer großkopfert daherkommt und seinen ganzen Reichtum wie eine Karawane mit sich herumschleppt, der passt nicht ins Reich Gottes hinein – traurig, aber wahr!

Oder anders gesagt, dass das Reich Gottes passt nicht in ihn hinein. Denn das Reich Gottes ist ja nicht ein bestimmter Ort, eine ummauerte Stadt oder tatsächlich ein Nadelöhr. Das Reich Gottes ist ganz einfach überall dort, wo Menschen die Herrschaft Gottes anerkennen.

Wenn der Thron, den ich mich unterwerfe, schon besetzt ist, wenn mich die Sorge um Reichtum und Wohlstand regieren, wie soll Gott dann das Sagen haben?

Wenn mein Herz komplett mit mir selbst ausgefüllt ist, wie soll dort dann noch Platz sein für meine Mitmenschen?

„Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!“

Mir gefällt die Idee Reinhard Körners sehr gut, sich nicht daran abzuarbeiten das Nadelöhr zum Tor aufzubiegen, sondern lieber zu versuchen das Kamel, also mich und mein Ego nicht zu groß werden zu lassen.

Aus dem altbekannten und etwas abgenutzten Sprichwort vom Kamel und dem Nadelöhr einen Strick und ein Nadelöhr zu machen löst zwar noch nicht mein Problem. Es hilft mir aber durchaus dabei die frohe Botschaft Jesu wieder neu zu hören und durch meine (Nadel-) Ohren in Kopf und Herz zu lassen.

In einem hat Reinhard Körner nämlich ganz sicher recht: „Wer das Reich Gottes nicht in sein Herz lässt – der ist wirklich ein Kamel.“

Amen.

Ihr Harald Petersen