Pfarrverband Feldkirchen-Höhenrain-Laus

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Impuls zum 30. Sonntag im Jahreskreis

24. Oktober 2021
Den Impuls können Sie hier herunterladen und ausdrucken...(pdf)
Vielleicht wollen Sie diesen Text auch einer lieben Nachbarin, einem netten Nachbarn, die keinen Zugang zum Internet haben, mit einem Gruß versehen in den Briefkasten werfen.

Schnecke

Evangelium

In jener Zeit,
als Jesus mit seinen Jüngern und einer großen Menschenmenge Jéricho verließ, saß am Weg ein blinder Bettler, Bartimäus, der Sohn des Timäus.

Sobald er hörte, dass es Jesus von Nazaret war, rief er laut: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!

Viele befahlen ihm zu schweigen. Er aber schrie noch viel lauter: Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!

Jesus blieb stehen und sagte: Ruft ihn her! Sie riefen den Blinden und sagten zu ihm: Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich.

Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu.
Und Jesus fragte ihn: Was willst du, dass ich dir tue? Der Blinde antwortete: Rabbúni, ich möchte sehen können.

Da sagte Jesus zu ihm: Geh! Dein Glaube hat dich gerettet. Im gleichen Augenblick konnte er sehen und er folgte Jesus auf seinem Weg nach.
 
Mk 10, 46b–52

Harald Petersen noch neuer

IMPULS
von Pastoralreferent Harald Petersen

Liebe Schwestern und Brüder,
im biblischen „Who is Who“ geht es diesen Herbst wirklich Schlag auf Schlag. Letzten Sonntag sind wir im Evangelium Zachäus und den Zachäus-Christen begegnet. Diesen Sonntag treffen wir auf den berühmten Bartimäus.

Mit Bartimäus oder besser gesagt mit seiner Geschichte fühle ich mich schon lange verbunden und das obwohl oder vielleicht, gerade weil unsere „Freundschaft“ mit einem Missverständnis begonnen hat.

Jedes Mal, wenn ich als Jugendlicher das Evangelium vom blinden Bartimäus gehört habe, konnte ich nicht anders als mich über die, zumindest auf dem ersten Blick, recht seltsame Frage zu wundern: „Was willst du, dass ich dir tue?“

Was für eine Frage? Was soll sich ein Blinder schon anderes wünschen als wieder sehen zu können.

Anfangs habe ich wohl einfach darauf vertraut, dass Jesus schon wissen wird was er tut und warum er diese Frage stellt. Verstanden habe ich sie trotzdem nicht.

Im Laufe meiner Ausbildung zum Seelsorger ist mir ganz besonders diese Frage Jesu dann aber immer wichtiger geworden. Müsste ich mich heute entscheiden, würde ich sie als wichtigste aller seelsorgerlichen Fragen nennen.

Warum das so ist, möchte ich versuchen ihnen zu erklären.

„Als Jesus mit seinen Jüngern und einer großen Menschenmenge Jéricho verließ, saß am Weg ein blinder Bettler, Bartimäus, der Sohn des Timäus.“
Es scheint als sei der blinde Bettler am Stadttor für die Leute von Jéricho kein Unbekannter. Man kennt sich beim Namen.

Ich stelle mir vor, dass Bartimäus für die meisten Menschen, die auf der Straße von und nach Jericho unterwegs waren, zum alltäglichen Stadtbild gehörte. Vielleicht ein bisschen so, wie die Verkäuferinnen und Verkäufer der Zeitschrift BISS in München. Auch sie haben ihre festen Standplätze und sind bei den regemäßigen Passantinnen und Berufspendlern gut bekannt.

Wenn wir genau hinhören, scheint auch die Lage des blinden Bettlers nicht die schlechteste zu sein. Sein prominenter Platz am Stadttor spricht von einer guten Stellung innerhalb der Hierarchie unter den Bettelnden. Die Tatsache, dass er einen Mantel (damals ein beträchtlicher Wertgegenstand) besaß lässt darauf schließen, dass die Geschäfte nicht schlecht liefen.

Ich mag das Leben als Bettler am Rande der Stadt, am Rande der Gesellschaft damals wie heute ganz sicher nicht verharmlosen oder romantisieren. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass Bartimäus sein Leben ganz gut in der Hand hatte.

Um die Frage Jesu „Was willst du, dass ich dir tue?“ besser verstehen zu können, finde ich es wichtig, den guten Bartimäus zuerst aus seiner Opferrolle herauszuholen.

Zumindest glaube ich, dass Jesus unter anderem genau das mit der Frage bezwecken möchte. Bartimäus ist aus eigener Kraft auf Jesus zugegangen und hat sich sogar gegen Widerstand zu ihm durchgekämpft.

Jesus lässt ihn weiterhin aktiv und selbstbestimmt sein. Er gibt nicht vor zu wissen, was gut oder das Beste für Bartimäus sei. Er stülpt ihm die Heilung nicht über, sondern lässt ihn an seinem Entwicklungs- und Heilungsprozess beteiligt sein. Empowerment würde man das in der Sozialpädagogik nennen.

In meiner Seelsorgeausbildung wurde versucht, mir eben diese Haltung zu vermitteln. Zusammengefasst heißt sie in meiner liebsten Form: Ein guter Seelsorger muss vor allem langsam, dumm und faul sein.

Klingt paradox und lustig, ist aber durchaus sehr ernst gemeint und verdeutlich auf zugespitzte Weise genau das, was der große Pädagoge und Seelsorger Jesus hier vormacht.

Langsamkeit oder besser Verlangsamung bewahrt davor sich zu schnell eine Meinung zu bilden, zu urteilen oder scheinbar Offensichtliches und Oberflächliches als gegeben anzunehmen.

Dummheit oder die Haltung der Nichtwissenheit hilft ungemein dabei sich wirklich auf das Gegenüber einzulassen. Wer nichts weiß, der muss viele Fragen stellen und wer fragt, der interessiert sich auch.

Und schließlich die Erlaubnis faul zu sein und nicht für andere zu denken, zu sprechen und zu handeln, sondern sie dabei zu unterstützen und sie zu befähigen selbst Kontrolle und Verantwortung zu übernehmen.

Darüber hinaus ist mir in letzter Zeit noch eine weitere gute Begründung für die Frage Jesu: „Was willst du, dass ich dir tue?“ bewusst geworden. Die Frage gibt dem Bartimäus noch einmal die Gelegenheit sich bewusst zu machen, welche Konsequenzen seine Bitte mit sich bringt.

Letzten Sonntag ließ die Bibel die Frage, was aus Zachäus und seinem Leben nach der Begegnung mit Jesus wurde, offen. Von Bartimäus berichtet sie: „und er folgte Jesus auf seinem Weg nach.“

Als Sehender kann Bartimäus nicht mehr zurück in sein altes Leben als blinder Bettler am Stadttor von Jéricho. Seine Heilung und sein Glaube haben Konsequenzen.

Wenn ich so darüber nachdenke, was ich mir im Laufe meines Lebens schon alles von Gott erbeten oder gewünscht habe, bin ich im Nachhinein Jesus für so manche Rückfrage mehr als dankbar.

„Was willst du, dass ich dir tue?“

Diese Frage hilft mir einerseits mit meinen Wünschen und Erwartungen an Gott vorsichtiger und zurückhaltender zu sein. Sie fordert mich heraus, mir erst einmal selbst klar zu werden, was ich wirklich will, bevor ich lauthals um Erbarmen rufe.

Und anderseits ermutigt sie mich um das, was mir wichtig ist, was ich mir von Herzen wünsche, wofür ich bereit bin mein Leben zu verändern laut und selbstbewusst einzutreten.

„Der Blinde antwortete: Rabbúni, ich möchte sehen können.“

Als Kind Gottes darf ich, wie Bartimäus, die Frage Jesu entschieden beantworten, ich darf bitten – beten.

Für Letzteres gilt für mich deshalb ein guter Rat, den ich selbst einmal bekommen habe und den ich gerne mit Ihnen teile: Sei vorsichtig warum du Gott bittest, es könnte in Erfüllung gehen.
 
Ihr Harald Petersen