PV Logo

Archiv 2020

Krippe der Stiftskirche St. Laurentius – ein Juwel der Krippenbaukunst

Kirchenkrippe2020_3

Barockkrippe2020-3

Barockrippe_4

Geburt Christi

Barockkrippe_5

Besucher bei der Barockkrippe

Obermesner Matthias Sutor rettet 1815 Krippe aus Flammeninferno.
Alljährlich ab dem 1. Adventssonntag ist in der Tittmoninger Stiftskirche die wunderschöne Barockkrippe zu bestaunen. Besuchen kann man die Krippe zu folgenden Zeiten:
Montag bis Freitag von 14:00 Uhr bis 17:30 Uhr und Samstag und Sonntag von 9:00 Uhr bis 17:30 Uhr.
Gruppenführungen können jederzeit im Pfarramt angemeldet werden. Telefon: 08683-263, Mail: st-laurentius.tittmoning@erzbistum-muenchen.de.

Warum gibt es in Tittmoning eine so schöne und prächtige Krippe?
„Eine Weihnachtskrippe ist die Darstellung der Geburt Christi aus der Weihnachtsgeschichte, durch Figuren in einer Modelllandschaft Betlehems“, so berichtet ein Lexikon. Die ersten Krippen gehen bis auf das Frühchristentum zurück, doch zeigten die Darstellungen der ersten Jahrhunderte nur das Jesuskind in der Krippe, flankiert von Ochs und Esel. Die Figur der Maria kam erst im Mittelalter hinzu, der hl. Josef sogar noch später. Hingegen gibt es seit dem 5. Jahrhundert die Darstellung der „drei Weisen“ aus dem Morgenland, die ihre Geschenke dem Christkind darbringen.
Doch warum wurde die Krippe überhaupt erfunden?
Im Frühchristentum konnte kaum jemand lesen. Den Menschen der damaligen Zeit konnte nur durch Vorlesen und durch das Zeigen von Bildern das Evangelium näher gebracht werden. Die Liturgie der Kirche und auch die Heilige Schrift, die Bibel, war in lateinischer Sprache verfasst, sprich für Laien unverständlich. Besonders in der Weihnachtszeit wollte man den Menschen die Geburt des Erlösers, unseres Herrn Jesus Christus, so nah wie möglich bringen. So wurde die Krippe erfunden, bildliche und figürliche Darstellung von der Geburt des Herrn. Im Mittelalter gab es dann in vielen Kirchen Krippen für das gesamte Kirchenjahr, die entsprechend den Sonntagstexten umgestaltet wurden.
Anfänge der Tittmoninger Krippe
Die erste Tittmoninger Krippe dürfte auch im Mittelalter entstanden sein. Hierzu gibt es allerdings keine Belege. Zudem dürfte die Krippe, wie die gesamte Stiftskirche, ein Raub der Flammen geworden sein beim großen Stadtbrand von 1571. Ab dem Ende des 16. Jahrhunderts hielt der Barock Einzug in die Gotteshäuser des Fürsterzbistums Salzburg. Tittmoning gehörte bis 1803 zu diesem Kirchenstaat. Man erbaute zur Ehre Gottes wunderschöne, prächtige und künstlerische Kirchen. Ebenso wurden die Krippen dem Zeitgeschmack angepasst. Die bereits vorhandenen Figuren wurden barockisiert oder komplett neu angefertigt. Aus dieser Zeit stammen auch die ältesten Figuren der Tittmoninger Krippe. Es handelt sich hierbei um das Christkind, die Gottesmutter Maria und die Engel. Wer die Figuren angefertigt hat, ist leider nicht überliefert. Eine Rechnung aus dem Pfarrarchiv hält fest, dass der berühmte Wachsposier Johann Baptist Cetto 1706 diese Figuren renoviert bzw. ergänzt hat. Wachsposier Cetto hat auch in den folgenden Jahren mitgeholfen, die Krippe aufzubauen und hat immer wieder kleinere Ergänzungen vorgenommen. Bei allen Figuren der Tittmoninger Krippe handelt es sich um Gliederpuppen, das heißt: Kopf, Arme und Beine sind aus Wachs oder Holz. Der Rumpf der Figur kann aus einem Stück Holz, einem mit Sägemehl gefüllten Stoffbeutel oder einem alten Gebetbuch sein. Diese drei Varianten wurden bei den Restaurierungen immer wieder entdeckt. Die Arme und Beine sind mit Draht an dem Rumpf befestigt und somit beweglich, ein großer Vorteil dahingehend, dass man die Körperhaltung und Mimik der Figuren dem aktuellen Anlass anpassen kann. Die Gesichter sind aus Wachs modelliert und mit Kreide überzogen. Die Augen der Figuren sind aus mundgeblasenem Glas und in das Wachs hinein modelliert, eine Arbeit, die so zeitaufwendig ist, dass sie heute fast unbezahlbar geworden ist. Im Laufe der Zeit wurden immer wieder Neuanschaffungen für die Krippe der Stiftskirche getätigt. So wuchs der Krippenfundus mit den Jahren auf eine beachtliche Größe. Die Blütezeit der Krippen fand mit der Säkularisation um 1803 ein schnelles und jähes Ende, da die Kirchen durch finanzielle Misslage nicht mehr im Stande waren, die gewaltigen Krippenszenerien zu erhalten und zu pflegen. Es wurde auch von der Obrigkeit nicht mehr gern gesehen, Krippen in den Kirchen auszustellen. Unter Fürsterbischof Colloredo gab es sogar zeitweise ein komplettes Verbot, Krippen in den Gotteshäusern aufzubauen. Ein sehr schwerer Schicksalsschlag war für die Tittmoninger Pfarrei der Kirchenbrand im Jahre 1815. Die gesamte Kirche brannte lichterloh. Nur die Kreuzkapelle und die beiden Sakristeien, links und rechts an den Chorraum angefügt, überstanden gücklicherweise die Katastrophe. In der Sakristei an der Südseite waren alle Krippenfiguren eingelagert, welche durch den damaligen Obermesner Matthias Sutor unter Lebensgefahr gerettet werden konnten. Vor einigen Jahren machte man bei der Restaurierung der Schafe der Krippe eine erstaunliche Entdeckung. Nach dem Entfernen der oberen Farbschichten kamen Brandflecken und Ruß zum Vorschein. Ein Zeichen dafür, dass diese Figuren nur in letzter Sekunde vor den Flammen gerettet werden konnten. Ab ca. 1850 erinnerten sich die Tittmoninger Bürger wieder an ihre schöne und prächtige Krippe. Allerdings war leider kein Geld vorhanden, um diese einer dringend notwendigen Restaurierung zu unterziehen. Der „70er“ Krieg und die beiden Weltkriege machten alle Pläne einer Renovierung ebenso zu Nichte. Stark zugesetzt hat unserer Krippe der Zweite Weltkrieg. Ausgelagert in den Kriegsjahren auf der Tittmoninger Burg, kam sie in den Nachkriegsjahren wieder zurück in unsere Kirche. Der Schock war groß, als man die Krippe näher betrachtete. Viele Figuren waren stark ramponiert. Die Kleidung war von Motten zerfressen und die Arme und Beine der Figuren waren durch die Feuchtigkeit morsch geworden. Leider ging durch die Auslagerung auch eine komplette Szenerie verloren: Die Hochzeit zu Kanaan. Nur einige Figuren der Hochzeitsgesellschaft sind heute noch erhalten. Sie können im Heimatmuseum Rupertiwinkel, auf der Tittmoninger Burg, im Rahmen einer Führung besichtigt werden. In den Jahren von 1960 bis 1970 retteten beherzte Pfarrangehörige die Krippe vor dem endgültigen Aus. Viele Tittmoninger Frauen erwarben sich in dieser Zeit besondere Verdienste. Über einen sehr langen Zeitraum kleideten sie alle Figuren im Stil der 70er Jahre mit Lurexstoffen neu ein. Welche Pracht musste das damals gewesen sein, als sich die Krippe mit den farbenfrohen und funkelnden neuen Gewändern präsentierte! Wären diese Frauen und der damalige Mesner Ernst Mayer nicht gewesen, hätten Motten, Holzwurm und Feuchtigkeit der Tittmoninger Krippengeschichte ein endgültiges Aus gesetzt.

Die Krippe heute Heute beinhaltet der Krippenfundus der Stiftskirche über 100 Figuren. Die kleinsten Figuren messen gerade einmal zehn Centimeter, die größten bringen es auf fast einen Meter. Insgesamt werden mit denFiguren sieben Szenen dargestellt. Ende der 70iger Jahre wurden einige Figuren der Krippe aus der Klosterkirche in den Krippenfundus der Stiftskirche übertragen. Diese Figuren wurden von den Englischen Fräuleins bei ihrem Weggang aus Tittmoning, zurück gelassen. Aufgebaut wird die Krippe alljährlich zum ersten Adventssonntag. In der ersten Szene wird die Verkündigung des Erzengels Gabriel an Maria dargestellt. Die zweite Szene zeigt Mariä Heimsuchung. Maria eilt übers Gebirge zur Base Elisabeth und bricht in den berühmten Lobgesang, das Magnificat, aus. Die dritte Szene zeigt die Herbergssuche. Maria und Josef suchen vergebens eine Herberge in der Stadt Betlehem.Die vierte Szene stellt die Geburt des Herrn da. Heerscharen von Engeln umschweben die ärmliche Unterkunft der Heiligen Familie. In der Krippe liegt das Kind in Windeln gehüllt. Links und rechts von der Krippe stehen Maria und Josef und behüten den Schlaf des Kindes. Überall von Feldern der Umgebung kommen die Hirten herbei geeilt. Ein Engel verkündet ihnen, dass ihr Retter heute in dieser Nacht geboren worden ist. Die fünfte und wohl aufwendigste Szene ist die Anbetung durch die Heiligen Drei Könige. Sie kommen mit ihrem gesamten Hofstaat, um dem Christkind zu huldigen und bringen Gold, Weihrauch und Myrrhe als Geschenke dar. Seit 2012 ist auch die Königin von Saba mit ihrer Dienerschaft im Königszug dargestellt. Sie wird von vier Dienern auf einer Sänfte getragen und ist reich behangen mit Seide, Gold und Edelsteinen.Ebenso kann man seit zwei Jahren König Salomon wieder in der Krippe bewundern! Endlich muss dieKönigin von Saba nicht mehr alleine nach Bethlehem reisen. König Salomon leistet ihr und ihrem Hofstaat nun Gesellschaft. Begleitet wird König Salomon von zwei Beratern. In der Tittmoninger Krippe reisen sie alle gemeinsam mit den Waisen aus dem Morgenland an. Die Königin von Saba und König Salomon konnten jedoch - historisch gesehen - gar nicht mit den „Drei Königen" an der Krippe Jesu erscheinen, da sie zur Zeit des Königs Salomo (961 - 931 v.Chr.) lebt. Eine historische Betrachtungsweise der „Huldigung der Könige" bzw. der „Magier" oder „Sterndeuter" jedoch wird der Erzählung des Matthäusevangeliums nicht gerecht. Dieser Erzählung geht es vielmehr um das Glaubensbekenntnis zu Jesus Christus als dem verheißenen Friedenskönig, zudem alle Völker sich auf den Weg machen, um ihm zu huldigen und ihm ihre Gaben zu bringen, wie es im Psalm 72,10 heißt: „Die Könige von Tarschisch und von den Inseln bringen Geschenke, die Könige von Saba und Seba kommen mit Gaben. Alle Könige müssen ihm huldigen, alle Völker ihm dienen.“ Oder bei Jesaja 60,2-3. 5-6: heißt es: „Über dir (Jerusalem) geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir. Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz. Der Reichtum des Meeres strömt dir zu, die Schätze der Völker kommen zu dir. Zahllose Kamele bedecken dein Land, Dromedare aus Midian und Efa. Alle kommen von Saba, bringen Weihrauch und Gold und verkünden die ruhmreichen Taten des Herrn.“ Diese beiden Erzählungen kann man durchaus als eine Art Vorbild für die Geschichte des Matthäus betrachten: Die Huldigung der Königin von Saba mit all ihren Schätzen findet ihre Entsprechung und Erfüllung in der Huldigung vor dem Kind von Bethlehem. So hat jemand einmal damit angefangen, die Königin von Saba zusammen mit König Salomon an die Krippe zu stellen. Andere haben es übernommen und so sind historische Daten, Volkswaisen und ein wenig Märchen miteinander verschmolzen. Die Kernaussage könnte lauten: An der Krippe sind alle vereint! Die Armen, dargestellt durch die Hirten, mit den Reichen, die heiligen drei Könige, König Salomon und die Königin von Saba. Im letzten Jahrhundert wurde König Salomon, wohl wegen Unwissenheit, zu einem Diener der drei Könige degradiert. Jetzt bei der Restaurierung der Figuren wurde er und seine königliche Abstammung jedochwieder entdeckt! So ist die Krippe wieder um eine Rarität reicher. Das sechste Szenario stellt die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten dar. Josef führt sicher den Esel, auf dem Maria und das Jesuskind sitzen, durch das Dunkel der Nacht in das Land des Pharao.Siebte und letzte Szene zeigt das „Haus Nazareth“. Jesus ist bereits zum Knaben herangewachsen und hilft seinem Pflegevater Josef bei Holzarbeiten im Garten. Maria hat bereits die Brotzeit im Haus vorbereitet und vertreibt sich die Wartezeit mit spinnen.Der Großteil der Figuren wurde ab 1995 bis 2014 auf Initiative von Stiftsdekan Michael Wehrsdorf restauriert. Rosi Bauer aus Siegsdorf führte alle notwendigen Renovierungsarbeiten aus und hat mir Ihrer Fachkompetenz wesentlich zum Erhalt der Tittmoninger Krippe beigetragen.Jedes Jahr endet nach dem Fest Mariä Lichtmess die Krippensaison in Tittmoning. Der Mesner und seine Helfer verstauen daran anschließend wieder alle Figuren gut in den Schränken der Sakristei.Ohne Zweifel kann gesagt werden, dass die Tittmoninger Krippe zu den schönsten, größten und prächtigsten Krippen in unserer Region zählt. In der Kreuzkapelle findet sie alljährlich eine wunderbare und passende Kulisse. Keine andere Krippe ist bekannt, in der Geburt, Tod und Auferstehung, man könnte auch sagen der Lebensweg unseres Herrn, gleichzeitig dargestellt wird. Mitder Krippe wird die Geburt des Herrn dargestellt, am Kreuz im Altar der Kreuzkapelle sehen wir Christus den Gekreuzigten und im Fenster links sehen wir den Triumph Jesus Christus über den Tod.

Text: Rainer Zimmermann, Mesner