St. Johannes der Täufer

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Der Gnadenstuhl des Meisters von Rabenden

Gnadenstuhl
"Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn ge rettet wird." (Joh 3, 16 f).
Den Hochaltar der Pfarrkirche Sankt Johannes d. T. in Schweitenkirchen ziert ein vortreffliches Schnitzwerk: der Gnadenstuhl.
Prälat Dr. Sigmund Benker, der Diözesanarchivar des Archivs des Erzbistums München und Freising, wertet die Gnadenstuhlgruppe als ein Werk des Meisters von Rabenden und stellt dazu fest:
Die Kunst des 16. Jahrhunderts ist auch in Bayern ein Spiegel der regen geistigen Bewegung, die zur Abkehr von den festen Formen des Mittelalters führte.
Unter den Bildhauern Altbayerns ist, neben dem Genie Hans Leinberger, der sogenannte "Meister von Rabenden" führend in der Findung neuer Ausdrucksmöglichkeiten. Wir kennen seinen Namen nicht und müssen ihn daher nach seinem Hauptwerk, dem Hochaltar der Kirche von Rabenden im Chiemgau, benennen. Dieser Altar entstand um 1515.
Ein weiteres hervorragendes Meisterwerk von ihm ist die Plastik des Gnadenstuhles in der Kirche Heilig Blut bei Rosenheim. Dieser Figur ganz nahe steht die große Gruppe im Hochaltar von Schweitenkirchen.
Der Inhalt dieses Bildes ist die durch die göttliche Dreifaltigkeit gewirkte Erlösung. Gott Vater hält den starren, entseelten Leib des Sohnes auf seinem Schoß, der Heilige Geist schwebt bestätigend darüber. Der Leib Christi wird vom Vater dem Beschauer gezeigt. Zum einen wird damit die Menschenliebe Gottes, der seinen Sohn zur Erlösung der Menschheit in den Tod gab, veranschaulicht; zum anderen erinnert der vorgewiesene Leib Christi an den Herrenleib im Sakrament der Eucharistie. Der Gnadenstuhl ist also ein Bild der Dreifaltigkeit, der Erlösung und der Eucharistie zugleich.
Für die Darstellung in Heilig Blut und in Schweitenkirchen hat sich der Meister von dem großartigen Holzschnitt Albrecht Dürers (1511) anregen lassen. Dürer freilich hat sein Bild in die Wolken verlegt, während die beiden Bildhauerwerke eine Thronbank mit einem Sockel benutzen. Das kraftlose Herabhängen der Füße Christi ist in der Schweitenkirchener Gruppe eindrucksvoller als in Heilig Blut mit der veränderten Situierung verbunden worden. Die steilere, weniger in die Breite gehende, Schweitenkirchener Gruppe ist auch in der Darstellung des Schmerzes und der Starrheit leidenschaftlicher und eindrucksvoller als die Gruppe von Heilig Blut, über der mehr milde Ausgeglichenheit liegt.
Die Schweitenkirchener Gruppe dürfte daher eher entstanden sein, nahe am Rabendener Altar, wo der hl. Jakobus ein dem Gottvater sehr verwandtes Antlitz zeigt. Die schöpferische Kraft, die aus dieser Gruppe spricht, erlaubt, sie ins eigenhändige Werk des Meisters einzureihen.
Eine Replik des Heilig-Blut-Gnadenstuhles in Innerbittlbach bei Isen und eine etwas andere Fassung des Themas in München-Solln erreichen nicht die Qualität dieser beiden Hauptwerke.
Zur Geschichte dieses Werkes kann angenommen werden, daß es die Mittelgruppe eines gotischen Schreinaltares war. Ob dieser Altar freilich in Schweitenkirchen gestanden hat, oder ob die Skulptur später dorthin gekommen ist, ist nicht feststellbar.
Die beiden Engelköpfe und die Thronwangen sind im 17. Jahrhundert hinzugefaßt worden, zeigen also, daß das Bildwerk damals wieder in einen neuen Altar eingefügt wurde. Auch die Heilig-Geist-Taube ist jünger.
Die Gruppe wird bei der Inventarisation des "Kunstdenkmals des Königreichs Bayern" 1889 zum ersten Mal erwähnt und ist auch auf einem Photo derselben Zeit im Auszug des damaligen Hochaltares erkennbar. Erst einige Zeit nach dem Neubau der Kirche (1909) erhielt sie ihren jetzigen Platz und eine neue Fassung.