Diözesanrat der Katholiken

Demokratisch gewählte Vertretung des Kirchenvolkes.
Der Diözesanrat repräsentiert mehr als 125.000 ehrenamtlich in Katholikenräten, Verbänden und Initiativen aktive katholische Frauen und Männer. Zu den Aufgaben des Diözesanrats gehört es, das wirtschaftliche, familiäre, gesellschaftliche und politische Umfeld so mitzugestalten, dass der Mensch gedeihen und sich entfalten kann.

Fürchtet euch nicht!

c Beuroner Kunstverlag www.klosterkunst.de
Manchmal wäre es schön, wenn wir bei all den schlechten Nachrichten und den Katastrophen dieser Welt einen Engel an unserer Seite hätten, der uns immer und immer wieder sagte: „Fürchte dich nicht!“

„Fürchte dich nicht“, ist gar nicht so einfach. War es noch nie. Wie sollten wir uns nicht fürchten vor der Zukunft, wenn wir momentan bereits die Gegenwart als extrem bedrückend erleben? Kaum fällt der erste Schnee und schon werden wir wieder und schier unaufhörlich von schweren Sorgen geplagt. Denn Angst und Bange muss uns werden angesichts der schrecklichen Berichte und Fernsehbilder von einer sich dramatisch zuspitzenden Situation in den Krankenhäusern und den Intensivstationen. Angst und Bange muss uns auch werden, wenn wir an unsere gespaltene Gesellschaft denken und an den Egoismus derer, die diesen Egotrip mit wirren Argumenten und individueller Freiheit rechtfertigen. Mit Angst und Bange erinnern wir uns an die Naturkatastrophen in diesem Jahr und an die düsteren Prognosen um das Klima. Angst und Bange sollte uns ferner werden, wenn wir uns die Weltschicksalsgemeinschaft vor Augen führen, in der nach wie vor die Rechte des Menschen mit Füßen getreten werden und wo unermessliches Leid millionenfach den Alltag beherrscht. Angst und Bange ist auch im Hinblick auf unsere Kirche angebracht, weil so viele Menschen es einfach nicht mehr aushalten in ihr und lieber ihr Glück und ihren Sinn woanders suchen. Die Aufzählung der aktuellen Bedrängnisse hat mindestens noch so viele Leerstellen wie das griechische Alphabet Buchstaben. Mit ihnen werden die Coronavarianten inzwischen bezeichnet, so dass bloß die Nennung neuer Typen innere Beklemmung auslöst.

„Angst und Bange“ – ja es gibt wahrlich genügend Gründe, uns vor diesen beiden Schurken zu fürchten, die uns überfallen wie der berühmte Dieb in der Nacht. Man muss schon reichlich ignorant und selbstverliebt sein, wenn wir ihre Einbruchsgeräusche in unseren Gemütszustand überhören. Wer aber hilft, wenn „Angst und Bange“ uns dominieren? Sind es die beiden Kumpels „Freude und Hoffnung“, von denen uns das Konzil berichtet und von denen wir momentan leider zu wenig mitbekommen? Oder ist es vielleicht doch jener Engel, der bei verschiedenen Gelegenheiten seinen Zuspruch an unterschiedliche Menschen richtet und offensichtlich schon zu biblischen Zeiten eine ganze Menge zu tun hatte?

Ist es tatsächlich eine „heile Welt“, die er verspricht? Ist es der Aufruf zum gelassenen Abwarten, weil Gott schon alles recht machen wird und wir uns deshalb betend und fromm in unser Schicksal ergeben können? Nein, der Engel, der dem Zacharias begegnet, der die Maria anspricht und den Joseph, der den Hirten auf dem Feld die Weihnachtsfreude verheißt, der die Heilige Familie zur Flucht nach Ägypten auffordert und der den Frauen schließlich die zentrale christliche Auferstehungsbotschaft verkündet, ist kein oberflächlicher Seelentröster und kein billiger Beschwichtiger. Dieser Engel macht ernst und meint es ernst. Bloße Schicksalsergebenheit ist nicht sein Ding. Vielmehr spricht er in unsere Unsicherheit, in unsere Tristesse, in unsere Beklemmung eine motivierende Zusage hinein, die uns aufrütteln will, die uns in Schwung versetzen soll und die uns aus der Schockstarre befreit: Fürchte dich nicht! Du bist nicht allein. Gott ist an deiner Seite. Jesus Christus ist dir nahe. Aber du musst schon auch selber etwas tun. Es reicht nicht, wenn Du jammerst und abwartest, was da noch alles geschieht. Der Himmel-Papa wird’s schon richten – nein, das ist nicht seine Botschaft. Sondern seine Botschaft lautet: Sei solidarisch! Liebe deinen Nächsten! Denk nicht nur an dich und deinesgleichen! Verlier nicht die Verantwortung für die ganze Welt und alle Menschen aus den Augen!

Also fürchte dich nicht und pack an! Trag deinen Teil bei, die Pandemie endlich zu beenden und schütze dich und andere aktiv vor Ansteckung! Sei dankbar für all das Gute, das dir begegnet, für die Wissenschaftler, die Ärzte, die Pflegenden und für alle Menschen, die sich haupt- und ehrenamtlich in den unterschiedlichsten Aufgabenfeldern mit beeindruckender Kompetenz und enorm viel Herzblut aufopferungsvoll in den Dienst anderer stellen und sich bis an die Grenzen der Erschöpfung in die Pflicht nehmen lassen. Ihnen gebührt größtmöglicher Dank und spürbare Wertschätzung. Setz also auch du dich ein, verschließ deine Ohren nicht vor dem Weckruf und kümmere dich vor allem um die Menschen, denen es nicht gut geht – in der Gesellschaft, in der Kirche und auf der ganzen Welt!

Das ist es doch, was an Weihnachten im Zentrum steht: Gott ist Mensch geworden, damit auch wir menschlicher werden. Diese Botschaft ist der Hammer. Wir sind Teil des göttlichen Heilswerks. Wir tragen Mitverantwortung für das Ganze. Eine schwere Bürde, aber keine, vor der wir uns fürchten müssten. Denn es gibt viele Engel, die uns dabei helfen. Und so wünsche ich uns allen, dass wir die Engel in unserem Leben erkennen, wenn sie uns begegnen und dass wir selber für andere zum Engel werden. Lassen wir uns wie die Hirten damals auf dem Feld von der weihnachtlichen Botschaft ermutigen und aufrütteln: "Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkündige euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.“ Mit ihm dürfen wir selbst in schwieriger Zeit zuversichtlich in die Zukunft blicken. Lassen wir uns vom Engel Gottes inspirieren. Schöpfen wir Freude, Kraft und Hoffnung aus der Gemeinschaft im Glauben und aus der Weihnachtsliturgie, ganz gleich, wie wir sie in diesem Jahr feiern können.

Und so wünsche ich Ihnen auch im Namen des Vorstands und aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Diözesanrats, dass Sie die Weihnachtstage im Kreise Ihrer Lieben möglichst unbeschwert genießen oder wenigstens all das Schwere und Traurige dieses Jahres vor Gott legen können. Gehen wir ohne Furcht in ein möglichst gutes, ein gesundes und ein gesegnetes neues Jahr. Wir gehen nicht allein.

In geschwisterlicher Verbundenheit
Ihr
 
Prof. Dr. Hans Tremmel
Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken
der Erzdiözese und Freising