Diözesanrat der Katholiken

Demokratisch gewählte Vertretung des Kirchenvolkes.
Der Diözesanrat repräsentiert mehr als 125.000 ehrenamtlich in Katholikenräten, Verbänden und Initiativen aktive katholische Frauen und Männer. Zu den Aufgaben des Diözesanrats gehört es, das wirtschaftliche, familiäre, gesellschaftliche und politische Umfeld so mitzugestalten, dass der Mensch gedeihen und sich entfalten kann.

Prof. Dr. Hans Tremmel: Bericht zur Lage Herbstvollversammlung des Diözesanrates

Tremmel VV 2022
Prof. Dr. Hans Tremmel
Bericht zur Lage
Herbstvollversammlung des Diözesanrates
am 14.10.2022 in Ohlstadt
[Es gilt das gesprochene Wort]

Sehr geehrter Herr Kardinal, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in meinem Bericht zur Lage möchte ich heute vor allem die übergreifenden Diskussionsprozesse in Erinnerung rufen, die uns Laien in den letzten Jahren unterschiedlich stark beschäftigt haben und dies weiterhin tun.
Das Projekt „Dem Glauben Zukunft geben“ haben viele noch in Erinnerung. 2010 bis 2015 fand als Reaktion auf die Veröffentlichungen der bis dato unvorstellbaren Verbrechen an Kindern im Raum der Kirche das Gesprächsforum „Im Heute glauben“ zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland auf Einladung der Deutschen Bischofskonferenz statt. Für die Erzdiözese ist weiterhin der „Gesamtstrategieprozess“ von großer Bedeutung, über den der Generalvikar in den letzten Vollversammlungen berichtet hat und der nun in seine Umsetzungsphase geht.

Seit 2019 befinden wir uns auf dem von der Bischofskonferenz und vom ZdK gemeinsam verantworteten und durch die MHG-Missbrauchsstudie angestoßenen „Synodalen Weg“. Er wird im Frühjahr 2023 nun seinen Abschluss finden und soll dann in einem bereits beschlossenen Synodalrat verstetigt werden.
Was hat das alles gebracht bzw. was kann insbesondere der „Synodale Weg“ bringen? Wie die meisten Synodalen habe ich mich mit den Papieren intensiv beschäftigt und auch im Vorfeld an zahlreichen Digitaltreffen und Hearings teilgenommen. Die allermeisten Texte sind sehr gelungen und deshalb aus meiner Sicht zustimmungsfähig.

Ich habe an verschiedenen Stellen – auch hier in der Vollversammlung –aber bereits deutlich gemacht, dass ich beim Text „Gemeinsam beraten und entscheiden“, bei dem es um die Synodalräte auf den unteren Ebenen geht, noch Veränderungsbedarf sehe, weil ich mich um unsere gewachsenen und bewährten Strukturen der Pfarrgemeinderäte, der Dekanatsräte und des Diözesanrats sorge. Im Vergleich zu manch anderen Diözesen sind wir bei den Räten nämlich weiter und verstehen uns nicht nur als Beratungs-, sondern insbesondere in gesellschaftspolitischen Themen durchaus als Entscheidungsgremium. Ein konstruktives Miteinander ist unabdingbar, der demokratische gewählte Vorsitz bei den Räten muss aber bei den Laien bleiben. Veränderungen und stärkere Vernetzung ja, aber wir sollten keine zusätzlichen Gremien einführen, wohl aber die jetzigen weiterentwickeln.

Kurz um, ich habe zusammen mit anderen Diözesanräten darauf hingewirkt, dass das zuständige Synodalforum und das Präsidium diesen Text in Frankfurt noch nicht wie ursprünglich geplant zur Abstimmung in die zweite Lesung gebracht haben. An diesem Papier gilt es noch zu feilen und das ist nun weiterhin möglich.
Leider nicht mehr im Bearbeitungsmodus ist der so wichtige und wirklich gelungene Grundlagentext über die katholische Sexualmoral. Ausgangspunkt für den „Synodalen Weg“ aber war das Thema sexueller Missbrauch. Und deshalb ist da nicht irgendein Papier am ersten Tag der IV. Synodalversammlung ausgebremst worden. Das Entsetzen im Saal konnte man sehen. Es kann nicht überraschen, dass die mediale Außenwirkung verheerend war.

Das Ergebnis selbst ist demokratisch zu akzeptieren, aber die Art und Weise wie eine Minderheit der Bischöfe diesen Text abgeschossen hat, war ein Skandal.
Nicht an den Papieren mitzuarbeiten, die eigene Position im Vorfeld nicht zu artikulieren oder gar zu begründen und dann einfach dagegen zu stimmen, so dass eine dritte Lesung gar nicht erst möglich wird, ist inakzeptabel. Grundsätzlich und von vorneherein gegen alles zu sein, ist keine synodale Haltung. Nur nicht auffallen, anonym abstimmen, sich hinter der vermeintlich unantastbaren Lehre verstecken, auf die Bremser und Reform-Verhinderer aus dem Vatikan hoffen, Zeit schinden durch den Verweis auf die Weltbischofssynode, das ist für Führungskräfte der Kirche beschämend.

Über 60 Prozent der Bischöfe sahen das genauso und haben ihren Ärger artikuliert und adressiert. Die Synodalversammlung hat dann jedoch aus dem Fiasko des Donnerstags gelernt. Das Synodalpräsidium, Bischof Bätzing als Vorsitzender und die Bischofskonferenz insgesamt haben mit den Zwischenberatungen die schwer angeschlagene Kuh im weiteren Verlauf wieder vom Eis bekommen, sonst hätten die allermeisten Synodalen und gerade die ehrenamtlichen Vertreter des ZdK wohl aufgrund der Sinnlosigkeit des Unterfangens sofort ihre Koffer gepackt.

Einige Bischöfe, die öffentlich immer wieder ihre Bedenken zu den Reformen geäußert und begründet haben, verdienen meinen Respekt, auch wenn ich ihre Positionen nicht teile. Der Plan der übrigen Minoritäts-Bischöfe und notorischen Wahrheitsbesitzer ist offensichtlich nicht aufgegangen. Sie mussten in Frankfurt Farbe bekennen, auch wegen der namentlichen Abstimmungen, die nicht zuletzt in den Heimatdiözesen mit manchem Erstaunen zur Kenntnis genommen wurde.
Ich sage es erneut, wer nach dem furchtbaren Missbrauchsgeschehen alles so lassen will, wie es ist, verschwendet unser aller Zeit mit ergebnislosen Laber-Runden.

Davon hatten wir in den letzten Jahren genug. Wenn der „Synodale Weg“ lediglich ein dogmatischer Rundkurs bleibt, bei dem am Ende die Liebe der Menschen und zu den Menschen und der diakonische Grundauftrag zu kurz kommen, dann können wir es auch lassen.
Die wenigsten wollen das. Durch den „Synodalen Weg“ wird vielmehr der breite Reformwille der Kirche in Deutschland deutlich erkennbar. Denn nicht wer in den Kreisverkehr rein-, sondern wer rausfährt, muss den Blinker setzen und eine bestimmte Richtungsänderung anzeigen. Wer als Bischof die Einladung an das ZdK und an alle Katholikinnen ausspricht, sich auf einen synodalen Weg zu machen, aber nur um mit allen anderen dann permanent im Rundkurs der Tradition und der festgesetzten Lehre zu bleiben, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt, produziert nur Frust und zusätzlich Stau, statt den Reformstau um der Menschen willen endlich aufzulösen. Die dümmlichen Aussagen mancher Kurienkardinäle will ich hier nicht weiter kommentieren.
Inzwischen haben wir zumindest in Frankfurt gelernt, dass wir mit genügend Diskussionszeit und echter synodaler Beratung gemeinsam eine gute Richtung für die gesamte Kirche Jesu Christi einschlagen und wirklich Innovatives auf den synodalen Weg in Deutschland und weltweit bringen können. Der „Synodale Weg“ ist kein Spaziergang, das war uns klar. Er ist eine Alpenüberquerung. Unser erklärtes Ziel dabei aber ist Rom und nicht Canossa. Wir sind nicht als Bittsteller unterwegs.

Liebe Schwestern und Brüder, schauen Sie sich bitte die Texte und die theologische Qualität der dahinter liegenden Arbeit an. Darauf können wir hierzulande wirklich stolz sein. Die internationalen Beobachter haben das immer wieder betont. Es sind bisher abertausende an ehrenamtlichen Arbeitsstunden in das Projekt eingeflossen und eine enorme Expertise. Ich habe weiterhin die Hoffnung, dass es sich lohnt.

Die von Kardinal Marx bei der letzten Vollversammlung angeregte Arbeitsgruppe um den Generalvikar ist momentan übrigens dabei, die konkrete Umsetzung der Synodalbeschlüsse speziell für unsere Diözese zu erarbeiten. Hierzu werden dann auch die synodalen Gremien der Diözese entsprechend eingebunden.
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Im zweiten Teil meiner Ansprache möchte ich als scheidender Vorsitzender nun doch noch etwas persönlich werden.
Gemeinsam sind wir unterwegs in all unseren Gremien – und das ist gut so. Mir war es dabei in der Regel wichtiger, ethische Kompromisse oder gar Konsens zu finden, als übermäßig zu polarisieren. Gleichwohl habe ich meine eigenen Positionen, wie Sie wissen, durchaus pointiert vertreten.
Wenn etwas gelingt, wie unsere 50-Jahrfeier, dann ist die geteilte Freude umso schöner und die Gemeinschaft trägt auch über die Sitzungen hinaus. Aber der Gremienkatholizismus, das darf ich vor Ihnen freimütig bekennen, ist gelegentlich schon auch arg mühsam. Es wird getagt und beraten, manchmal auch beschlossen und gelegentlich sogar umgesetzt. Es werden unzählige Papiere gelesen und neue erarbeitet. In diese ehrenamtliche Arbeit fließt Energie, Nerven, Herzblut, Kompetenz, Geld und nicht zuletzt ganz viel Lebenszeit. Wer es als Ehrenamtlicher ernst nimmt, wird bisweilen an seine Grenzen kommen.

Und nicht immer läuft alles konfliktfrei. Gelegentlich hat man es durchaus mit unangenehmen Zeitgenossen zu tun. So ist das eben. Man kann sich seine Mitstreiter zwar wünschen, aber man kann sie sich nicht schnitzen. Und wer Verantwortung übernimmt, wird gelegentlich auch allein gelassen, muss eigene Entscheidungen treffen, tritt manchmal jemandem auf den Schlips und bekommt Prügel ab.

Auf so manche unverschämten Mails, böse Briefe und ähnliches kann ich jedenfalls künftig gerne verzichten.
Dennoch scheide ich heute vor allem mit großer Dankbarkeit aus dem Amt als Vorsitzender des Diözesanrats. Es war mir Pflicht und Ehre. Und die Möglichkeit mitzugestalten, hat mir Freude gemacht. Vor allem aber habe ich in den letzten 12 Jahren großartige Menschen kennenlernen dürfen, die mich bereichert und die mit mir an einem Strang gezogen haben. Es sind Menschen, die sich trotz aller Widerstände der Botschaft Jesu Christi verpflichtet wissen, die mit hoher Kompetenz, mit unermüdlicher Energie und Geduld konstruktiv an Themen, Aufgaben und Texten arbeiten. Von ihnen habe ich viel gelernt.

Ich habe Menschen erlebt, die mir mit gewinnender Freundlichkeit begegnet sind, die Vertrauen schenken und Vertrauen verdienen, denen der Zusammenhalt der Glaubensgemeinschaft so viel wert ist, dass sie persönliche Interessen und Bedürfnisse hintenanstellen, die begründete andere Positionen aushalten und akzeptieren. Es sind Menschen, mit denen man einfach sehr gerne zusammenkommt, die Humor haben und mit denen das Zusammensein ein echter Lebensgewinn ist.
Durch die Institution Kirche sind persönliche Freundschaften und Netzwerke entstanden auf allen Ebenen. Dafür bin ich wirklich sehr, sehr dankbar und ich hoffe, dass so manche Beziehung und Freundschaft über die Gremien- und die Amtszeit hinausreichen.
Nicht vergessen möchte ich an dieser Stelle, Freunde, die ich gewinnen durfte und die ich leider wieder verloren habe, weil sie viel zu früh verstorben sind. Ich erinnere beispielsweise an Max Loayza aus Ecuador und an den Diözesanratsvorsitzenden aus Würzburg, Karl-Peter Büttner.

Ja, ich kandidiere heute nicht mehr, weil ich nach 12 Jahren überzeugt bin, dass das gut ist für den Diözesanrat und auch für mich.
Ich gehe nicht in Rente, sondern setze schlicht wieder andere berufliche und private Prioritäten. Ich bin nun wieder mehr der Herr meines eigenen Terminkalenders. Darauf freue ich mich. Anders als bei den Bischöfen muss ich niemandem den Rücktritt anbieten, sondern kann autonom diese Entscheidung treffen, weil Demokratie in der Kirche zumindest bei den Räten kein Fremdwort ist. Ich gehe dem Diözesanrat nicht verloren, nicht dem Laienapostolat, nicht dem Ehrenamt und schon gar nicht der Kirche.

In den letzten 12 Jahren habe ich mit bestem Wissen und Gewissen versucht, gemeinsam mit den Brüdern im geistlichen Amt und gemeinsam mit engagierten Laien aus dem Kreisverkehr rauszukommen, gute Richtungen zu finden und entsprechende Lichtzeichen zu setzen. Ich habe nicht versucht öffentlich Forderungen zu stellen, um dann enttäuscht zu sein, wenn meine Richtung nicht eingeschlagen wird, sondern ich habe den mühevolleren Prozess angenommen, Lösungen gemeinsam zu erarbeiten. Gelegentlich ist es gelungen.
Als ich mich vor 12 Jahren zur Wahl gestellt habe, hatte ich als Sozialethiker und aufgrund meiner jahrzehntelangen Ehrenamtserfahrung bestimmte Ideen für die Arbeit im Diözesanrat. Die bittere Erkenntnis der katastrophalen Missbrauchsverbrechen im Raum der Kirche hat meine Schwerpunkte jedoch völlig verändert. Und so wollte ich als Ethiker, Theologe und Familienvater auch innerkirchlich Akzente setzen und Reformen mitgestalten.

Über all die Jahre hinweg hat meine Familie mich in diesem Amt getragen und meine Frau hat mich wirklich großartig unterstützt. Meine Damen daheim, die Gespräche mit ihnen und mit Freunden haben mir immer wieder in Erinnerung gerufen, wofür ich das alles mache. Es ist auch die Kirche meiner Familie und meines sozialen Umfeldes.
Dabei war mir immer wichtig, meinen Beitrag an der Einheit zu leisten, den Laden zusammen zu halten und die Heterogenität der Menschen in dieser Glaubensgemeinschaft nicht zu nivellieren. Die Kirche ist bunt und vielfältig und in meinem Leben trotz allem Negativen sehr positiv besetzt.
Gemeinsam Verantwortung übernehmen geht nur mit den Verantwortlichen. Und so wollte ich mir nicht anmaßen, dass ich den Klerikern, den Hauptamtlichen, dem Bischof nur lange genug auf die Nerven gehe, dann fährt die Kirche schon hin, wo ich hinwill. Verantwortungsübernahme setzt bewusste Entscheidungen voraus. Mitentscheiden dürfen, heißt auch Mitentscheiden müssen und Mitgestalten wollen. Und dafür braucht es wechselseitiges Vertrauen. Vertrauen aber wird nicht nur geschenkt, Vertrauen muss man erarbeiten und Vertrauen muss sich in Krisen bewähren.

Ich bin froh und dankbar für all das Vertrauen, das ich in den letzten 12 Jahren erfahren habe. Ich danke Ihnen, lieber Herr Kardinal Marx, für das wirklich vertrauensvolle, konstruktive und sehr herzliche Miteinander. Wir waren nicht immer einer Meinung, aber wir haben uns in den letzten Jahren in wesentlichen Themen doch sehr angenähert und einander immer besser verstanden. Ich danke Dir, lieber Christoph Klingan, für das wertschätzende, ehrliche und freundschaftliche Zusammenwirken in und für die Erzdiözese. Ich danke Dir, lieber Klaus Franzl, für die freundschaftliche und bereichernde Zusammenarbeit im Vorstand.
Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen im Vorstand in allen drei Amtsperioden für das gemeinsame Ringen um einen guten Weg für die Kirche und die Laien in der Erzdiözese. Wir hatten interessante und wichtige Aufgaben. Wir hatten Spaß miteinander.

Aber wir haben es uns in manchen Fragen auch nicht immer leicht gemacht. Ich danke für manches vertrauliche Gespräch, wenn ich am Zweifeln war. Und ich danke auch für die Gaudi, die wir gelegentlich hatten.
Ich danke den hochengagierten Mitarbeiter: innen der Geschäftsstelle für Ihre Unterstützung. Wir werden von anderen Diözesanräten zurecht beneidet um unsere Geschäftsstelle. Ohne Eure hauptamtliche Hilfe hätte ich vieles nicht machen können und manches nicht erreicht.
Ich danke den Weihbischöfen, dem Sprecher des Priesterrates, den Ressortleitungen des EOM mit der Amtschefin an der Spitze und allen Hauptamtlichen, mit denen ich in den zurückliegenden Jahren so gut zusammenarbeiten durfte. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen in den verschiedenen Gremien, in den Stiftungen, im Landeskomitee und im ZdK. Natürlich danke ich auch meinem Arbeitgeber, den Präsident: innen und den Kolleg:innen unserer Hochschule, die mein Engagement wohlwollend begleitet haben.

Nicht zuletzt danke ich Ihnen allen hier im Saal, den engagierten haupt- und den ehrenamtlichen Arbeiterinnen und Arbeitern im Weinberg des Herrn, den Laien und den Klerikern, den Vertretern der Räte und der Verbände. Halten wir zusammen und helfen wir weiterhin zusammen. Die Botschaft Jesu Christi ist es wert, dass wir uns mit all unserer Kompetenz, mit unserer unterschiedlichen Spiritualität, mit Kraft, Hoffnung und Freude engagieren und unsere wertvolle Lebenszeit einsetzen, wo immer wir gebraucht werden.

Vergelt’s Gott für alles und Gottes Segen für die weitere Arbeit des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese München und Freising.