„Nicht schweigen, wo sich Schatten vergangen geglaubter Schrecken wie Rassismus wieder erheben“ / Diözesanratsvorsitzender kündigt zudem differenzierte Stellungnahme zu § 218 an
München, 2. Juli 2024. Die Kirche müsse sich für eine humane, barmherzige Gesellschaft einsetzen und sich auch politisch einmischen, hat der Diözesanratsvorsitzende Armin Schalk beim Jahresempfang des Erzbistums München und Freising am Dienstag, 2. Juli, in München gefordert: „Die eigene Lebenswelt so umzugestalten, dass darin die unbedingte Zuwendung Gottes zum Menschen deutlich wird, verstehen wir als unseren Auftrag.“ Im Hinblick auf den 75. Geburtstag des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr verwies er darauf, dass gläubige Menschen die Präambel des Grundgesetzes auch als Mahnung und Ermutigung verstehen müssten. „Wir dürfen nicht schweigen, wo sich die Schatten vergangen geglaubter Schrecken wie menschenverachtender Rassismus wieder erheben.“
Der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese München und Freising betonte, dass Demokratie nur mit Demokraten funktioniere. Voraussetzungen für die Demokratie seien insbesondere das Ehrenamt im Sinne eines freiwilligen Einsatzes für den Nächsten, ein sittliches Bewusstsein und ethische Werte, an denen sich die Gesetzgebung ausrichte. „Wenn das christliche Bekenntnis ethische Parameter bereitstellt, an denen wir uns als Gesellschaft orientieren können, dann ist es unsere Aufgabe, ebendiese Parameter in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen.“
Als aktuelles Beispiel nannte er die Debatte um eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs, nachdem die Kommission der Bundesregierung zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin in ihrem Abschlussbericht vorgeschlagen hatte, den Schwangerschaftsabbruch während der ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis vollständig aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. „Hier sind wir jetzt als katholische Laien gefragt, da nach unserer Überzeugung gerade auch ungeborenen Menschen Würde zukommt.“ Schalk unterstrich zugleich, dass eine ausgewogene, empathische Position immer auch die Situation betroffener Frauen im Blick haben müsse. „Ungeborenes Leben kann niemals gegen, sondern nur mit der betroffenen Frau geschützt werden“, so Schalk. Gerade im Hinblick auf den Schwangerschaftsabbruch sei es entscheidend, einen breiten gesellschaftlichen Konsens zu schaffen, den er in der Beibehaltung der bestehenden Regelung sieht. Deshalb arbeite der Diözesanrat derzeit an einer differenzierten Stellungnahme, die für die Beibehaltung des § 218 StGB werbe, aber zugleich Verbesserungen, insbesondere für betroffene Mütter, innerhalb der bestehenden Regelung anregen werde, kündigte der Diözesanratsvorsitzende an.
Dem Vorwurf, die katholische Kirche habe als eine in der öffentlichen Wahrnehmung streng hierarchisch strukturierte Institution ohne Gewaltenteilung bei demokratischen Fragen ein Glaubwürdigkeitsproblem, begegnete er mit dem Hinweis auf demokratisch gewählte Pfarrgemeinderäte oder die anstehenden Kirchenverwaltungswahlen. Darüber hinaus kenne die Kirche auch „aktuell wieder neu entdeckte Formate der Partizipation, allen voran die Synodalität“. Seiner Wahrnehmung nach sehe Papst Franziskus darin einen „möglichen Weg zur Teilung und Regionalisierung zentralistischer Machtstrukturen“. Der Papst habe mit dem weltweiten synodalen Prozess einen wichtigen Akzent in diese Richtung gesetzt. Die regionale Umsetzung dieser Idee habe in der Erzdiözese München und Freising bereits begonnen: So werde sich das neu konstituierte Synodale Gremium mit kontroversen Themen wie zum Beispiel der Taufbefugnis und der Trauassistenz durch Laien befassen. Er verbinde damit auch die Hoffnung, so Schalk, „dass wir als Kirche in Zeiten nach wie vor hoher Austrittszahlen wieder Schritt für Schritt Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen können. Aber dazu müssen wir im Synodalen Gremium jetzt auch liefern!“
Der Diözesanratsvorsitzende betonte, dass es gerade in diesen Zeiten „eines klaren und öffentlichen Bekenntnisses zu unserem Glauben“ bedürfe. Das heiße, im Sinne des Evangeliums einzustehen für den Nächsten, sich im Sinne des Laienapostolats gestaltend einzubringen und „vor allem die Hoffnung nicht zu verlieren, dass das Evangelium auch in unserer Zeit etwas zu sagen hat und Quelle der Zuversicht ist“. Die Stärke des Evangeliums, sich in veränderten sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen immer wieder neu als Quelle der Hoffnung und der Orientierung zu zeigen, gebe ihm persönlich die Zuversicht, so Schalk, „dass wir angesichts der großen Herausforderungen in unserem Land nicht passiv zusehen müssen, sondern wirklich Gutes bewegen können“.
Rund 600 Vertreterinnen und Vertreter aus Kirche, Gesellschaft und Politik nahmen an dem traditionellen Jahresempfang von Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, und dem Diözesanrat der Katholiken der Erzdiözese München und Freising im Kardinal-Wendel-Haus in München-Schwabing teil. Florian Herrmann (CSU), Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, sprach ein Grußwort. (hor)
Bild: Robert Kiderle
Den vollständigen Wortlaut der Ansprache von Armin Schalk können Sie hier abrufen: