Pfarrverband Feldkirchen-Höhenrain-Laus

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Impuls zum 5. Sonntag der Osterzeit

15. Mai 2022
Den Impuls können Sie hier herunterladen und ausdrucken...(pdf)
Vielleicht wollen Sie diesen Text auch einer lieben Nachbarin, einem netten Nachbarn, die keinen Zugang zum Internet haben, mit einem Gruß versehen in den Briefkasten werfen.

Jerusalem

LESUNG


Ich, Johannes, sah einen neuen Himmel und eine neue Erde;
denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen,
auch das Meer ist nicht mehr.

Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem,
von Gott her aus dem Himmel herabkommen;
sie war bereit wie eine Braut,
die sich für ihren Mann geschmückt hat.

Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen:
Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen!
Er wird in ihrer Mitte wohnen
und sie werden sein Volk sein;
und er, Gott, wird bei ihnen sein.

Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen:
Der Tod wird nicht mehr sein,
keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal.
Denn was früher war, ist vergangen.

Er, der auf dem Thron saß, sprach:
Seht, ich mache alles neu.

Offb 21, 1–5a
 

Evangelium


Als Judas vom Mahl hinausgegangen war, sagte Jesus:
Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht und Gott ist in ihm verherrlicht.
Wenn Gott in ihm verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen und er wird ihn bald verherrlichen.

Meine Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch.

Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.

Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.

Joh 13, 31–33a.34–35

Alfred Tüllmann

IMPULS
von Alfred Tüllmann

Liebe Schwestern und Brüder!

Im Judentum erzählt man sich:
Gott hat einst nach der Erschaffung der Erde und des Himmels alle Schönheit und allen Glanz seiner Schöpfung in zehn gleiche Teile aufgegliedert. Neun Teile der Schönheit und der Pracht gab Gott der Stadt Jerusalem, und nur einen Teil gab er der restlichen Welt. Gleichermaßen wurde aber auch alles Leid, alle Heimsuchungen und alle Trauer von Gott in zehn Teile zergliedert. Neun Teile von Leid und Trauer gab der Schöpfer an Jerusalem und nur einen einzigen Teil der übrigen Welt.

Liebe Mitchristen!
Wer in unserer Zeit nach Jerusalem kommt, erlebt in der Tat eine wunderbare, prächtige und grandiose Stadt. Gleichzeitig aber wird er Augenzeuge, dass nicht nur neun von zehn Teilen der Schönheit, sondern auch neun von zehn Teilen des Hasses, der Gewalt und der Unversöhnlichkeit in der Welt an Jerusalem vergeben wurden. Die „Heilige Stadt“ oder „Jeruschalajim“, was auf deutsch „Stadt des Friedens“ heißt, verkörpert heute das Gegenteil: Steine der Muslime fliegen von oben auf die Juden an der Klagemauer. Und Muslime, die zum Gebet auf den Tempelplatz gehen wollen, werden wie Schmuggler von den Soldaten der Israelis von Kopf bis Fuß durchsucht. Und in und über der Grabeskirche liefern sich Christen verschiedener Bekenntnisse erbitterte Grabenkämpfe um ihre Benutzungsrechte an heiliger Stätte.

Juden, Christen und Muslime beten zwar zu dem einen gleichen Gott, zugleich aber leben sie voller Missverständnisse und Misstrauen nebeneinander her wie verfeindete Brüder. Jerusalem erinnert heute mehr an Babel, die Stadt der Verwirrung, als an die Stadt des Friedens.

Und da heißt es doch heute in der Lesung: „Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen!“

Sollte Gott wirklich in einem Terrorviertel wohnen? Ist es nicht viel zu ideal gesehen, wenn in der Offenbarung des hl. Johannes steht: „Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her wie eine Braut aus dem Himmel kommen ... Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein.“

Angesichts der unversöhnlichen Gegensätze im Heiligen Land klingt eine solche Vision von einer neuen Zukunft wie ein Hohn. Das tragische dabei ist: Sie wollen ja alle Gott ehren, nicht nur eifrig, sondern sogar ganz fanatisch und mit aller Gewalt. Ja, genau: Mit aller Gewalt!

Wie aber ehrt man Gott? Wie lässt man Gott wirklich in dieser Welt wohnen?

Gott wohnt bestimmt nicht in den 90 % Hass und Gewalt. Jesus gibt uns im Evangelium darauf eine ganz andere Antwort. Sie ist schwer, oder doch ganz einfach: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“

Wo Menschen, wo Christen und auch Nichtchristen diesen Auftrag Christi erfüllen und in die Tat umsetzen, da nimmt er selbst Wohnung mitten unter uns. Es liegt also an uns! Das Johannesevangelium sagt es ganz am Anfang: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Aber das gilt nur bei denen, „die ihn aufnahmen.“ Ist es nicht herrlich und beeindruckend, trotz allem zu wissen, dass er auch hier in unserem Ort, in unserem Pfarrverband wohnt, sein Zelt — sein Tabernakulum — aufgeschlagen hat und mit uns zusammen lebt? Ist es nicht tröstlich, zu wissen und zu erfahren, dass wir an jedem Sonntag hier beim Gottesdienst ein kleines Stück des himmlischen Jerusalem, der neuen Erde, durch die Begegnung mit Gott erleben dürfen? Er kam ja in sein Eigentum. Er hat seine Eigentumswohnung schon mitten unter uns.

Liebe Schwestern und Brüder!
Dies darf uns froh und dankbar stimmen und uns zugleich anspornen, auch außerhalb dieser vier Kirchenwände am Reich Gottes mitzubauen. Das neue Jerusalem wird zwar erst am Ende der Zeiten hernieder steigen, aber wir können schon jetzt damit beginnen und wenigstens das Fundament dafür zu legen, und zwar mit Jesus als dem Eckstein, dessen Rohmaterial aus dem Baustoff seiner Worte im heutigen Evangelium besteht: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“ Das wäre — wie wir uns auszudrücken pflegen — schon die halbe Miete für unsere eigene, von Christus bereits reservierte Wohnung bei Gott — ein Vorgeschmack des himmlischen Jerusalems, wo selbst unsere Tränen vertrocknen und wo wir alle zehn Teile, die ganzen 100 % von der Schönheit und Pracht, der Harmonie und des Friedens bei Gott erwarten dürfen.

Amen

Ihr Alfred Tüllmann

Quelle: Korbiwiki, Predigtpraxis, Wortgottesfeiern