Diözesanrat der Katholiken

Demokratisch gewählte Vertretung des Kirchenvolkes.
Der Diözesanrat repräsentiert mehr als 125.000 ehrenamtlich in Katholikenräten, Verbänden und Initiativen aktive katholische Frauen und Männer. Zu den Aufgaben des Diözesanrats gehört es, das wirtschaftliche, familiäre, gesellschaftliche und politische Umfeld so mitzugestalten, dass der Mensch gedeihen und sich entfalten kann.

Münchner Kirchenzeitung vom 10.02.2013

Familien unter Strom

Oft läuft die Waschmaschine zweimal am Tag. Gerade im Winter wird der Trockner fast täglich benutzt. Das erleichtert überdies das Bügeln. Die Spülmaschine scheint permanent voll zu werden. Der Herd, die Mikrowelle, der Backofen sorgen dafür, dass warmes Essen zu unterschiedlichen Heimkommzeiten auf dem Tisch steht. Manchmal muss es aber auch Vorgekochtes oder Fertigpizza aus dem Gefrierschrank sein, weil die letzte Schulstunde ausgefallen ist und die hungrigen Heranwachsenden nicht länger warten wollen. Vorher bleibt noch Zeit, die Facebookneuigkeiten auszutauschen und Musik zu hören. Dank der warmen Heizkörper ist Väterchen Frost aus der Wohnung verbannt. Kuschelig nennen es die Kleinen, notwendige Lebensqualität die sich mal überraschend gewählt ausdrückenden Jugendlichen. Erst kürzlich hat ein Gericht festgestellt, dass Mieter ein Recht auf wohlige Temperatur in der Badewanne haben. Selbst in der dunklen Jahreszeit macht das Lesen und Arbeiten am Schreibtisch und im Haushalt dank moderner Beleuchtung nicht die Augen kaputt. Der Entspannung dienen der Fernseher, der DVD-Player und die Stereoanlage.

Dies alles ist nicht möglich ohne Strom. Der aber wird immer mehr zum kostbaren und teuren Gut. Angekündigte Preiserhöhungen betrachten nicht wenige Familien mit Sorge, da ihre Einsparpotentiale oftmals gering sind. Extrem trifft es die Armen unter ihnen. Dennoch, gerade auch Eltern begrüßen den Ausstieg aus der Atomenergie, weil sie an ihre Kinder und Enkel denken. Die Gefahren erscheinen ihnen zu groß und die Lagerproblematik unkalkulierbar. Die salatlose Zeit von Tschernobyl ist noch nicht vergessen. Mit Pilzen aus dem Wald ist man weiterhin vorsichtig. Die Reaktorkatastrophe in Fukushima hat uns nachhaltig geschockt.
Während Japans neue Regierung bereits den Bau zusätzlicher Atomkraftwerke ankündigt, macht Deutschland vorbildlich Ernst mit der Energiewende. Dies ist kein Akt von Ökosentimentalität, sondern Ergebnis einer klugen, nachhaltigen Entscheidung. Das vermehrte Verwenden fossiler Brennstoffe verbietet sich als Alternative. Neben der effizienteren Nutzung und der Einsparung brauchen wir eine konsequente Hinwendung zu erneuerbaren Energien und eine gewisse Veränderung von Lebensstilen. Denn der Klimawandel ist inzwischen nicht nur messbar, sondern überall auf der Welt auch spürbar: durch vermehrte Stürme, Überschwemmungen, Dürren und Wetterkapriolen. Der Cappuccino im Straßencafe am Hl. Abend hat einen allzu bitteren Beigeschmack.

Familien sind nicht dumm. Sie stehen zur Energiewende und tragen die Konsequenzen mit. Sie taugen nicht als Alibi, um sinnvolle Beschlüsse zurückzunehmen. Aufgabe der Politik und des Gesetzgebers ist es, diese Wende sozialverträglich zu gestalten und die Lasten gerecht und solidarisch zu verteilen.
Tremmel
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