Pietzenkirchen  grüßt vom hohen Ostufer weit über den Simssee. Der Name Pietzing dürfte  von „pitz“ (Anhöhe) abgeleitet sein. Pitzinga, wie es ursprünglich  hieß, wird neben Kinten, Pietzenberg, Stadl und Ackersdorf schon sehr  früh, nämlich 788 erstmals urkundlich erwähnt. Dann wird in der  Rhini-Urkunde von Erzbischof Odalbert II. von Salzburg 924 festgelegt,  dass die Kirchengemeinde ein Drittel ihrer Kircheneinkünfte an die ihm  verwandte Edelfrau Rhini von Rohrdorf zu zahlen hätte. 927 werden die  Pietzinger aber wieder von der Abgabe befreit, da die Kirchenkasse fast  völlig leer ist.
	
	 
		
	
	
	
	Die  romanische erste Kirche dürfte schon im 9. Jahrhundert gestanden haben,  denn fast alle Kirchen mit den Patronen Stephanus und Laurentius gehen  sehr weit zurück. Nach dem Volksmund sollte diese Kirche in einer Senke  bei Mangolding gebaut werden. Doch ein Rabe trägt in der Legende dauernd  die abfallenden Hobelspäne an den jetzigen Platz. Da glaubt man, dass  es Gottes Wille sei, sein Haus an dem schönsten Punkt der Gemeinde zu  wollen. Später heißt die Kirche dann Püzen – der Name Pietzenkirchen  kommt viel später in der Neuzeit als Gegensatz zum Ort Pietzing. Bischof  Katlaneus schreibt 1589 in einem Bericht über seine Pfarreien: „  Soellhuben mit Hiensperg, Tallkichen und Püzen“. Wie die erste  romanische Kirche ausgesehen hat, wissen wir nicht. Die zweite Kirche  wird um 1450 erbaut.  
 Allmählich  entsteht eine Wallfahrt zur heiligen Mutter Anna, der Mutter Mariens.  Am 12.8.1729 beglaubigt Bischof Simon Gritti von Chiemsee in einer  Urkunde die Echtheit der Pietzinger Mutter Anna-Reliquie, die in einer  kleinen Kupfermonstranz aufbewahrt wird. Im Jahre 1750 wird, wie es im  Bericht heißt: „unterm 27. May und 6. Julü unter Anrufung der heiligen  Mutter Anna in dem würdigen St. Laurenti und Stefani Filial-Gottshaus in  Pietzing für all christgläubige beyderley Geschlechts von seiner  päpstlichen Heiligkeit Benedikto XIV. die löbliche Bruderschaft  errichtet. Die gotische Kirche wird in der zweiten Hälfte des 18.  Jahrhunderts mit Rokoko-Ornamenten ausgeschmückt und erhält einen neuen  Hochaltar, von dem heute noch ein Foto von Glasermeister Hickl aus  Prutting erhalten ist. Es ist ein außerordentlich schöner Rokoko-Altar.  In der Mitte thront die heilige Mutter Anna, die gerade die Gottesmutter  in der heiligen Schrift unterweist. Diese Figur steht heute auf dem  rechten Seitenaltar als Einzelfigur und wird bei Prozessionen  mitgetragen. Hervorragende Rokoko-Arbeiten sind auch die beiden  Kirchenpatrone Stephanus und Laurentius links und rechts an den Säulen  des Aufbaues, die noch erhalten sind in der jetzigen Kirche. 
 Die  vier kleinen Halbfiguren der vier Evangelisten zieren heute die Kanzel  der Kirche von Raiten bei Marquartstein. Auch die beiden Seitenaltäre  und die Kanzel stammen aus dem 18. Jahrhundert. 1840 heißt es in den  Folien einer topographischen Beschreibung Bayerns: „Die Kirche von  Pietzing ist zwar klein, aber nett und freundlich. Sie ist  Wallfahrtskirche, die aber immer mehr abnimmt.“ 
 1852  werden Altäre und Kanzel neu gefasst, aber schon 1858 werden bei einer  gründlichen Renovierung viele Rokoko-Ornamente entfernt. 1871 zerfällt  der Sattelturm mit seinen zwei Glocken. Die kleine Glocke von 1738 hängt  heute noch im Turm, die größere wird 1872 wegen Dissonanz mit dem  neubestellten Geläute nach Thalkirchen abgegeben. Die Pietzinger wollen  nur einen neuen Turm bauen, aber die königliche Baubehörde sperrt auch  die Kirche wegen Einsturzgefahr und zwingt die Kirchengemeinde dadurch  zum Bau der neuen jetzigen Kirche. Beim Abbruch gelangt leider außer den  wenigen Figuren die ganze wunderschöne Einrichtung in Privatbesitz,  ebenso die Votivtafeln der Anna-Wallfahrt. Schon 1882 wird der  neugotische Neubau in Angriff genommen durch Maurerpolier Gabler aus  Rosenheim. Die ganzen 30.000 Mark Bausumme muss die kleine  Kirchengemeinde aus eigenen Mitteln aufbringen, bei nur 35 Hausnummern  und beim damaligen Geldwert, eine gewaltige Leistung.
	
	 
		
	
	
	
	Die  kleine Gemeinde kann das auch nur schaffen, weil alle persönlich  mitarbeiten. Die Grundflächen sind nicht wie bei einer gotischen Kirche  üblich 1:2, sondern im goldenen Schnitt. Daher müsste die Halle höher  und das Gewölbe steiler sein, um nicht gedrungen zu wirken. Da aber der  Turm zuerst gebaut wird, ist aus Gründen der Gesamtharmonie eine größere  Höhe nicht mehr möglich. So erscheint die Kirche von Hirnsberg weitaus  größer, obwohl die Grundfläche etwa gleich groß ist. Das Gewölbe weist  auch Abweichungen in der Symmetrie auf, bis zu 15 Zentimeter.
	
	 
		
	
	
	
	Die  drei Altäre erstellt Kunstschreiner Kloiber aus Wildenwart, gefasst  sind sie von Josef Osendorfer, Vergolder aus Bad Aibling. Die drei  Figuren des Hochaltars ( Heilige Mutter Anna – Mutter Mariae, Heiliger  Joachim – Mann der Mutter Anna und Johannes der Täufer) stammen vom  Bildhauer Kopp aus München. Die Figuren der Seitenaltäre kommen aus  Südtirol vom Bildhauer Ferdinand Stuflesser aus St. Ulrich (Gröden). Der  Apostel Jakobus ist als Pilger dargestellt mit Stab und Hut, weil er  auf seinen Predigtreisen bis Spanien gekommen sein soll. St. Josef steht  als Hauptfigur in der Mitte. 
 St.  Leonhard als Beschützer der Landleute trägt eine Kette und zu seinen  Füßen liegt ein krankes Rind. Um seinen Schutz für Haus und Hof zu  erbitten, wird jedes Jahr seit der oberhirtlichen Genehmigung vom  6.11.1846 in Pietzenkirchen ein Leonhardiritt mit Pferdesegnung  abgehalten. Der linke Seitenaltar zeigt neben der Gottesmutter in der  Mitte noch die heilige Notburga mit der Sichel aus Tirol und die heilige  Katharina, ebenfalls Patrone der Landleute. An der Kanzel, auch von  Kloiber aus Wildenwart, sind die vier Evangelisten abgebildet. Die  Chorfenster mit Stephanus und Laurentius stammen von Rederer aus  München, und die beiden Fenster im Langhaus (Marie Verkündigung und  Todesangst Jesu) von Kirchmaier aus Haidhausen.
	
	 
		
	
	
	
	Am  4. Juli 1895 wird die Orgel aufgestellt von Orgelbauer Müller aus  Rosenheim. Sie besitzt elf Register. Herz Jesu und Herz Marie im Chor  von Bildhauer Kopp aus München ziehen als letzte Figuren in die Kirche  ein. Den Kreuzweg malt Osendorfer aus Bad Aibling, und die Beichtstühle  werden bei Schreiner Kern in Prutting bestellt.  Die beiden  Gemälde des heiligen Josefs und der heiligen Mutter Anna sind wesentlich  älter, sie werden von einem bei der Säkularisation aufgehobenen Kloster  erworben. Zu erwähnen ist noch die neugotische Monstranz, eine hübsche  Arbeit von Goldschmied Berthold aus Rosenheim.  
 Pietzenkirchen ist immer Filiale von Söllhuben gewesen. Als Hirnsberg Expositur wird, ist es Hirnsberg unterstellt.  
 Eine  Frau Vodermaier stiftet der Kirche Pietzenkirchen ein eigenes  Pfarrhaus, damit ein älterer Priester hier seinen Ruhestand verbringen  kann. Nach dem Krieg machen sich Geistlicher Rat Kolb und Professor  Strahberger um Pietzenkirchen besonders verdient. Profesor Strahberger  lässt auch das von Siegfried Moroder geschaffene Kreuz unter der Linde  als Kriegerdenkmal erstellen.   
 (Text und Bilder: Annette Forster und Martin Schmid)