Diözesanrat der Katholiken

Demokratisch gewählte Vertretung des Kirchenvolkes.
Der Diözesanrat repräsentiert mehr als 125.000 ehrenamtlich in Katholikenräten, Verbänden und Initiativen aktive katholische Frauen und Männer. Zu den Aufgaben des Diözesanrats gehört es, das wirtschaftliche, familiäre, gesellschaftliche und politische Umfeld so mitzugestalten, dass der Mensch gedeihen und sich entfalten kann.

Münchner Kirchenzeitung vom 17.11.2002

Baumgartner Kolumnen
Glauben heißt intensiver leben

Die Kirchen, sagt der Präsident der deutschen Werbewirtschaft, hätten ihr Potenzial der werbenden Selbstdarstellung noch keineswegs ausgeschöpft. Sie müssten das, was sie zu bieten haben, offensiv anbieten. Die Agenturen der Unternehmensberatung, von den Kirchen zu Hilfe gerufen, sagen es ähnlich. McKinsey empfiehlt der evangelischen Kirche zudem, sie möge sich vor allem auf das Kerngeschäft besinnen.

Der Diözesanrat der Katholiken hat sich mit dem selben Thema auseinandergesetzt. Was heißt »missionarisch-ausgreifende Kirche«? Was können wir tun, um den Schrumpfungsprozess der Gemeinden aufzuhalten und andererseits nicht in eine Selbstgenügsamkeit zu verfallen, die weder dem einzelnen Christen noch der christlichen Gemeinde erlaubt ist. Wir haben Angebote mit ausgeprägtem spirituellen Anspruch kennen gelernt, mit denen kirchliche Gruppen den hohen Erwartungen suchender Menschen entsprechen wollen. Wir haben auch Konzepte einer »niederschwelligen Seelsorge« erörtert. Dies ist nicht zuletzt deshalb bedeutsam, weil bei vielen Zeitgenossen, die sich der Kirche entfremdet haben, Unsicherheit und Schwellenangst einen näheren Kontakt mit der Kirche verhindern. Es gibt für eine missionarische Kirche nicht nur einen Weg. Wo immer und wie immer wir freilich ansetzen – eine Frage wird immer im Raum stehen: Wird das Leben durch den christlichen Glauben reicher? Es ist auch unsere Frage. Wenn wir diese Frage nicht mit Ja beantworten können, nützen weder niveauvolle noch niederschwellige Angebote. Dann laufen alle Werbestrategien ins Leere. Und Roland Berger und McKinsey raten uns vergeblich.

Was wir glaubhaft machen müssen, ist schlicht: Glauben heißt intensiver leben. Wer glaubt, legt der Vernunft keine Zügel an. Er braucht keiner Frage auszuweichen. Er geht den Dingen auf den Grund und entdeckt doch, dass es eine Wirklichkeit gibt, die sich dem Zugriff der Vernunft entzieht. Wer glaubt, dem gelingt möglicherweise leichter die nötige Mischung von Selbstbejahung und -kritik. Er weiß um seine Selbstverantwortung und ist doch nicht so blind zu meinen, er könne allein den eigenen Überzeugungen trauen und bedürfe nicht der Korrektur durch außer ihm liegende Maßstäbe. Wer glaubt, vermag vielleicht eher, das Leben in seiner Fülle und in seiner gelegentlichen Leere anzunehmen. Er muss nichts ausblenden, nichts verdrängen. Wer glaubt, erhält sich jene Sensibilität, die uns zur Selbstüberschreitung befähigt und uns von den eigenen Bedürfnissen absehen lässt. Das Leben verengt sich für den Glaubenden nicht. Es weitet sich. Wie beim Psalmisten, der sein Danklied in einen einzigen Vers zusammenfasst: Du führst mich hinaus ins Weite.