Vom Krippenplatz zur Krippenideologie
Der Ausbau der Kinderkrippen steht ganz oben auf der politischen Tagesord-nung. Das hat seine Berechtigung. Nicht wenige der jungen Eltern suchen für ihr einjähriges oder zweijähriges Kind einen Betreuungsplatz. Die Gründe sind so vielfältig wie die Lebenslagen junger Familien. Man geht davon aus, dass für ein Viertel oder ein Drittel der bis zu Dreijährigen der Wunsch nach einem Betreuungsplatz besteht. Auch die Kirche verweigert sich dieser Anfrage nicht.
Wie ideologisch besetzt die familienpolitische Diskussion jedoch in dieser Frage ist, zeigt sich jetzt auf erschütternde Weise. Die Berliner Koalitionsrunde erörterte, ob mit den hohen Ausgaben für den Krippenausbau nicht auch eine finanzielle Förderung derer einhergehen müsse, die ihr Kind im zweiten und dritten Lebensjahr selbst erziehen. Eine schlichte Frage der Gerechtigkeit, möchte man meinen. Aber es zeigte sich eine mit ideologischer Inbrunst vorgetragene Geg-nerschaft. Zuerst kam die Sprachregelung; denn das wichtigste Kampfinstrument der Ideologen ist die Sprache. Was hier in Aussicht genommen werde, sei eine „Herdprämie“. Weshalb Herdprämie? Weshalb heißt die hohe Förderung, wenn Vater oder Mutter sich dem Kind im ersten Jahr nach der Geburt widmen, „Elterngeld“? Und warum müssen Eltern, die auch noch zwei Monate später ganz für ihr Kind da sein wollen, sich beschimpfen lassen, sie beanspruchten eine „Herdprämie“?
Die Argumente gegen das Betreuungsgeld für Eltern, die selbst erziehen, sind dünn. Für die Migranten und sozialen Unterschichten sei die Versuchung groß, so äußert sich der CDU-Politiker Friedbert Pflüger, „die Kinder zu Hause zu las-sen, sie vor den Fernseher zu setzen und zusätzliches Geld zu kassieren“. Der SPD-Mann Michael Müller assistiert ihm. „Es darf nicht sein, dass diejenigen, die Bildungsangebote nicht annehmen, dafür auch noch belohnt werden“. Es ist erstaunlich, wie viel Verachtung des Elternwillens, des Elternrechts und der elterlichen Erziehungsleistung man in wenigen Worten zum Ausdruck bringen kann.
Gewiss, der Beifall der Wirtschaft ist groß. Fragt man aber die hohen Herren der Politik und Wirtschaft, denen man fast schon einen „Migrationshintergrund“ zuschreiben möchte, weil sie sich von der Lebenswirklichkeit der meisten Eltern unendlich weit entfernt haben, wie sie es in ihrer Familie halten oder gehalten haben, dann bekommt man häufig die Antwort, bei ihnen sei es anders. Ihre Frau hätte sich in den ersten Jahren ganz den Kindern gewidmet. Was setzen uns die-se Herren also vor? Das was von Ideologen immer schon vertreten wurde: eine Lebensform für das einfache Volk und eine andere Lebensform für sich selbst und die selbsternannte Oberschicht.