Diözesanrat der Katholiken

Demokratisch gewählte Vertretung des Kirchenvolkes.
Der Diözesanrat repräsentiert mehr als 125.000 ehrenamtlich in Katholikenräten, Verbänden und Initiativen aktive katholische Frauen und Männer. Zu den Aufgaben des Diözesanrats gehört es, das wirtschaftliche, familiäre, gesellschaftliche und politische Umfeld so mitzugestalten, dass der Mensch gedeihen und sich entfalten kann.

Münchner Kirchenzeitung vom 1. Mai 2011

Nur kein Neid

„Arbeiten musst du von früh bis spät, sonst wird dir nichts geraten. Der Neid sieht nur das Blumenbeet, aber nicht den Spaten.“
Natürlich kann man dieses Gedicht in einem Poesiealbum versauern oder auf einem Stickkissen verstauben lassen. Wir können es aber auch einmal ernsthaft betrachten. Wer Arbeit hat, ist gut dran. Besser noch, wer eine Arbeit hat, die ihn erfüllt, die ihm Freude, Sinn, Zufriedenheit, Sicherheit und Anerkennung verschafft, der darf sich glücklich schätzen. Uns wird – so meinen wir wenigstens oft – im Leben nichts geschenkt. Wir müssen uns den Erfolg hart erarbeiten.
Wer es zu sichtbarem Wohlstand, also zu einem üppigen Blumenbeet gebracht hat, der findet schnell Neider. Die will aber kaum jemand haben, weshalb jüngst ein durch frostige Produkte vermögender Herr eine Unterlassungsklage eingereicht hat. Er möchte gerichtlich erzwingen, dass ein Wirtschaftsmagazin seinen Namen von der Liste der reichsten Deutschen streicht. Begründung, es handle sich dabei lediglich um eine reine „Neidliste zur Befriedigung der Sensationsgier“. Bereits zu Prozessbeginn wird dem Unternehmer wenig Erfolgsaussicht eingeräumt. Ohnehin wurde erst durch seine Klage eine breitere Öffentlichkeit auf den Mann auf Platz 92 aufmerksam.
Natürlich spielt beim Arbeitsthema Gerechtigkeit eine gravierende Rolle. Das Lohnniveau reicht bei vielen in Deutschland kaum mehr zur Existenzsicherung, insbesondere wenn Familien betroffen sind. Darüber hinaus ist die Forderung „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nicht nur eine Genderfrage. Das Thema Arbeit hat grundsätzlich zu tun mit Chancen-, Bildungs- und Generationengerechtigkeit. Es geht auch darum, warum mit Kapital nach wie vor so viel mehr verdient werden kann als mit der eigentlichen Arbeit und warum die Kapitalmarktrisiken letztlich doch die Allgemeinheit tragen sollen. Es geht um Steuergerechtigkeit und um die Anerkennung von familiärer, häuslicher und ehrenamtlicher Arbeit. Und es geht um den fairen Zugang zum Arbeitsmarkt für all jene, die aus welchen Gründen auch immer den vielfach zugrundeliegenden Leistungsgedanken nicht adäquat erfüllen können. Arbeitsmarktpolitik ist also eine Frage der Gerechtigkeit und muss mit anderen Politikfeldern zusammen gedacht werden, von der Sozialpolitik bis hin zur Wirtschaftspolitik.
Eine Neiddebatte ist fehl am Platz, wenn derjenige, der viel verdient, auch viel von seinem Verdienst der Allgemeinheit zur Verfügung stellt – bewusst über Steuern, freiwillig über Spenden und Stiftungen. Die Betonung des Vorrangs der Arbeit vor dem Kapital und die Idee der Gemeinwohlpflichtigkeit des Eigentums sind unumstößliche Grundgedanken der Katholischen Soziallehre. Überdies lohnt hier gelegentlich der Blick in die deutsche (Art. 14 GG) oder die bayerische (Art. 103) Verfassung.
Tremmel
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