Pfarrverband Am Tachinger See

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Die Kirche St. Coloman

Kurzführung zum Nachlesen von Siegfried Müller, erstellt 2020
 
  Sankt Coloman liegt über dem Tachinger See mit einem herrlichen Blick auf den See und die Bergkulisse und ist bekannt durch den einzigen vollständig erhaltenen spätgotischen Flügelaltar in unserer Gegend. Die schlichte spätgotische Kirche war 1682 mit einem Dachreiter ausgestattet worden, der 1882 durch das heutige Spitztürmchen ersetzt wurde. Das Eingangsportal mit seinen kunstvollen schmiedeeisernen Beschlägen erinnert noch an die Zeit der Erbauung um 1500. Im Rokoko war die Kirche umgebaut, aber im 19. Jahrhundert wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt worden. Die vollständige Restaurierung der Kirche und ihrer Ausstattung wurde im Jahr 2001 dank der Liechtensteiner Stiftung  Projuvis, die die Kosten vollständig übernahm, abgeschlossen.
 
Ein Glasfenster auf der rechten Seite des Chors erinnert an die Erbauer der Kirche, den Grafen Seitz (Seyfried III.) von Törring-Jettenbach und seine Frau Dorothea von Losenstein mit ihren jeweiligen Wappen. Für den Bau auf dem eigenen Grund der Törringer wurden Steine der 1421 zerstörten Burg Törring in Haus verwendet.
 
Das Fenster auf der linken Seite des Chors zeigt den knienden geistlichen Stifter und Pfarrer zu Waging zu Füßen der Jungfrau Maria mit der Jahreszahl 1503. Eine Vollplastik an der nördlichen Seite des Chors zeigt den hl. Paulus, an der Südseite ist der hl. Vitus dargestellt, der in der Familie der Törringer häufig als Name auftritt.
 
Der Altar ist dem Volksheiligen Coloman geweiht, der der Legende nach im Jahr 1012 als Pilger in Stockerau bei Wien ermordet wurde und wegen seiner Wundertaten im Kloster Melk verehrt wird, wo seine Reliquien aufbewahrt werden. An der südlichen Wand des Chorraums ist eine barocke Tafel mit Szenen aus dem Lebens Colomans zu sehen. Schöpfer des Altars ist der Laufener Maler und Bildhauer Gordian Guckh (†nach 1540).
 
Erst in jüngster Zeit ist ins Bewusstsein gedrungen, dass es sich beim Altar in St. Coloman um einen Passionsaltar handelt. Das späte Mittelalter vor der Reformation war eine Zeit der tiefgreifenden Krise und Unsicherheit. Diese Atmosphäre beherrscht auch den Altar:  Inmitten des Rankenwerks am Gesprenge ruht oben auf hohen Podesten eine Kreuzigungsgruppe, flankiert von zwei Bischöfen. In der Predella erscheint das „Erbärmdebild“ mit Christus als Schmerzensmann mit den Wundmalen; dieser „lebende Leichnam“ symbolisiert die Doppelnatur Christi als Mensch und Gott. Im engen Zusammenhang damit steht Maria als leidende Mutter, die ihren Sohn zusammen mit Johannes und zwei Engeln im goldenen Gewand vor blauem Hintergrund flankiert; die Engel halten die „Arma Christi“, die Marterwerkzeuge in den Händen. 
 
Im Zentrum des Altarschreins stehen drei vollplastische Skulpturen: Maria mit dem Jesuskind wird  flankiert von einem Bischof Maximilian zu ihrer Linken und St. Coloman, dem Patron der Kirche, mit seiner Pilgerausrüstung.
 
Die Altarflügel zeigen in der Vorderansicht eine  geschnitzte Feiertags- und eine gemalte Werktagsseite. An der Rückseite findet sich die Jahreszahl 1515.
Auf den Vorderseiten sind paarweise vor einem vergoldeten Pressbrokat-Hintergrund gemalte Heilige zu sehen, die als  Bauernheilige und Nothelfer für die ländliche Bevölkerung große Bedeutung hatten.
 
Dieses religiöse Programm setzt sich fort auf der Rückseite des Umgangsaltars, den die Gläubigen umschreiten konnten. Der rückwärtige Altarschrein zeigt fünf gemalte Medaillons mit den Symbolen der vier Evangelisten, eingelassen in ein Rankenwerk und gerahmt von vier Kirchenvätern. Die Passionssymbolik setzt sich fort in der Darstellung des Lamms, dessen Blut sich in einen Kelch ergießt (der Blutstrahl ist leider bei einer Restauration verloren gegangen). Inschriften, die von Päpsten verfasste Gebete enthalten, ergänzen die Bilder.
Des Weiteren finden sich auf der Rückseite der Predella des Umgangsaltars auf kobaltblauem Grund außen die vier Kirchenväter und in der Mitte eine Darstellung des Schweißtuches der Veronika, gehalten von zwei Engeln mit weiteren Marterwerkzeugen. Das Schweißtuch ist mit einer Inschrift versehen, die sich auf die legendenhafte Geschichte dieses Tuches bezieht. Die lateinische Inschrift ist fehlerhaft und bricht mitten im Satz ab, aber es ist erwiesen, dass sie einem Gedicht entnommen ist, das der Nürnberger Dichter Chelidonius im Jahr 1511 zusammen mit 37 Holzschnitten der „Kleinen Holzschnittpassion“ des berühmten Nürnberger Malers Albrecht Dürer veröffentlicht  hatte.
 
Der Altar in St. Coloman ist in einer religiös aufgewühlten Zeit entstanden, in der ein reges Pilger- und Bittgangwesen herrschte. Seit dem 13. Jahrhundert wurde in Rom die Verehrung des Antlitzes Christi intensiviert; dabei wurde es im späten Mittelalter möglich, nicht nur in Rom, sondern überall durch die gläubige Anschauung von Christusdarstellungen Ablass von Sündenstrafen und Heilung von Sünden zu erlangen. Das andächtige Betrachten des Leidens Christi im Bild kann die unmittelbare Verbindung zwischen Gott und dem Betrachter herstellen, indem der Gläubige mitleidig die Passion verinnerlicht und andererseits einen Blick auf die Wiederkunft Christi richtet.
 
Von der Wallfahrt nach St. Coloman zeugten viele Votivbilder, die früher die Kirche schmückten. In der Zeit der Aufklärung dürfte die Wallfahrt allmählich eingeschlafen sein. Nur ein frühbarockes Votivbild hat sich unbeachtet hinter der Eingangstür erhalten; es stammt aus dem Jahr 1626 und ist das weitaus älteste im Tenglinger Bereich.
 
Ergänzt wird das Passionsprogramm in der Coloman-Kirche durch eine wenig beachtete kleine Skulptur von Christus an der Martersäule, das hinter einem Gitter in die Nordwand eingelassen ist. Dazu kommt der neugotische Kreuzweg aus Gusseisen, gefertigt in Achthal am Teisenberg.
 
Zwei Herz-Jesu-Halbplastiken stammen von den Bildhauern Ludwig Fuchs und Thomas Buscher.
 
Die Orgel wurde 1858 aus Tettenhausen gekauft und von Orgelbauer Frosch, München, umgebaut und erhöht. Mechanik und Pfeifenwerk könnten aus dem 17. Jahrhundert stammen, Prospekt wohl neugotisch. 1979 elektrische Windversorgung. Das Instrument bedürfte einer grundlegenden Restauration.
(Text zur Orgel Josef Fenninger)


Ausführliche Informationen über den Passionsaltar in der Kirche finden Sie hier.

Einen ausführlichen Kirchenführer der Tenglinger Kirchen finden Sie hier.

© Siegfried Müller, Tengling im Jahr 2020