Die Pasinger Hauptkirche Maria Schutz wurde 1905/06 nach Plänen des Münchner Architekten Hans Schurr als einer der letzten neuromanischen Großbauten in München errichtet und 1918 in der Endphase des 1. Weltkriegs und am Vorabend der Revolution durch König Ludwig III. eingeweiht. Sie zählt bis heute zu den größten Kirchenbauten im Münchner Stadtgebiet mit hoher städtebaulicher Strahlkraft.
Der außen traditionell historistische Bau präsentiert sich innen als eigenwillige Raumstruktur mit einem weiten, saalartigen Langhaus, begleitet von schmalen Seitenschiffen, und durchkreuzt von einem breiten Querschiff, dessen Mitte vierungsartig betont ist. Schwierig erweist sich die Chorraumsituation, indem an das Querschiff zwar ein chorartiges Zwischenjoch anschließt, welches aber weder durch ein erhöhtes Niveau noch durch einen entsprechenden Chorbogen ausgezeichnet ist. Das Presbyterium besteht nur aus der erhöhten Apsis, deren Grundfläche so klein ist, dass sogar das Chorgestühl vor dem Apsisbogen Aufstellung finden musste. Würdige liturgische Wege waren somit trotz der Größe des Kirchenbaus bislang kaum möglich.
Während die Architektur weitgehend authentisch erhalten ist, wurde die einstmals späthistoristische Raumschale um 1955 einer grundlegenden Neugestaltung durch den Pfaffenhofener Kirchenmaler Michael Weingartner unterzogen. Apsis, Gewölbe, Seitenwände und Nebenräume wurden mit monumentalen Wandbildern versehen, die ohne Rahmungen in der Architektur aufgehen. Die für Weingartner charakteristische Malweise – reduzierte Figürlichkeit, sepiaartige Farbpalette, harsche Formsprache – prägt heute wesentlich den Kirchenraum. Der Hochaltar birgt in wesentlichen Teilen historischen Bestand, der jedoch ebenfalls in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts neu arrangiert wurde.
Als liturgische Ausstattung entsprechend der Liturgie des II. Vatikanums dienten bislang formal an der historischen Kommunionbank orientierte Provisorien ohne jeglichen künstlerischen Wert. Vor diesem Hintergrund war nicht nur eine Neugestaltung der liturgischen Orte dringend angezeigt, sondern auch eine grundsätzliche Neuordnung des liturgischen Raums, welche die eigenwillige Chorraumsituation in den Griff bekommt, die enorme Entfernung zwischen Altar und Gemeinde überwindet und dabei der dominanten und bisweilen befremdlichen Bildsprache der 50er Jahre ein kraftvolles Zeichen entgegensetzt.
Auf dieser Grundlage entwickelte die Münchner Künstlerin Susanne Wagner in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen des Erzbischöflichen Ordinariats ein umfängliches räumlich-künstlerisches Entwurfskonzept. Zentrales Element ist ein weit dem Chor vorgelegtes, dreistufiges Plateau aus Eichenholz, das den bislang formlosen Zwischenraum von Chorgestühl und Kirchengestühl entschieden belegt und somit erstmals liturgisch nutzbar macht. Die erste Stufe ist podestartig etwas tiefer ausgebildet und ermöglicht variable liturgische Nutzungen. Darauf liegt, leicht eingerückt, ein kompaktes, annähernd quadratisches Podest, auf dem zentral der Altar situiert ist. Linkerhand greift in die Stufenfront der Ambo ein. Die Podestanlage fungiert als liturgisch-räumliches Scharnier, sitzt additiv auf dem Boden auf und respektiert den historischen Bestand. Durch feinsinnige Details wie den Verzicht auf einen umlaufenden Fries und eingezogene Trittstufen entsteht ein sensibles, optisches „Anschwellen“, das vom Kirchengestühl bis zur historischen Stufenanlage des Hochaltars reicht. Ein wesentlicher Baustein des Konzepts sind die links und rechts flankierenden Sedilien für den liturgischen Dienst sowie zusätzlich linkerhand die Kredenz. Sie bilden eine räumliche Fassung der Altarinsel und zugleich mit ihrem bewusst dunklen Farbton eine optische Brücke zum seitlich platzierten, historischen Chorgestühl. Dimensionierung, Höhen und Anordnung im Raum sind so gewählt, dass allen liturgischen Wegen, aber auch etwaigen Sicherheitsaspekten Rechnung getragen ist.
Diese wohlbedachte, raumgreifende Podestanlage bildet das ruhige Fundament für die expressiven Körper von Altar und Ambo. Der Altar besteht aus vier querrechteckigen Scheiben, die übereinander geschichtet sind und von einer offenen Welle unten durch sukzessive Streckung der Scheiben am Schluss in einer planen Mensa münden. Der textile Charakter wird durch die helle, annähernd weiße Farbgebung unterstrichen. Inspiriert ist diese Form von der Gloriole der Schutzmantelmadonna in der Apsis. Der Umstand, dass der Altar nur auf zwei Punkten lagert, bricht das große Volumen und verleiht ihm Durchlässigkeit. Der leicht gekrümmte Verlauf der Flanken lässt den Altar ferner organisch nach oben wachsen. Schließlich vermittelt die offene Kontur im unteren Bereich – ähnlich wie im Motiv des Schutzmantels – eine zum Mahl des Herrn einladenden Charakter.
Der Ambo nimmt das Wellenmotiv in 90° gedrehter, aber deutlich reduzierter Weise auf. Die zur Gemeinde gerichtete, organisch gekrümmte Front fügt sich harmonisch in die Stufenanlage und verleiht dem Wort einen fließenden Gestus. Altar und Ambo sind in hellem Kunststein gegossen, welcher der fließenden Formgebung adäquat ist, und zugleich eine Reverenz an Materialien der Bauzeit der Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts darstellt.
Der liturgische Neuausstattung von Susanne Wagner ist ein kraftvolles, zeitgenössisches Zeichen im historischen Raum, das der bislang disparaten Architektur erstmals Ordnung verleiht und die eher harsche Bildsprache der Ausmalung am zentralen Punkt in eine positive Stimmung wendet. Die Liturgie des II. Vatikanums wird konstituierend für das Erscheinungsbild des ganzen Kirchenraums. Versammlung der Gemeinde um den Altar und Präsenz von Mahlfeier und Wortverkündigung im Raum sind zeichenhaft materialisiert als Ausdruck einer zukunftsorientierten Seelsorge.
(Fotos: Robert Kiderle Fotoagentur)
Mit der Altarweihe am 30.11.2025 endete die dreijährige Phase der Umgestaltung und Neuausstattung des Altarraums der Pfarrkirche Maria Schutz – Zeit für einen Rückblick!
Der Prozess begann mit einem Termin mit Herrn Dr. Alexander Heisig, Fachreferent für Zeitgenössische Kunst und Kirche in der Hauptabteilung Kunst des Erzbischöflichen Ordinariats im Januar 2023, im Rahmen dessen die Idee zur Umgestaltung statt eines reinen Austauschs des Vorsteherbereichs (ursprünglicher Anlass für das Treffen) geboren wurde. Nach Beratungen und einem Grundsatzbeschluss in der Kirchenverwaltung kam im November 2023 Frau Susanne Wagner als Künstlerin mit ins Projekt, die bis März 2024 den Entwurf und das zugehörige Modell für die Umgestaltung und Neuausstattung ausgearbeitet hat, sowie Klaus Bogner als beratender Fachreferent aus der Hauptabteilung Bau des Erzbischöflichen Ordinariats. Nach Vorstellung und kleinen Optimierungen wurden Entwurf und Modell im Juni und Juli der Kirchenverwaltung sowie dem Pfarrgemeinderat vorgestellt, woraufhin die Kirchenverwaltung in ihrer Sitzung im September 2024 den Beschluss gefasst hat, die Umgestaltung anhand des Entwurfs von Frau Wagner weiter verfolgen zu wollen.
Am 03.12.2024 wurde dieser von der Bau- und Kunstkommission des Erzbischöflichen Ordinariats genehmigt, am 10.12.2024 hat die Kirchenverwaltung abschließend die Durchführung anhand der ausgearbeiteten Angebote sowie des Finanzierungsplans genehmigt und am 30.01.2025 hat die Landeshauptstadt München als Untere Denkmalschutzbehörde dem Vorhaben grünes Licht erteilt.
Die Umsetzung begann schließlich im April 2025 mit der Herausnahme der Kommunionbank durch die Schreinerei Königsdorfer mit sechs Handwerkern. Bis Mai 2025 hat Susanne Wagner gemeinsam mit Tim Bennet und Stefan Schütz das Modell in Originalgröße gebaut, das dann der Kirchenverwaltung präsentiert wurde. Im Juni hat die Firma Reichhart GmbH für uns mit zwei Handwerkern die Lautsprecheranlage umgebaut. Im August wurden die von der Firma Markgraf Licht GmbH konzipierten und gebauten Lampen durch drei Handwerker der Firma Markgraf sowie zusätzlich Michael Kumeth als unserem „Hauselektriker“ eingebaut. Im September folgte die Altarinsel, die die Schreinerei Hafner mit insgesamt sechs Handwerkerinnen und Handwerkern gebaut und aufgebaut hat.
Der Höhepunkt folgte im Oktober, als der von der Firma Stangl AG aus Kunststein gegossene Altar sowie Ambo zur Aufstellung angeliefert wurden. Diese wurden innerhalb von drei Tagen in mühevoller Handarbeit durch Susanne Wagner, Tim Bennet, Stefan Schütz sowie drei Handwerkern der Firma Sammer Garten- und Landschaftsbau aufgestellt, fixiert und verklebt. Kirchenmalermeister Heinz Gruber hat im Anschluss sowie während des gesamten Umbaus immer wieder Retuschearbeiten am Chorgestühl und an den Wänden vorgenommen – letztere unter Zuhilfenahme von Hebebühnen der Firma Arbeitsbühnen MingaLift GmbH, die mit zwei Mitarbeitern vor Ort war. Im November wurden schließlich noch einige defekte Bodenplatten durch den Steinmetzbetrieb Halbich getauscht und die Altarstufe, auf der die Kommunionbank stand, gereinigt.
Allen beteiligten Handwerker*innen, Künstler*innen, Firmen, Gremien und Behörden möchten wir an dieser Stelle unseren großen Dank aussprechen. Vergelt’s Gott, dass Sie zum Gelingen dieses wunderbaren Projekts beigetragen haben!
Die Kosten für die gesamte Maßnahme belaufen sich auf 233.126,60 Euro. Geplant und durch die Kirchenverwaltung genehmigt waren 240.784,09 Euro, womit die ursprüngliche Planung nach Abschluss erfreulicherweise um 7.657,49 Euro unterschritten wurde.
Von den Gesamtkosten trägt 40.000,- Euro die Hauptabteilung Kunst des Erzbischöflichen Ordinariats, die auch bereits den Entwurf und das Modell von Künstlerin Susanne Wagner mit 3.000,- Euro vollständig finanziert hat. Weitere 40.000,- Euro trägt der Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V.. 120.000,- Euro entnimmt die Pfarrkirchenstiftung der Rücklage des Überschusses verkaufter Opferkerzen, 30.549,18 Euro einer zweckgebundenen Rücklage für den Bauunterhalt der Kirche aus einer Erbschaft im Jahr 2015. 450,- Euro stammen aus dem Verkauf ausgetauschter Mikrofone an eine andere Pfarrei, 1.200,- Euro aus Spenden während der Bauphase und 927,42 Euro aus Spenden am Tag der Altarweihe.
Vielen Dank an alle Personen und Institutionen, die zum finanziellen Gelingen der Umgestaltung und Neuausstattung beigetragen haben. Vergelt’s Gott für Ihre Unterstützung!
Hier finden Sie den Film zur Entstehung unseres neuen Altarraums: