Wie
demokratisch der Pfarrgemeinderat ist, ist aber nicht nur eine Frage der Entscheidungsbefugnisse. Der PGR beruht auf dem
Bild von Kirche als Volk Gottes und Gemeinschaft, wie es das Zweite Vatikanische Konzil entworfen hat.
Auf Pfarreiebene ist er das Gremium, in dem die vielfältigen Dienste in Liturgie, Verkündigung und Diakonie vernetzt und aufeinander bezogen werden. Er kann als ein Kommunikationsraum verstanden werden, in dem ausgehend von den Zeichen der Zeit inspirierende Fragen gestellt werden und um zukunftsfähige Antworten gerungen wird. Das Urteil, der Pfarrgemeinderat sei
nur „beratend“ tätig, kann daher nicht dadurch relativiert werden, dass auf seine Entscheidungsrechte verwiesen wird. Ist der Rat, noch dazu ein „guter Rat“ wirklich so marginal zu sehen? In der kirchlichen Tradition ist dies anders. Bis in die Frühzeit der Kirche lässt sich die
hohe Wertschätzung des Rates und der Beratung nachweisen. So haben zum Beispiel für Bischof Ambrosius von Mailand (+397), einem der Kirchenlehrer der westlichen Kirche, die Ratgebenden eine wichtige Vertrauensstellung. Wer Rat gibt, hat in seinen Augen im wahrsten Sinne des Wortes ein „
Ehrenamt“ inne. Ambrosius beschreibt dies folgendermaßen:
„Es versteht sich … von selbst, dass derjenige, von dem man Rat erbittet, höher steht als der Bittende: man würde ja niemand zu Rate ziehen, von dem man nicht annehmen zu müssen glaubte, dass er besser im Stande sei, etwas klar zu stellen, als eigenes Verständnis leisten kann.“ Der Rat ist schon deswegen von hohem Wert, weil sich dadurch die Wahrnehmung weiten und viele Gesichtspunkte zur Sprache kommen können. Wer sich dem Rat anderer verweigert, gilt nicht umsonst als jemand, der von allen guten Geistern verlassen ist. Auch von seinem (biblischen) Grund her ist der Rat eine Gabe des Geistes Gottes.
Wer sich beraten lassen will, bedarf einer
Haltung der Offenheit, der Bereitschaft hören zu wollen, sich etwas sagen zu lassen und eine möglicherweise bereits gefasste Entscheidung auch wieder zur Disposition zu stellen. Rat ist daher von Grund auf
dialogisch und eine Form der Mitwirkung am Auftrag der Kirche. Auch eine Demokratie ist nur dann lebendig, wenn sich über den reinen Wahlakt hinaus Kommunikationsräume bilden, deren Grundmodus nicht im
Kämpfen und
Durchsetzen besteht, sondern in einem lernfähigen
Hören und
Antworten. In diesem Beziehungsgefüge kann und muss der Rat auch eine kritische Funktion haben. Schon aus diesem Grund ist es von Vorteil, dass die
Mitglieder des Pfarrgemeinderats gewählt und nicht berufen werden.
Wer nur zustimmt und Beifall bekundet: wem nützt das? Auch als Beratende sind also Pfarrgemeinderäte nicht die Handlanger des Pfarrers, sondern Mitarbeitende Gottes und Bauleute an seinem Reich. Ratgeben und Ratnehmen sind Vorgänge, die kein Oben und Unten vertragen. Sie finden auf
Augenhöhe statt. Guter Rat ist eine große Kostbarkeit. Dass ein Gremium Pfarrgemeinde
rat heißt, ist nach diesem Verständnis Auftrag und Auszeichnung zugleich. Damit die Kirche nicht
rat-los wird, braucht es den Rat.