30.8. Etappe Sansepolcro - Montecasale - Selci Lama
Heute ist der Tag der unterschiedlichen Möglichkeiten. Die Gruppengrenzen fallen und man entscheidet sich nach seinen Vorlieben, Interessen oder dem Zustand seiner Knie.
So kommt es, dass um 8 Uhr zwei neu zusammengewürfelte Gruppen zu Fuß das Hotel verlassen, sieben Kilometer zügig bergauf streben, um das Kloster Montecasale zu erreichen.
Alle anderen dürfen noch eine halbe Stunde länger frühstücken, um dann den Bus zu besteigen. Die Busfahrer haben dann noch die Möglichkeit, unterwegs auszusteigen, um sich die letzten vier Kilometer den Kreuzweg hochzubeten.
Die erste Fußgruppe nimmt die Gelegenheit wahr, in Sansepolcro den Dom und eine Marienkirche zu besichtigen.
Nach dem Durchqueren der Altstadt geht es wieder zügig hinauf und in den Wald hinein. Dunkle Wolken dräuen schon wieder, aber wir ignorieren sie so lange es geht.
Nach einer entspannenden Geradeaustrecke geht es bei einem Pilgerhospiz wieder in den Wald. Und ab da gilt "Brixen 2". (Anm.: Hinweis auf den Start im Pilgerjahr 2018. Nachzulesen im Blog.)
Brixen zwei heißt: Eng, dornig, lehmig mit Serpentinen durch dichten steilen Wald, alles noch nass vom letzten Regenguss. Das heißt aber auch schauen, wie die Anderen mitkommen, ab und zu eine Hand anbieten wenn es wieder durch ein Bachbett geht und die Pfeile legen, damit die Gruppe hinter uns weiß, wo wir abgebogen sind.
In der Zwischenzeit war die Kreuzweggruppe auch schon am Start, dazu aber aus anderer Feder genaueres. (Anm. siehe Exkurs unten.)
Der Weg hinauf kam uns lang und anstrengend vor, aber immer fanden wir etwas zu lachen, Pflanzen oder Kräuter anzuschauen, sogar Stachelschweinstacheln fanden wir. In der Luft lag ein intensiver Duft nach wildem Rosmarin und Wachholder.
Schließlich erreichten wir um kurz vor elf das Kloster Montecasale, wo Franziskus oft Zeit verbrachte. Dort begrüßte uns zuerst eine wunderbare Terrasse mit einer Aussicht weit nach Umbrien hinein, auf deren Mauer eine lebensgroße Franziskusstatue Platz genommen hatte. Außerdem Rastmöglichkeiten und Toiletten, Pilgerherz, was willst du mehr?
Dann besichtigten wir Kirche, Kloster und die kargen Zellen von Bonaventura, Antonius und Franziskus mit gemütlichen Holz- und Felsstücken statt Kopfkissen.
Um viertel nach elf trafen wir uns endlich zur Morgenandacht auf einem Platz über dem Kloster an einer weiteren Franziskusstatue. Als Impuls für den Weg nahmen wir die Legende von den bekehrten Räubern und in diesem Zusammenhang das Thema Respekt, auch vor denen, von denen wir meinen, sie verdienen ihn nicht.
Dann ging es flott weiter. Die Gruppen wurden wieder neu gemischt, einige stiegen mit schmerzenden Knien in den Bus nach Selci Lama ein. Aber doch viele machten sich wieder zu Fuß auf den Weg . Erst ein Stück nach oben über den Gipfel und dann mal mehr und mal weniger steil mit kurzen Bergaufpassagen in einem weiten Bogen ein Tal hinab und über die Toskanisch - Umbrische Grenze.
Die Sonne kam heraus, der Wald dampfte, Aromen von Thymian und wildem Dill lagen in der Luft, die Aussicht zeigte sich von ihrer schönsten Seite, so lange, bis uns dann doch unser täglicher Regenguss erwischte. Die Schirme und Jacken kamen wieder zum Einsatz, die wir in diesem Jahr bislang täglich gebraucht haben. Die Schritte wurden eiliger. Als der Donner heftiger grollte fanden unsere Leiter eine Abkürzung die uns von dem Berggrat herunterbrachte, dann aber über Stoppelfelder und zu Bauernhäusern führte, um den Abenteuerfaktor wieder zu erhöhen.
Aber dann war es doch geschafft. Die Regenklamotten konnten wir wieder wegpacken und auf unserem Weg durch Selci Lama empfing uns eine freundliche Bar kurz vor der Kirche mit Kaffee, Eis und der üblichen Schlange vor der Toilette.
Die Abendandacht verließen wir mit der Aufforderung, unsere Träume zu pflegen, zu verfolgen und auch anzunehmen, wenn sie ganz anders wahr werden als wir dachten.
Den Bus zurück nach Sansepolcro erreichten wir gerade noch trocken, aber es endete auch dieser Pilgertag im Regen. Mancher Schrittzähler hatte deutlich mehr als die angekündigten Kilometer gemessen, alle jedoch haben die Strecke ohne Blessuren oder wunde Füße überstanden.
Für heute Abend haben wir jetzt Aussicht auf ein gutes Essen und morgen auf etwas Erholung bei einer ebenen Etappe.
Christina B.
Exkurs:
Für die heutige Etappe stehen neben dem steilen Aufstieg durch den Wald zwei Alternativen bereit:
Peter manövriert den Bus bis zum Heiligtum hinauf. So bleibt einigen Interssierten viel Zeit die Klosteranlage in Betrachtung und Gebet auf sich wirken zu lassen.
Der größere Teil der Pilger schließt sich Pfarrer Schlossers Angebot an, die Stationen des Kreuzwegs, die über den 4km langen Fahrweg verteilt sind, zu beten.
In klarer, eindrücklicher Sprache hören wir an den Stationen vom Fallen, Scheitern und Wiederaufstehen, von Trost und Begleitung und der schieren Grausamkeit der Kreuzigung und des Todes Jesu.
Wir erfahren, wie eng dies alles mit unserem Lebensweg verknüpft ist und dürfen daraus Hoffnung erahnen.
Elisabeth W.
Mondnacht in Sansepolcro.
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