Kardinal Marx: „Keine Nuance des Hasses darf je hingenommen werden“

Erzbischof von München und Freising in Sorge angesichts neuer Nationalismen
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München, 14. Oktober 2016. Kardinal Reinhard Marx beobachtet die Entwicklung neuer Nationalismen in Europa mit Sorge. „In ganz Europa sind die Gesellschaften nervöser und erregter“, sagte der Erzbischof von München und Freising, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz sowie der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union COMECE ist, am Freitag, 14. Oktober, bei der Herbst-Vollversammlung des Diözesanrats der Katholiken in Freising. Häufig führe diese Entwicklung zu Abgrenzung voneinander und der Suche nach einer neuen Identität. „All das muss uns Sorge machen.“
 
Auch die Sprache innerhalb der gesellschaftlichen und politischen Debatten müsse genau beobachtet werden, mahnte Marx: „Keine Nuance des Hasses und der persönlichen Angriffe auf andere darf je hingenommen werden.“ Keiner, der eine Haltung des „wir zuerst“ vertrete, spreche eine christliche Sprache.
 
In diesem Sinne habe er persönlich auch ein Problem mit dem Begriff der sogenannten Leitkultur. „Der Staat soll Kultur fördern, aber er ist nicht Träger der Kultur. Das ist die Gesellschaft.“ Wichtig seien eine gesamtgesellschaftliche Debatte, was unsere Kultur ausmache, und entsprechende Leitlinien. Hier könne sich die Kirche mit ihren kirchlichen Verbänden einbringen als „Schwungrad“ des kulturellen Lebens und dessen Weiterentwicklung.
 
An die Politik gerichtet, forderte der Kardinal einen gemäßigteren Ton in den Debatten ein. Wenn ein Mitglied der bayerischen Staatsregierung sage, die Kirche sei zuständig für Barmherzigkeit und der Staat für Gerechtigkeit, „dann kann ich wenig damit anfangen“, sagte Marx: „Man sollte darauf verzichten, eine solche mich irritierende Arbeitsteilung auch noch öffentlich zu vertreten.“ Dies führe zu Missverständnissen, stellte der Erzbischof klar. „Katholische Soziallehre bedeutet, sich einzusetzen für soziale Gerechtigkeit, für eine Gesellschaft, in der jeder seinen Platz und seine Chance hat.“ Darauf zu verzichten, hätte die Konsequenz, große Teile der Lehre der Kirche zu ignorieren: „Das kann ich als Bischof nicht. Es ist sogar meine Pflicht mich einzumischen.“
 
Pauschale Kritik an der Politik in der Flüchtlingsfrage lehnte Marx indes ab: „Wir haben viele Politiker, mit denen wir wunderbar zusammenarbeiten.“ Er selbst könne nicht erkennen, dass die Kirche den Ton verschärft hätte. „Wir sind bei unserer Position geblieben, wir können auch keine andere haben.“
 
Die Teilnehmer der Vollversammlung des obersten Laiengremiums der Erzdiözese befassten sich im Kardinal-Döpfner-Haus am Freisinger Domberg mit der „Einheit in Christus“. Neben Kardinal Marx berichtete auch der Vorsitzende des Diözesanrats, Hans Tremmel, aus seiner Arbeit. Zum Abschluss des ersten Tages der zweitätigen Vollversammlung feierten die Teilnehmer gemeinsam einen Gottesdienst.  (uq/kel)