Dachau, 26. April 2025. Mit einem Gottesdienst in polnischer und deutscher Sprache haben am Samstag, 26. April, rund 1.400 Gläubige – darunter zehn Bischöfe aus Polen und Deutschland und mehr als 50 Priester – des 80. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau gedacht. Die meisten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Eucharistiefeier in der Todesangst-Christi-Kapelle auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers kamen aus Polen sowie den polnischen katholischen Gemeinden in Deutschland. Die Veranstaltung wurde von der Erzdiözese München und Freising und der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Polnischen Bischofskonferenz ausgerichtet.
Das Konzentrationslager Dachau hat für die katholische Kirche in Polen eine besondere Bedeutung, weil dort während des Zweiten Weltkriegs rund 1.800 polnische Priester inhaftiert waren, von denen etwa die Hälfte in Dachau ums Leben gekommen ist. Der Gottesdienst wurde geleitet von Erzbischof Józef Kupny (Breslau), dem stellvertretenden Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz. Im Rahmen eines Friedensgebets am Ende der gottesdienstlichen Feier wurden 57 Lichter in Erinnerung an die 57 bereits selig- beziehungsweise heiliggesprochenen Märtyrer von Dachau entzündet.
Erzbischof Kupny machte deutlich: „Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau, eines Ortes unvorstellbaren Leids, möchten wir erneut betonen: Die Kirche stand, steht und wird immer eindeutig und unwiderruflich auf der Seite der Opfer stehen. Polen und Deutschland – geprägt durch die Erfahrungen der totalitären Regime des 20. Jahrhunderts – haben ein besonderes moralisches Recht und die Verantwortung, die Welt vor fatalen Folgen zu warnen, wenn der Mensch an die Stelle Gottes tritt und das Evangelium durch menschengemachte Ideologien ersetzt wird. Dieses Jubiläum ruft uns zu Gedenken, Gebet und Verantwortung auf.“
Der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Michael Gerber (Fulda), betonte in seiner Predigt: „Das Zeugnis der Märtyrer in Dachau und das Zeugnis der katholischen Kirche in Polen lehren uns, dass wir als Christinnen und Christen einer Geschichte nie einfach nur ausgeliefert sind: nicht nur in den Jahren 1939 bis 1945, als Christen in Polen und an vielen anderen Orten unter Einsatz ihres Lebens Verfolgten halfen; nicht nur hier in den Baracken von Dachau; nicht nur im Jahr 1965, als gegen den Widerstand des kommunistischen Regimes die polnischen Bischöfe uns Deutschen ihren Brief der Versöhnung schrieben.“
Bischof Gerber hob die Bedeutung des Briefs der polnischen Bischöfe vom 18. November 1965 an die Deutsche Bischofskonferenz hervor, der „zu den eindrucksvollsten Schritten der Versöhnung“ gehöre, „die unser Kontinent in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg erfahren hat“. Der Brief bildete den Auftakt des historischen Briefwechsels zwischen den beiden Bischofskonferenzen, dem große Bedeutung für den Prozess der gesellschaftlichen und politischen Aussöhnung der Völker beigemessen wird. Von dem Brief der polnischen Bischöfe gehe, so Bischof Gerber, die Botschaft aus: „Friede ist möglich, wo erfahrenes Leid bleibend anerkannt und Unrecht bekämpft werden. Frieden ist möglich, wo ich im Anderen, bei allem, was uns voneinander unterscheidet, zuerst den Bruder und die Schwester sehe.“
Mit Blick auf die Erinnerung an die Verbrechen des NS-Regimes machte Bischof Gerber deutlich, dass wir 80 Jahre nach der Befreiung Dachaus „an einem sehr kritischen Punkt stehen. Die letzten Stimmen der Augenzeuginnen und Augenzeugen jenes Grauens verstummen in unseren Tagen für immer.“ Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wachse eine Generation junger Menschen heran, die keine Möglichkeit mehr habe, Vertretern der Erlebnisgeneration von damals zu begegnen. Vor diesem Hintergrund warb Gerber dafür, die Erinnerung wachzuhalten und dem Glaubenszeugnis der in Dachau inhaftierten Priester auf der Spur zu bleiben. Kraft ihres Glaubens hätten sie in der Hölle von Dachau ihren Mithäftlingen Trost und Zuversicht gespendet und so das Licht Christi in die Dunkelheit hineingetragen: „Folgen wir der Spur jener Zeuginnen und Zeugen von damals. Folgen wir ihr gerade in unseren Tagen, in denen die Würde des Menschen an vielen Orten mit Füßen getreten wird.“
In seiner Begrüßung bezeichnete der Generalvikar der Erzdiözese München und Freising, Christoph Klingan, den Gottesdienst als „ein starkes Zeichen für das Geschenk der deutsch-polnischen Freundschaft. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet zwischen diesen beiden Völkern nach den Verwundungen, die der Zweite Weltkrieg und das nationalsozialistische Deutschland Europa zufügten, einmal ein so enges Band entstehen könnte? Wer hätte geglaubt, dass Deutschland und Polen gemeinsam den europäischen Weg gehen würden – hin zu Verständigung, Einheit, Frieden?“ Ein entscheidender Baustein auf diesem Weg war und ist nach Ansicht von Klingan „die Erinnerungskultur, wie wir sie auch heute pflegen“. Die Erinnerungen an „die Schrecken von Dachau“ müssten „nicht bloß bewahrt, sondern weitergetragen werden. In unseren Worten. In unserem Handeln. In unserer Haltung“, so der Generalvikar. Es gelte, weiter „wichtige Zeichen des gemeinsamen Erinnerns“ zu setzen wie mit diesem Gottesdienst, Zeichen des „Versöhnung Suchens, Friedenstiftens und Hoffnung Gebens für alle Menschen in Polen, in Deutschland und darüber hinaus“.
In einem Grußwort wies der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller MdL, darauf hin, dass zeitweise über 2.700 Priester und Ordensleute aus verschiedenen Ländern in Dachau inhaftiert waren. „Die Geschichten all dieser Männer sind Zeugnisse des Glaubens und des Mutes, die uns lehren, wie wichtig es ist, auch unter den widrigsten Umständen für seine Überzeugungen einzustehen. Ihre Schicksale mahnen uns, den Wert der Menschlichkeit zu verteidigen. Diese tapferen Gläubigen waren und sind Vorbilder bis heute, über alle Konfessions- und Religionsgrenzen hinweg.“
Gabriele Hammermann, die Leiterin der KZ-Gedenkstätte, begrüßte die Anwesenden mit den Worten: „Sie alle, die Sie heute hier versammelt sind, setzen ein wichtiges Zeichen, wenn Sie in der Gedenkstätte Dachau – ein Ort, der für die Gewalt steht, die Deutsche mehr als 200.000 Häftlingen aus ganz Europa angetan haben – zu einem gemeinsamen Gedenken an die Opfer aufgerufen haben. Sie unterstreichen mit Ihrem Besuch ausdrücklich die Idee eines friedlichen Zusammenlebens. Dies entspricht dem Vermächtnis der Überlebenden, die dafür plädiert haben, stets für die unbedingte Würde des Menschen einzutreten und einen Wertekanon zu vermitteln, der vom Geist der Solidarität geprägt ist.“ (ps)
Hinweise: Die Predigt von Bischof Michael Gerber finden Sie zum Download unter
www.dbk.de.
Pressebilder zum Download: (Bildnachweis: (c) EOM / Andreas Pollok)