"Neulich war ich mit meiner zwei Jahre alten Tochter im Supermarkt einkaufen: Sie mit dem Kindereinkaufswagen, ich mit einem Korb. Wir hatten richtig Spaß dabei. Bis wir an die Kasse kamen. Damit es schnell voranging, habe ich die Sachen aus 'ihrem' Kindereinkaufswagen selbst auf das Kassenband gelegt. Da flippte sie plötzlich aus, schrie herum und weinte. Mir war das peinlich und äußerst unangenehm. In mir kochte die Wut hoch!" (Tino, 33 Jahre)
Sie schildern eine Situation, die schon viele Eltern erlebt und durchgemacht haben. Da ist es wirklich schwer, einen kühlen Kopf zu bewahren und angemessen zu reagieren. Eigentlich möchte man nur noch mit dem schreienden Kind auf den Arm die Flucht ergreifen …
Trotzphase?Oft wird solch eine Reaktion mit der sogenannten Trotzphase in Verbindung gebracht: Dem Kind wird unterstellt, dass es bewusst gegen Mama und Papa handelt. Ein Machtkampf geht oft mit heftigen Emotionen einher. Sowohl beim Kind als auch bei den Eltern. Das macht es so schwierig, gelassen und besonnen zu bleiben.
Oder Autonomiephase?Heute wird für diesen Entwicklungsschritt zwischen dem zweiten bis hin zum sechsten Lebensjahr häufig der Begriff Autonomiephase verwendet. Das lenkt den Blick darauf, dass das Verhalten des Kindes nichts mit Rebellion oder bösen Absichten zu tun hat. Sondern: Das Kind verhält sich „trotzig“, weil es gerade nicht anders
kann. Es erlebt sich mehr und mehr als eigenständige Persönlichkeit. Abläufe, die es wahrgenommen, gelernt und verinnerlicht hat, möchte es anwenden. Doch das klappt nicht immer. Und das löst Frust aus, den Eltern dann – so wie Sie im Supermarkt – als „Ausflippen“ erleben.
Was hinter dem trotzigen Verhalten stecktDabei wollte Ihre Tochter an der Supermarktkasse doch eigentlich nur überprüfen, ob das, was sie gelernt hat, auch stimmt und funktioniert. Denn: Sie möchte selbstbestimmt handeln und sich fähig fühlen. Das haben Sie unabsichtlich durchkreuzt, indem Sie die Produkte aus dem Kindereinkaufswagen selbst auf das Kassenband gelegt haben. Gleichzeitig haben Sie ihr damit signalisiert:
„Du kannst das nicht!“ – so fühlte Ihre Tochter sich in ihrem Bedürfnis nach Selbstständigkeit missachtet.
Wie Eltern angemessen auf Wut reagierenIn diesen für beide Seiten schwierigen Situationen respektvoll und förderlich zu handeln, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Zunächst einmal: Auch Eltern können und müssen nicht in jeder Lage perfekt sein. Was bei Trotzanfällen hilft, ist eine Portion Gelassenheit und Verständnis für das Kind:
- Sorgen Sie gut für sich, besonders dann, wenn es im Familienalltag oder im Job hoch hergeht. Gönnen Sie sich selbst immer wieder kleine Auszeiten und Oasen, in denen Sie Kraft tanken. Manchmal reicht es schon, kurz innezuhalten und tief durchzuatmen, um die Ruhe zu bewahren und nicht sofort aus dem Bauch heraus zu reagieren.
- Und: Machen Sie sich klar – das Handeln Ihres Kindes ist nicht gegen Sie persönlich gerichtet. Sondern ein Signal mit einer Botschaft: Ich will verstehen, ich will ausprobieren, ich will selbständig sein, ich will mich fähig fühlen. Dabei lernt es sich als eigenständige Persönlichkeit kennen und trainiert gleichzeitig seine Kooperationsfähigkeit.
Was tun bei einem Trotzanfall?Was also hilft bei einem „Trotzanfall“, so wie neulich mit Ihrer Tochter im Supermarkt? Erst einmal tief durchatmen und sich vergegenwärtigen: Mein Kind macht das nicht, um mich zu ärgern. Für Ihre Tochter ist es wichtig zu spüren: Es ist okay, dass du deinen eigenen Willen hast. Ich bin für dich da und habe dich lieb. Zum Beispiel, indem Sie die Situation im Nachhinein zusammenfassen und erklären: „Du wolltest die Sachen aus deinem Einkaufswagen selbst auf das Band legen. Und jetzt bist du enttäuscht und sauer, weil ich das für dich gemacht habe. Ich war in Eile und habe nicht bedacht, dass du das ja schon alleine kannst.“