„Ziemlich erfinderisch“ – zur Ehre Gottes und zur Freude der Feiernden Max Eham: Priester, Komponist und Wegbereiter einer neuen Kirchenmusik

„Der leibhaftige Bindestrich zwischen München und Freising“ – so nannte ein Priester einmal augenzwinkernd Prälat Max Eham. Treffender lässt sich sein Wirken kaum beschreiben: Als Domkapellmeister in Freising und München prägte er von 1949 bis 1990 die Kirchenmusik maßgeblich mit. Seine Werke schlagen eine musikalische Brücke von der schweren Nachkriegszeit in die Moderne – und werden bis heute geschätzt.
 
Max Eham vor einer Partitur seiner Missa "Haec Dies"
Max Eham im Profil, fotografiert in den frühen 1970er Jahren von Wolfgang Langassner, der viele Jahre als Kontrabassist im Domorchester Freising und München mitgewirkt hat. Im Bildhintergrund die autografe Partiturseite seiner 1949 komponierten großen Missa Haec Dies; hier das Gloria mit der Schlussfuge „In Gloria Die Patris…“.
Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) war katholische Kirchenmusik weltweit von sakraler Strenge bestimmt. Papst Pius XII. betonte noch 1955 in seiner Enzyklika Musicae Sacrae Disciplina, weltliche Einflüsse seien unerwünscht. Doch das Konzil brachte einen Perspektivwechsel: Liturgie und Kirchenmusik sollten verständlich und möglichst in der Volkssprache verfasst sein. Die Gläubigen sollten nicht nur zuhören, sondern aktiv am Gottesdienst mitwirken und mitsingen. Für viele war das zunächst ungewohnt. Der Klang der deutschen Sprache im Gottesdienst wirkte fremd und wenig „heilig“.

Kardinal Julius Döpfner (1913-1976) war damals Erzbischof von München und Freising und einer der vier Moderatoren des Konzils. Seit 1965 war er auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. In seiner Position war es besonders wichtig, dass die Liturgiereform umgesetzt wurde. Als der damalige Diözesan-Musikdirektor sich mit einem Rundschreiben an die Kirchenchöre (1) wandte, ergänzte Döpfner ein appellierendes Vorwort, „um Euch zu sagen, wie sehr der Bischof auf Euch in dieser Stunde der liturgischen Erneuerung rechnet.“

Max Eham: Priester, Komponist, Domkapellmeister

Max Eham wurde 1915 im oberbayerischen Parsberg bei Miesbach geboren und 1939 zum Priester geweiht. Nach einer Zeit als Präfekt am Freisinger Knabenseminar absolvierte er ein Zweitstudium in Kirchenmusik. Er war ausgebildet in mehreren Instrumenten – Geige, Klavier, Orgel, Flöte und Horn – und wurde 1949 zum Kirchenmusikchef an der Freisinger Kathedrale ernannt. Damit war er einer der letzten Priesterkomponisten und geistlichen Domkapellmeister der Erzdiözese.
 
Max (l.) und Markus Eham
Max Eham mit Neffe Markus Eham (r.). Hier vor dem Altenheim St. Michael in München-Berg am Laim, ca. 2007.
Damals war die Liturgie noch in Latein gehalten, musikalisch dominierten der gregorianische Choral und die klassische Mehrstimmigkeit. In dieser Tradition verwurzelt, orientierte sich Eham an der Tonsprache der Wiener Klassik und Spätromantik. So entstand 1949 zum Korbiniansfest seine große Messe Haec Dies – eine Komposition im Stil Anton Bruckners, die bei ihrer Uraufführung wegen ihres klanglichen Reichtums große Anerkennung fand. 1957 komponierte Eham die Korbiniansvesper, die seither, ab 1975 liturgisch erneuert, in fast jedem Jahr beim Fest des Diözesanpatrons St. Korbinian im Freisinger Mariendom gesungen wird.

Neue Wege für eine neue Liturgie

In der aufstrebenden Demokratie der Nachkriegszeit wuchs in der deutschen katholischen Kirche der Wunsch nach mehr Mitgestaltung der Gläubigen. Die Kirchenmusiker mussten umdenken. Max Eham war für solche Entwicklungen früh sensibilisiert und hat mit großer Offenheit darauf reagiert.
Sein Neffe, Professor Markus Eham, Leiter des Max-Eham-Archivs, hat mit Unterstützung von Dr. Florian Mayr zahlreiche Dokumente und Notenblätter aus dieser Zeit zusammengetragen. „Mein Onkel war ziemlich erfinderisch darin, die Gemeinde im Singen aktiv in den Gottesdienst einzubinden“, berichtet Markus Eham. Es entstanden zahlreiche Liedsätze, bei denen Chor und Gemeinde, oft begleitet von Bläsern, im strophenweisen Wechsel singen. Auch seine Vesper-Kompositionen gelten als bedeutend. „Damit leistete er für die Anforderungen der Zeit als Domkapellmeister in Freising echte Pionierarbeit“, so Markus Eham.
 
Als 1965 die Instruktionen zur Liturgiereform erschienen, war Max Eham seiner Zeit bereits voraus: Seine deutschsprachigen Kompositionen galten als Musterbeispiele, wurden verlegt und fanden rasch Eingang in den Gemeindegesang. Besonders geschätzt wurde sein Gespür, Altes mit Neuem zu verbinden.

Lebenswerk und Nachklang

1969 übernahm Max Eham da Amt des Domkapellmeisters an der Münchner Frauenkirche. Parallel dazu lehrte er an der Hochschule für Musik und Theater in München, wo er 1975 zum Honorarprofessor ernannt wurde. In den folgenden Jahren schuf er eine Vielzahl an Messen, Motetten, Vespern und vier Requiem-Vertonungen. Mit großer Selbstverständlichkeit stellte er sein musikalisches Talent in den Dienst der Kirche und lebte darin seine Berufung.
 
Gotteslob aus dem Jahr 1975 mit der Neutextierung "Groß Dir Du Heilige"
Im Gemeinsamen Gebet- und Gesangbuch „Gotteslob“ von 1975 ist auch die Neufassung „Gruß dir, du Heilige“ (1966) von Max Eham abgedruckt - neben der ursprünglichen Textfassung von 1692. Diese Neutextierung findet sich, neben allerlei Kehrversen und Vertonungen von Max Eham, auch im „neuen“ Gotteslob von 2013 und gehört damit zum Gesangsgut im Eigenteil mehrerer deutscher Diözesen.
Max Eham selbst erzählte schmunzelnd, dass immer, wenn für ein Hochfest deutschsprachige Kirchenmusik gebraucht wurde, es hieß: „Also gell, sei so gut und mach’ das!“ Und Max Eham unterstützte: „Da habe ich mich halt drangemacht und viele, viele Noten geschrieben.“

1977 ernannte ihn Papst Paul VI. zum Ehrenprälaten, 1986 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande. Trotz aller Ehrungen blieb sein persönliches Auftreten immer bescheiden. Neben seinen kirchenmusikalischen Kompositionen verfasste er auch bedeutende Instrumentalstücke und schrieb humorvolle Gedichte, Gstanzln und kleinere Theaterstücke.

Als Max Eham 1990 als Domkapellmeister in München aus dem Dienst schied, konnte er auf ein eindrucksvolles Lebenswerk zurückblicken. Einige seiner Werke, etwa die Neufassung des Marienlieds „Gruß dir, du Heilige“ (1966) oder das „Pater-Rupert-Mayer-Lied“ (1987) fanden Eingang in das Gotteslob. Auch im Ruhestand blieb er im Einsatz – als Zelebrant, Organist und Leiter des Asam-Singkreises. Max Eham verstarb 2008 im Alter von 93 Jahren in München.
 
Seine Musik lebt weiter

Einer seiner heutigen Bewunderer ist Sebastian Adelhardt, Kapellmeister und Chordirektor an St. Peter in München. „Seine Musik ist mir sehr nahe, weil sie immer den Ton trifft. Sie vermag zu trösten, gibt neue Hoffnung, bestärkt im Glauben und ist wunderbar feierlich“, sagt der 45-Jährige.

Zum Patroziniumsfest 2015 führte Adelhardt den „St. Peter- und Pauls-Ruf“ (1963) von Max Eham wieder ein: „Er hat einen frischen und freudigen Charakter. Das Spiel mit fanfarenartigen Quart- und Quint-Sprüngen zu Beginn entspricht einem wirklichen Rufen.“ Und er erinnert sich: „Jeder freute sich damals, diesen Lied-Ruf zu hören und mitzusingen, und alle fanden es super, dass diese alte Tradition im Gottesdienst wieder auflebt. Es war sensationell.“

Auch in vielen anderen Pfarreien im Erzbistum lebt die geistliche Musik von Max Eham: Neben den Domkirchen in München und Freising zum Beispiel auch in Freising-Neustift, München-St. Maximilian, Erding-St. Johannes, Prien-Mariä Himmelfahrt, Fürstenfeldbruck-St. Bernhard und Tegernsee-St. Quirinus. Zur Ehre Gottes – und zur Freude der Feiernden!

(1) Rundbrief als Beilage zum Amtsblatt 1965. Quelle: Archiv und Bibliothek des Erzbistums München und Freising.
 
Max-Eham-Archiv

Hier können Sie mehr über das Max-Eham-Archiv erfahren und auch zu Hörproben gelangen.