Ein Hauch von Leben Das Münchner Sternenkind Netzwerk bietet früh verwaisten Eltern Hilfe

Wenn das eigene Kind vor, während oder kurz nach der Geburt stirbt, bricht für Eltern plötzlich ihre ganze Welt zusammen. Beim Münchner Sternenkind Netzwerk – einem Projekt des Vereins Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München e.V. – erhalten sie Unterstützung und Begleitung und können sich in Gesprächsgruppen austauschen und vernetzen. Ein wichtiger Anker sind auch Gedenkfeiern, die mehrmals im Jahr an unterschiedlichen Orten in München stattfinden und der Trauer und Erinnerung der Angehörigen einen Raum geben. Ein Gespräch mit der Projektleiterin Astrid Gosch-Hagenkord über belastende Berührungsängste, trostspendendes Gedenken und das große Engagement betroffener Eltern und Geschwister
 
Auf dem Foto ist ein Gedenkstein mit der Aufschrift "Du fehlst" für ein früh verstorbenes Kind zu sehen
Orte der Trauer und des Gedenkens sind für früh verwaiste Eltern enorm wichtig. Deshalb haben auch Geburtskliniken auf verschiedenen Münchner Friedhöfen Gräber, wo mehrmals im Jahr Gemeinschaftsbestattungen stattfinden.
Frau Gosch-Hagenkord, wie ist das „Münchner Sternenkind Netzwerk“ entstanden?
Wir vom Verein Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München e.V. erfuhren in persönlichen Gesprächen, dass sich die Sterneneltern oft alleine und hilflos fühlen, sie von Ärzten, Hebammen und Angehörigen in der Akutsituation nicht aufgefangen und mitunter nur unzureichend nach ihren individuellen Bedürfnissen unterstützt werden. Die trauernden Eltern sind vielerorts mit Berührungsängsten konfrontiert. Das Thema ist immer noch angstbelastet. Es fehlt oft nicht nur an Aufklärung und Sensibilisierung, sondern auch an geschützten Räumen, in denen Trauer und Gedenken einen festen Platz haben. Neben Gesprächsgruppen und Beratungsangeboten initiiert das Münchner Sternenkind Netzwerk deshalb auch gemeinsam mit der katholischen und evangelischen Kirche vor Ort Gedenkfeiern für fehl- und totgeborene Kinder.
 
Auf dem Foto ist Astrid Gosch-Hagenkord, Projektleiterin des Münchner Sternenkind Netzwerkes
Astrid Gosch-Hagenkord, Projektleiterin des Münchner Sternenkind Netzwerks und Trauerbegleiterin im Verein Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München
Wo und wie häufig in München finden diese Gedenkfeiern statt?
Die Gedenkfeiern und Gottesdienste finden über das Jahr verteilt an vier Orten statt: Am Friedhof Riem, in der Aussegnungshalle am Ostfriedhof, am Waldfriedhof und am Friedhof in Haar. Sie sind nach und nach gewachsen und haben sich durch persönliche Kontakte gegründet. Es ist schön zu beobachten, dass die Initiative oft aus den Pfarreien selbst kommt. Meist sind es betroffene Mütter und Väter wie etwa jüngst in Haar, die den Anstoß geben und entsprechende Gedenkfeiern ins Leben rufen oder unterstützen, um einen gemeinschaftlichen Ort der Trauer und Erinnerung zu schaffen.
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Vielen Eltern tut es enorm gut, den Namen ihres verstorbenen Kindes noch einmal erklingen zu hören.
Astrid Gosch-Hagenkord, Projektleiterin Münchner Sternenkind Netzwerk
Gedenkfeier Sternenkinder Ostfriedhof
Auf dem sternförmigen Mosaikboden der Aussegnungshalle am Ostfriedhof, können Sternenkindeltern während eines Gedenkgottesdienstes Kerzen für ihre Kinder aufstellen. Pastoralreferent Gerhard Wastl im Pfarrverband Obergiesing hielt im Jahr 2023 die Gedenkfeier ab.
Was sind die Charakteristika dieser Gedenkfeiern?
Beim Gedenkgottesdienst in der Aussegnungshalle am Ostfriedhof bin ich stets mit dabei. Am Anfang empfangen wir die meist rund 20 bis 30 Besucher, darunter Eltern, Großeltern, Geschwister und Freunde, fragen nach dem Namen des verstorbenen Kindes und ob die Angehörigen möchten, dass wir den Namen im Gottesdienst verlesen. Der Pastoralreferent überreicht jedem eine Kerze. Diese entzünden die Besucher später an der Osterkerze.

Wunderbar passend ist, dass dort ein sternförmiges Mosaik angebracht ist, auf dem die Kerzen platziert werden können. Nach einer Ansprache werden die Namen mit dem Anschlagen der Klangschale verlesen. Weil der Name ansonsten nicht mehr ausgesprochen wird, tut es den Eltern enorm gut, ihn noch einmal erklingen zu hören. Nach dem Gottesdienst gehen einige Angehörige, die kein eigenes Grab für ihre Kinder haben, mit dem Pastoralreferenten stellvertretend zum Grab der München Kliniken am Ostfriedhof.

Warum gibt es die Gräber der Münchner Geburtskliniken?
Das liegt an unserer Gesetzeslage: Wenn Kinder tot auf die Welt kommen, die unter 500 Gramm wiegen oder vor der 24. Schwangerschaftswoche geboren wurden, steht es den Eltern frei, ob sie das Kind individuell bestatten wollen. Wenn dies nicht der Fall ist, ist die Klinik verpflichtet, das Kind „würdevoll zur Ruhe zu betten“. Deshalb haben die Münchner Geburtskliniken auf verschiedenen Münchner Friedhöfen Gräber. Dort finden mehrmals im Jahr Gemeinschaftsbestattungen statt. Während manche Eltern sagen, sie brauchen ein eigenes Grab, das sie nach ihren Vorstellungen pflegen möchten, ist es für andere wiederum sehr tröstlich zu wissen, die Kinder sind zusammen und nicht alleine, wie etwa auf der Grabanlage „Regenbogen“ am neuen Waldfriedhof.
 
Auf dem Foto ist die Hand einer Mutter zu sehen, die die Hand ihres verstorbenen neugeborenen Kindes hält.
Wenn ein Kind während oder früh nach der Geburt stirbt, leisten oft Krankenhausseelsorger:innen Akuthilfe.
Wie wichtig ist für die mitunter kirchenfernen Angehörigen das Erleben von Spiritualität in Form eines Gedenkgottesdienstes?
Für viele Eltern stellen sich existenzielle Fragen. Sie sehnen sich in dieser Grenzsituation nach Antworten. Wo ist mein Kind jetzt? Wie geht es ihm? Für die Eltern ist es enorm wichtig, dass sie in der Kirche in dieser für sie nur schwer zu ertragenden Ausnahmesituation einen Platz haben und gesehen werden. Es ist für sie eine positive Erfahrung, dass man für sie Gedenkveranstaltungen organisiert, bei denen ihre Kinder gewürdigt werden und ihrer gedacht wird. Die Botschaft der Kirche „Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand“ ist eine enorme Hilfe für betroffene Eltern und Geschwister. Sie fühlen sich angenommen. Dass bei den Gedenkfeiern nicht nur „Kirchenpersonal“ anwesend ist, sondern auch jemand von uns, der selbst betroffen ist und ihren Schmerz nachfühlen kann, ist eine zusätzliche Bereicherung. Oft ist auch die Klinikseelsorge ein Türöffner für die Betroffenen, um Kirche wieder näher zu kommen.

Inwiefern Türöffner?
Wenn die Eltern in der ersten tiefen Trauerphase im Krankenhaus eine gute Klinikseelsorge erlebt haben, prägt sie das positiv. Sie werden in ihrer akuten Not aufgefangen. Es ist jemand da, der ihnen zuhört, der den Schmerz mit ihnen aushält. Leider sind die Klinikseelsorger:innen zunehmend überlastet und haben immer weniger Zeit, die einzelnen trauernden Mütter und Väter zu begleiten.

Sie bieten auch offene Gesprächsgruppen für Sternenkindeltern an.
Wir bieten zwei Gruppen an, eine, die seit der Corona-Pandemie virtuell stattfindet und eine in Präsenz in unseren Räumen in Haidhausen. Die Angebote sind niederschwellig und kostenfrei. Jeder ist willkommen. Am Anfang, kurz nach dem Tod des Kindes, sind bestenfalls viele Menschen da, die unterstützen, vom Bestatter über Familie bis hin zu Freund:innen. Jedoch empfinden viele Sterneneltern den Austausch mit Gleichbetroffenen als besonders hilfreich und heilsam. Auch in der Folgezeit, in den Jahren danach braucht es Angebote, um im Alltag Halt und einen Raum für sich und das verstorbene Kind zu finden.

Unsere Gesprächsangebote bieten einen Ort und eine Gemeinschaft als Fixpunkt. Wir schaffen regelmäßig einen Raum des Gedenkens und Innehaltens. In diesem geschützten Raum können sich betroffene Eltern am unkompliziertesten austauschen. Man muss sich nicht erklären, muss sich nicht vortasten, ob das Gegenüber damit umgehen kann oder ob man als Betroffener selbst Brücken bauen muss.
 
Auf dem Foto ist die Grabanlage „Regenbogen“ für Föten und totgeborene Kinder auf dem Waldfriedhof, Neuer Teil, zu sehen
Gemeinschaftsgrabanlagen wie die „Regenbogen-Anlage“ am neuen Waldfriedhof geben trauernden Eltern das Gefühl, dass ihre Kinder auch über den Tod hinaus nicht alleine sind.
Sie sprechen immer wieder vom Engagement von Menschen, die selbst vom Verlust eines Kindes betroffen sind, einschließlich Ihrer selbst. Wie wichtig ist für das Engagement des Vereins die Unterstützung von Ehrenamtlichen?
Unser Verein Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München e.V. wird durch Ehrenamtliche getragen. Ohne ehrenamtliches Engagement von Betroffenen wäre unsere Arbeit nicht möglich. Ich bin in Teilzeit angestellt, übernehme die Koordination und mache die Einzel- und Paarberatungen. Aber alle Gruppenleiter:innen sind Ehrenamtliche. Wichtig ist uns, dass alle Gruppenleiter:innen in der Trauerbegleitung fachlich geschult sind, sich fortbilden und auch Supervisionen erhalten. Der Verein finanziert das durch Mitgliederbeiträge, Spenden und Zuschüsse. 

Das Gespräch führte Angelika Slagman, April 2024
 

Sternenkinder

Sternenkinder sind Kinder, die während der Schwangerschaft, unter der Geburt oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Dazu gehören auch Ungeborene, die aufgrund eines medizinisch indizierten Abbruchs nicht lebend geboren wurden, und Kinder, die am Plötzlichen Kindstod gestorben sind.
 
Logo Münchner Sternenkind Netzwerk

Münchner Sternenkinder Netzwerk

Das Münchner Sternenkind Netzwerk ist ein Projekt der Verwaisten Eltern und trauernden Geschwister München e.V. und wurde 2020 gegründet. Es bietet Akuthilfe und Begleitung für früh verwaiste Eltern und ihre Familien durch geschulte, meist selbst betroffene Trauerbegleiterinnen und Begleiter an. Auch Freunde und Angehörige erhalten über das Netzwerk Informationen und Beratung, wie sie Sterneneltern unterstützen können.

Darüber hinaus umfasst das Konzept des Netzwerk auch die Kontaktpflege zu medizinischem Fachpersonal in Geburtskliniken, gynäkologischen Praxen, Pränatalzentren und Beratungsstellen. Durch Gespräche und Fortbildungen wird die Sensibilisierung für die Belange und Bedürfnisse der betroffenen Eltern gefördert. Hier finden Sie weitere Informationen.
 

 

Gedenkstätte für Sternenkinder im Pfarrverband Mauern

Anlässlich der 72-Stunden-Aktion des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) besuchte Kardinal Marx am 21. April 2024 die Aktionsgruppe der Ministranten des Pfarrverbands Mauern im Nordosten des Landkreises Freising. Auf dem dortigen Friedhof weihte der Kardinal eine Gedenkstätte für Sternenkinder ein, die Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gemeinsam angelegt hatten. Da es im Mauerner Friedhof bisher noch kein Sternenkindergrab gab, wollten wir als Ministranten einen solchen Ort schaffen, um Betroffenen eine schöne Rückzugs- und Gedenkstätte zu bieten, beschreiben die Kinder und Jugendlichen ihre Projektidee. Rainhard Kardinal Marx zeigte sich bei seinem Besuch beeindruckt von der Tatkraft und sprach seine Dankbarkeit aus. „Junge Menschen engagieren sich für die Gesellschaft, für das Gemeinwohl. Da kann ich nur sagen: Danke! Vergelt’s Gott dafür!“, so der Erzbischof von München und Freising
 
 

„Die Welt ein Stückchen besser machen“

Bei der diesjährigen 72-Stunden-Aktion engagierten sich im Erzbistum rund 1.600 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in mehr als 90 Aktionsgruppen für den guten Zweck und setzten in ihren Gemeinden soziale, ökologische, interkulturelle und politische Projekte um. So gestalteten sie etwa generationsübergreifende Spieleangebote, nähten Stoffengel für die Trauerarbeit oder pflanzten Bäume & Blühwiesen im Ort.

Gedenkfeiern für fehl- und totgeborene Kinder

Hier finden Sie die Orte und Termine der Gedenkfeiern und Gebete in und um München.