Kardinal Marx warnt vor Klerikalismus und Selbstherrlichkeit in der Kirche

Erzbischof von München und Freising feiert Gedenkgottesdienst zum 50. Todestag von Romano Guardini
Gedenkgottesdienst Romano Guardini
Kardinal Marx betet in der Seitenkapelle von St. Ludwig am Grab von Romano Guardini. (Foto: Kiderle)
München, 2. Oktober 2018. Kardinal Reinhard Marx hat mit Blick auf die Missbrauchsdebatte erneut vor Klerikalismus und Selbstherrlichkeit in der Kirche gewarnt: Bei einem Gedenkgottesdienst anlässlich des 50. Todestags des Religionsphilosophen Romano Guardini erinnerte der Erzbischof von München und Freising daran, dass dessen Schriften stellenweise auch ein „Leiden an der Kirche, an Klerikalismus und Selbstherrlichkeit“ dokumentierten. Es bestünde immer die „Gefahr, dass Kirche den Weg nicht öffnet, den Blick nicht weitet, sondern zur Mauer wird, zu einer Verhinderung des Glaubens, nicht zu einer Hinführung zum Glauben“, so Marx bei dem Gottesdienst in der Universitätskirche St. Ludwig am Montagabend, 1. Oktober. Die Messe fand statt im Rahmen eines Dies academicus zu Ehren Guardinis, für den Kardinal Marx im Dezember vergangenen Jahres ein Seligsprechungsverfahren eröffnete.
 
Entscheidend sei, so der Erzbischof, „ob der Mensch sich auf den Weg macht, Christus nachzufolgen, sich öffnet, oder ob er der alte Adam bleibt, um sich selbst kreist, mächtig, stark, selbstherrlich“. Dies gelte auch für die Kirche: „Der alte Adam ist nicht der Weg der Kirche.“ Die Institution Kirche habe sich dem „Ziel zu unterwerfen, dem Evangelium Raum zu geben. Was dabei Hindernis ist, muss weggeräumt werden.“ Mit Verweis auf Guardinis Satz „Die Kirche erwacht in den Seelen“ forderte Kardinal Marx eine „neue Gestalt der Kirche, die von innen her gelebt wird, so dass alle Kirche sind“.
 
Marx verwies auf Kardinal Julius Döpfner, der beim Requiem für Guardini dessen Theologie mit den Schlagworten zusammenfasste: existenzieller Glaube, brüderlicher Glaube und redender Glaube. In diesen drei Aspekten sei Guardini auch „ein Theologe der jetzigen Zeitstunde“, so Marx. Als existenziell ziele der Glaube auf das Leben, bleibe nicht „leere Spekulation“, sondern sei in das Leben hineingestellt und eröffne neue Möglichkeiten. Als geschwisterlicher Glaube führe er zusammen, sei „eine Einladung an alle, mitzugehen, eine Gemeinschaft, kein exklusiver Club“ zu sein. Als redender Glaube müsse er schließlich „ins Wort, in ein Wort, das verständlich ist, nicht banal, aber aufschließend, niemanden ausschließend“. Gerade mit Blick auf diese Aktualität und Bedeutung Guardinis für die Kirche betonte Marx: „Einen solchen Seligen brauchen wir für unsere Zeit.“
 
Romano Guardini (1885-1968) war Priester und Professor für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung, zunächst in Berlin, später in Tübingen, von 1948 bis 1962 an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er auch als Universitätsprediger an St. Ludwig wirkte. Der Theologe erreichte in Kirche und Hörsaal eine breite Zuhörerschaft. Er gilt als ein Wegbereiter der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils. (ck)