Marx: Soziale und ökologische Krise nur zusammen lösbar

Vortrag des Erzbischofs von München und Freising im ecuadorianischen Quito
Kardinal Marx und Hans Tremmel bei Diskussion in der Päpstlichen Katholischen Universität Quito
Kardinal Reinhard Marx (li) und Hans Tremmel
Quito, 2. September 2017. Kardinal Reinhard Marx hat bei einer Ecuador-Reise vor nationalen Egoismen und Populismus gewarnt. „Im Augenblick erleben wir eine starke Bewegung in der internationalen Politik, das verstärkte Eintreten der Großen für ihre eigenen nationalen Interessen. Das Weltgemeinwohl ist nicht mehr so stark im Blick“, sagte der Erzbischof von München und Freising bei einer akademischen Diskussion in der Päpstlichen Katholischen Universität in Quito am Samstag, 2. September (Ortszeit). Ziel müsse der Aufbau einer weltweiten Rahmenordnung sein, um „den politischen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen zu begegnen“.
 
Das Sozialinstitut CEPES, das vor fünf Jahren auf Betreiben von Marx in der Stadt Guayaquil gegründet worden war, um die Ideen der Katholischen Soziallehre in der Gesellschaft zu verankern, veranstaltete die Tagung unter dem Titel „Die Kirche und die Verantwortung für das gemeinsame Haus“. Vertreter der nationalen katholischen Laienorganisation CELCA, ecuadorianische Bischöfe und Wissenschaftler diskutierten mit dem Münchner Erzbischof und mit dem Sozialethiker und Vorsitzenden des Diözesanrats der Katholiken, Hans Tremmel, über die von Papst Franziskus verfasste Umwelt- und Sozialenzyklika „Laudato Si‘“.
 
In seinem Vortrag wies Marx darauf hin, dass die soziale und die ökologische Krise sich gegenseitig bedingten und auch nur zusammen gelöst werden könnten. „Wie können wir so zusammenleben, dass alle Menschen eine Chance bekommen und zugleich die Schöpfung bewahrt wird?“ Es brauche eine „ganzheitliche Fortschrittsidee“. Eine Voraussetzung dafür sei, dass es politische Akteure auf nationaler und internationaler Ebene gebe, „die ethisch motiviert sind und diese Ziele im Blick behalten“.
 
Zunehmend werde erkannt, dass das Wirtschaftswachstum nicht der einzige Maßstab für Fortschritt sein könne. „Populismus und Nationalismus könnten die politischen Kosten sein, wenn nur noch das Ökonomische im Vordergrund steht und nichts anderes mehr die Menschen zusammenhält“, betonte der Erzbischof. Wichtig sei daher, dass sich die Kirche auf Basis von „Laudato Si‘“ in die weltweite öffentliche Debatte einmische. „Wer ist ansonsten da, der die Brüderlichkeit aller Menschen deutlich macht?“
 
Tremmel kritisierte, in Ländern wie Deutschland gäbe es eine gewisse „Selbstzufriedenheit beim Thema Umweltschutz. Die Leute trennen Müll, manche verzichten gar aufs Autofahren und fühlen sich ganz großartig.“ Dabei verstünden viele nicht die weltweiten Zusammenhänge. „Wir müssen uns auch gegen die Ausbeutung der Natur in Ecuador oder Brasilien zur Wehr setzen, wenn wir die Welt retten wollen.“ Auch produzierten die Rüstungslieferungen aus Deutschland neue Flüchtlinge. „Ich bin den Freunden von CELCA außerordentlich dankbar, weil sie uns immer wieder die Augen öffnen für die ökologische und soziale Situation. Wir lernen von ihnen.“
 
Kardinal Marx bereist gemeinsam mit einer Delegation noch bis Freitag, 8. September, Ecuador, mit dem das Erzbistum München und Freising eine Partnerschaft pflegt. Thematisch stehen die Ausbeutung der Bodenschätze und ihre Auswirkungen auf die Bevölkerung im Mittelpunkt. Die Delegation besucht daher am Dienstag, 5. September, in Zamora eine Goldmine und tauscht sich mit Minenarbeitern über deren Situation aus. (kel)

Foto: Kardinal Reinhard Marx und Hans Tremmel bei der akademischen Diskussion in der Päpstlichen Universität in Quito; ©Erzbischöfliches Ordinariat München