Die Liebe zwischen Mann und Frau ist ein Gleichnis der unbedingten und endgültigen Liebe Gottes.

Aus: Katholischer Erwachsenenkatechismus (1985), Band 1


Erster Teil: Die Einheit der Liebe in Schöpfung und Heilsgeschichte

7.1 Das Wesen der Ehe als Sakrament des Neuen Bundes

Ehe und Familie zählen zu den kostbarsten Gütern der Menschheit. Sie sind die Grundzelle der menschlichen Gemeinschaft. "Das Wohl der Person sowie der menschlichen und christlichen Gesellschaft ist zuinnerst mit einem Wohlergehen der Ehe- und Familiengemeinschaft verbunden" (GS 47). Ehe und Familie werden in unseren Tagen jedoch - wie andere Institutionen und vielleicht noch mehr als diese - in die umfassenden tiefgreifenden und raschen Wandlungen von Gesellschaft und Kultur hineingezogen. Dabei kann man im Blick auf Ehe und Familie von heute Licht und Schatten feststellen. "Einerseits ist man sich der persönlichen Freiheit mehr bewusst, schenkt der Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Ehe, der Förderung der Würde der Frau, der verantworteten Elternschaft, der Erziehung der Kinder größere Aufmerksamkeit... Andererseits aber gibt es Anzeichen einer besorgniserregenden Verkümmerung fundamentaler Werte: eine irrige ... Auffassung von der gegenseitigen Unabhängigkeit der Eheleute; die schwerwiegenden Missverständnisse hinsichtlich der Autoritätsbeziehung zwischen Eltern und Kindern; die häufigen konkreten Schwierigkeiten der Familie in der Vermittlung der Werte; die steigende Zahl der Ehescheidungen; das weit verbreitete Übel der Abtreibung ... das Aufkommen einer regelrechten empfängnisfeindlichen Mentalität" (FC 6).

In dieser Situation, durch die das Gewissen der Menschen beunruhigt wird, ist es die Aufgabe der Kirche und aller, die in der kirchlichen Verkündigung tätig sind, die grundlegenden Werte von Ehe und Familie neu herauszustellen, um so insbesondere jüngeren Menschen, die am Anfang ihres Weges zu Ehe und Familie stehen, zu helfen, die Schönheit und Größe ihrer Berufung zur Liebe und zum Dienst am Leben zu entdecken, ihnen so neue Horizonte aufzutun (vgl. FC 1) und durch eine neue Familienkultur die neue, aufsteigende Kultur von innen zu evangelisieren und einen Beitrag zu einem neuen Humanismus zu leisten (vgl. FC 8). Aus allen diesen Gründen hat die Kirche in jüngerer Zeit öfter zu Fragen der Ehe und Familie Stellung genommen. Erinnert sei an die Enzykliken Pius XI. "Casti connubii" (1930) und Paul Vl. "Humanae vitae" (1968), an die Aussagen des II. Vatikanischen Konzils (vgl. GS 47-52) und an das alle bisherigen Aussagen zusammenfassende und weiterführende Apostolische Schreiben von Papst Johannes Paul II. "Familiaris consortio" (1981). Von vornehmlich pastoraler und praktischer Bedeutung ist der Beschluss der Gemeinsamen Synode "Christlich gelebte Ehe und Familie".

Das christliche Verständnis von Ehe und Familie ist bereits in der Schöpfungsordnung grundgelegt. Gott, der den Menschen aus Liebe ins Dasein gerufen hat, hat ihn gleichzeitig zur Liebe berufen. Der Mensch ist ja geschaffen nach dem Bild und Gleichnis Gottes (vgl. Gen 1,27), der selbst Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8.16). "Die Liebe ist demnach die grundlegende und naturgemäße Berufung jedes Menschen." Kein Mensch kann ohne Liebe leben. "Die Liebe schließt auch den menschlichen Leib ein, und der Leib nimmt an der geistigen Liebe teil ... Infolgedessen ist die Sexualität, in welcher sich Mann und Frau durch die den Eheleuten eigenen und vorbehaltenen Akte einander schenken, keineswegs etwas rein Biologisches, sondern betrifft den innersten Kern der menschlichen Person als solcher" (FC 11). Die Liebe zwischen Mann und Frau gehört also mit zur Gottebenbildlichkeit des Menschen; sie ist ein Gleichnis der unbedingten und endgültigen Liebe Gottes zu jedem Menschen. Deshalb gilt gerade auch für sie das Urteil: "Es war sehr gut" (Gen 1,31).

Die Wirklichkeit der Sünde hat sich freilich auch auf das Verhältnis von Mann und Frau und auf die Weitergabe des Lebens zerstörerisch und entfremdend ausgewirkt (vgl. Gen 3,7.16). Doch hat Gott Ehe und Familie in die Erlösungsordnung einbezogen. Schon im Alten Testament wird der Bund zwischen Mann und Frau zum "Bild und Gleichnis" des Bundes Gottes mit den Menschen (vgl. Hos 1-3; Jes 54; 62;Jer 2-3; 31, Ez 16; 23). Dieser Bund Gottes mit den Menschen findet seine endgültige, nicht mehr überbietbare Verwirklichung in Jesus Christus, der Gott und Mensch in einer Person ist und in dem Gott jeden einzelnen Menschen endgültig angenommen hat. Er ist der Bräutigam des Gottesvolkes des Neuen Bundes (vgl. Mk 2,19), der die Kirche, seine Braut, liebt und sich für sie hingegeben hat (vgl. Eph 5,25).

Jesu Stellung zur Ehe kommt am deutlichsten in seinem Wort über die Ehescheidung zum Ausdruck (vgl. Mk 10,2-9 par.). Hier wird Jesus mit der Streitfrage zwischen den Juden konfrontiert, ob es dem Mann erlaubt sei, seine Frau zu entlassen. Auf den ersten Blick scheint Jesu Antwort das alttestamentliche Gesetz zu verschärfen und damit den Menschen eine schwere Last aufzubürden. In Wirklichkeit lässt sich Jesus auf den Streit und die Auslegung des alttestamentlichen Gesetzes (vgl. Dtn 24,1-4) nicht ein. Er hebt die Frage auf eine andere Ebene. Er erinnert an den ursprünglichen Plan Gottes in der Schöpfung. Zwar weiß er um die Hartherzigkeit der Menschen, die der Verwirklichung von Gottes Schöpferwillen entgegensteht. Doch jetzt, da mit ihm die neue Schöpfung anbricht, kommt der Plan Gottes mit der ersten Schöpfung wieder zur Geltung; ja, durch ihn wird er auch wieder lebbar. So ist Jesu Verbot der Ehescheidung kein äußerliches, nur schwer realisierbares Gesetz, sondern Ausdruck des Neuen Bundes, eine gnadenhaft geschenkte neue Möglichkeit, den tiefsten Sinn der Schöpfungs- und Erlösungsordnung, das Leben aus der Liebe und Treue zu verwirklichen. So können wir zusammenfassend sagen: Die Ehe gehört nach der Verkündigung Jesu sowohl der Schöpfungs- wie der Heilsordnung an.

Schon der Apostel Paulus mahnt, die Ehe "im Herrn" einzugehen (1 Kor 7,39). Die Ehe ist also hineingenommen in das durch die Taufe begründete neue Sein "in Christus". Deshalb sind Ehe und Familie in den neutestamentlichen Haustafeln der Ort besonderer christlicher Bewährung. Das praktische Verhalten von Mann und Frau soll sich orientieren an der Liebe, Treue, Hingabe und dem Gehorsam Jesu Christi (vgl. Kol 3,18-19; 1 Petr 3,1-7; 1 Tim 2,8-15; Tit 2,1-6). Die für diesen Zusammenhang wichtigste Haustafel findet sich im Epheserbrief. Hier wird der Bund zwischen Mann und Frau in der Ehe als Abbild des Bundes zwischen Christus und der Kirche beschrieben. "Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus. Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn... Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat... Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche."(Eph 5,21-22.25.31)

Zweifellos spiegelt dieser Text auch Züge des damaligen Eheverständnisses, wonach die Frauen den Männern untergeordnet waren. Doch der Text sprengt zugleich ein patriarchalisches Verständnis der Ehe; er spricht nämlich auch umgekehrt von der Liebe und Hingabe der Männer und damit von einer gegenseitigen Unterordnung. Die wichtigste Aussage dieses Textes ist, dass die Liebe und Treue zwischen Christus und der Kirche nicht nur ein Vorbild für die Ehe ist; die Liebe zwischen Mann und Frau in der Ehe ist vielmehr vergegenwärtigendes Zeichen der in Jesus Christus endgültig erschienenen und in der Kirche bleibend gegenwärtigen Liebe und Treue Gottes. "Die Ehe der Getauften wird so zum Realsymbol des neuen und ewigen Bundes, der im Blut Christi geschlossen wurde" (FC 13).

In den Aussagen der Heiligen Schrift, besonders in denen des Epheserbriefs, fand die kirchliche Überlieferung die Sakramentalität der Ehe angedeutet (vgl. DS 1799; NR 733). Ausdrücklich findet sich diese Lehre freilich erst im hohen Mittelalter (vgl. DS 1327; 1797-1812; NR 730; 731-746). Diese Lehre will nicht etwa die Ehe mystifizieren oder zu einer ganz von der Kirche abhängigen Wirklichkeit machen. Sie anerkennt vielmehr, dass die Ehe eine eigene Schöpfungswirklichkeit ist und dass sie als solche in die Erlösungsordnung einbezogen ist. Deshalb kommt eine gültige Ehe allein durch das in der kirchlich vorgeschriebenen Form zum Ausdruck gebrachte Vermählungswort (Ja-Wort; Konsens) der Brautleute zustande. Dieser Konsens kann, wie das kirchliche Recht sagt, durch keine Macht der Welt ersetzt werden. Eine eigene kirchliche Form des Eheabschlusses hat die Kirche im übrigen erst im Mittelalter entwickelt; allgemein verpflichtend und für die Gültigkeit der Ehe maßgebend wurde diese sogar erst durch das Trienter Konzil (1545-1563) (vgl. DS 1813-1816). Von dieser kirchlichen Formpflicht kann jedoch aus triftigen Gründen dispensiert werden, wenn nur eine öffentliche Form des Ehekonsenses gewahrt wird.

An dieser Stelle ergibt sich unter den heutigen Umständen freilich eine neue Schwierigkeit. Wir können nicht voraussetzen, dass alle Brautleute, die sich kirchlich trauen lassen wollen, mit ihrem Ja-Wort auch den Glauben der Kirche an die Sakramentalität der Ehe verbinden. Die Frage des Verhältnisses von Glaube und Sakrament stellt sich bei der Ehe in besonders vordringlicher Weise. Da die Brautleute durch ihre Taufe in Christus und in die Kirche eingegliedert sind, muss man voraussetzen, dass sie wenigstens einschlussweise dem zustimmen, was die Kirche meint, wenn sie eine Eheschließung vornimmt. Wenn sie jedoch trotz aller pastoralen Bemühung ausdrücklich und formell zurückweisen, was die Kirche bei der Eheschließung von Getauften meint, muss der Seelsorger sie darauf hinweisen, dass nicht die Kirche, sondern sie selber es sind, die die Feier verhindern, um die sie bitten (vgl. FC 68).

Das sakramentale Zeichen der Ehe ist also der personale freie Akt, "in dem sich die Eheleute gegenseitig schenken und annehmen" (GS 48). Deshalb spenden sich nach der meist vertretenen theologischen Meinung die Brautleute das Sakrament der Ehe gegenseitig durch die Erklärung ihres Ehewillens (Ja-Wort, Konsens). Dieser findet seine Erfüllung darin, dass beide zu einem Fleisch werden (vgl. Gen 2,24; Mk 10,8), was alle Bereiche des Lebens umfasst.

Der Priester, welcher der Trauung assistiert, nimmt dieses Ja-Wort im Namen der Kirche entgegen und spricht darüber den Segen der Kirche. Damit bringt er zum Ausdruck, dass die Ehe nicht nur die Privatangelegenheit der Brautleute ist, sondern ein öffentliches Zeichen der Liebe und Treue Gottes. Das geht schon aus Hos 2,21-22 hervor, wo Recht und Gerechtigkeit, Liebe, Erbarmen und Treue zu den Gütern des Ehebundes Gottes mit seinem Volk gehören. Die öffentliche und bei Katholiken im Normalfall die kirchliche Form der Eheschließung ist deshalb keine äußerliche Formalität, kein bloßer Trauschein oder gar eine unangemessene staatliche und kirchliche Einmischung. Die Öffentlichkeit des Eheversprechens nimmt diesem auch nicht den diskreten Ursprung in der unmittelbaren und ganz persönlichen Liebe der Partner; sie bedeutet vielmehr Schutz und Anerkennung, Unterstützung und Zeugenschaft für das ergangene Ja-Wort und für den gemeinsamen Weg. Umgekehrt sind die Eheleute füreinander, für ihre Kinder und für die gesamte Kirche Zeugen des Heils, an dem sie durch das Sakrament in besonderer Weise teilhaben (vgl. AA 11). Die Ehe ist eine Art Hauskirche, eine Kirche im kleinen (vgl. LG 11). Dabei sind Ehe und Familie nicht nur eine Darstellung und eine Ausformung des Wesens der Kirche; sie tragen vielmehr eigenständig und aktiv zur Auferbauung der Kirche bei. Sie sollen lebendige Zellen in der Kirche und in der Gemeinde sein.

Durch das Ja-Wort, in dem sich die Brautleute gegenseitig schenken, werden sie in besonderer Weise in den Bund Gottes mit den Menschen hineingenommen. Gott selbst ist es, der sie verbindet (vgl. Mk 10,9), so dass sie fortan vor Gott, voreinander und vor der menschlichen Gemeinschaft zueinander gehören. Die kirchliche Lehre spricht in diesem Zusammenhang vom Eheband als Abbild des unverletzlichen Bundes Gottes mit den Menschen. Ihr Bund ist damit der eigenen Willkür wie der der Kirche und der menschlichen Gesellschaft entzogen.

Die Gnade des Ehesakraments besteht wie bei jedem Sakrament in einem Dreifachen: Durch ihre Liebe und Treue machen die Eheleute Gottes Liebe und Treue in Jesus Christus erinnernd gegenwärtig. Sie erhalten zum andern daran Anteil; ihre "eheliche Liebe wird in die göttliche Liebe aufgenommen und durch die erlösende Kraft Christi und die Heilsvermittlung der Kirche gelenkt und bereichert" (GS 48). "Sie fördern sich kraft des Sakramentes der Ehe gegenseitig zur Heiligung durch das eheliche Leben sowie in der Annahme und Erziehung der Kinder und haben so in ihrem Lebensstand und in ihrer Ordnung ihre eigene Gabe im Gottesvolk (vgl. 1 Kor 7,7)" (LG 11). Schließlich ist die christliche Ehe zeichenhafte Vorwegnahme der endzeitlichen Hochzeit, der Freude und Erfüllung aller Wirklichkeit in Gottes Liebe (vgl. Mk 2,19-20;Mt 22,1-14, 25,1-13 u. a.). Deshalb ist es nicht nur ein allgemeinmenschliches und bürgerliches Bedürfnis, die Hochzeit möglichst feierlich und festlich zu begehen; solcher Glanz hat als hoffnungserweckende Vorfeier der endzeitlichen Hochzeit auch christlich seinen guten Sinn.

Der Hinweis auf die endzeitliche Hochzeit zeigt freilich auch, dass die Ehe der vorläufigen Ordnung dieser Welt angehört (vgl. Mk 12,25; 1 Kor 7,25-38). Sie ist noch nicht die endgültige Erfüllung. Als Hinweis auf das endgültige Ziel gibt es in der Kirche darum neben dem Stand der Ehe auch den Stand der freiwilligen Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen (vgl. Mt 19,12).

Der um des Himmelreiches willen freiwillig Ehelose ist als solcher kein besserer Christ als der Verheiratete. Er will vielmehr zeichenhaft eine Grunddimension des gemeinsamen Christseins aller Getauften ausdrücken: die Vorläufigkeit aller irdischen Ordnungen und ihre Ausrichtung auf das eine Notwendige, das Reich Gottes. Deshalb will er schon jetzt ganz und ungeteilt frei sein für den Herrn und "seine Sache" (1 Kor 7,32). So steht die Wertschätzung der freiwilligen Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen in keinem Widerspruch zum hohen Wert der Ehe; sie setzt den Wert der Ehe vielmehr voraus und bekräftigt ihn. Würde die menschliche Sexualität nicht als ein hoher, vom Schöpfer geschenkter Wert betrachtet, dann würde auch der Verzicht darauf seine Bedeutung verlieren. Umgekehrt wird die Ehe erst dadurch zu einer wirklich frei gewählten Lebensform, wenn es neben ihr eine andere öffentlich anerkannte Lebensform gibt. So sind Ehe und freiwillige Ehelosigkeit zwei Weisen, um das eine Geheimnis des Bundes zwischen Gott und den Menschen darzustellen und zu leben. Sie brauchen sich gegenseitig, ja, sie stehen und fallen miteinander. Berufungen zur Ehelosigkeit sind Zeichen gesunder christlicher Ehen; die Abwertung der freiwilligen Ehelosigkeit dagegen muss notwendig zur Verkennung der christlichen Werte der Ehe führen (vgl. FC 16). Die heutige Krise der christlichen Ehe wie die der freiwilligen Ehelosigkeit bedingen sich darum gegenseitig und können in pastoral verantwortlicher Weise nur zusammen gemeistert werden.


7.2 Die Wesenseigenschaften der Ehe: Einheit, Fruchtbarkeit, unauflösliche Treue

Bei der kirchlichen Trauung wird das Ja-Wort der Brautleute in dreifacher Form erfragt und gegeben. Damit kommt zum Ausdruck, dass dieses Ja konkret drei Dimensionen hat, die alle drei für die Gültigkeit von maßgeblicher Bedeutung sind: das Ja zur Einheit, zur Fruchtbarkeit und zur unauflöslichen Treue in der Ehe.

Die Liebe der Eheleute tendiert von ihrem ganzen Wesen her auf die Einheit in einer personalen Gemeinschaft, die alle Bereiche des Lebens umfasst. "Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins" (Mt 19,6; vgl. Gen 2,24) und berufen, in ihrer Einheit ständig zu wachsen durch die Treue, mit der sie täglich zu ihrem Eheversprechen stehen. "Die Ehegemeinschaft wurzelt in der natürlichen Ergänzung von Mann und Frau und lebt aus dem persönlichen Willen der Gatten, ihr ganzes Leben zu teilen, das, was sie haben, und das, was sie sind." Diese menschliche Gemeinschaft wird durch die durch das Sakrament der Ehe geschenkte Gemeinschaft in Jesus Christus bestätigt, geläutert und vollendet. Sie wird immer wieder vertieft durch gemeinsames Gebet und durch den gemeinsamen Empfang der Eucharistie. "Einer solchen Gemeinschaft widerspricht die Polygamie: Sie leugnet in direkter Weise den Plan Gottes ... sie widerspricht der gleichen personalen Würde von Mann und Frau, die sich in der Ehe mit einer Liebe schenken, die total und eben dadurch einzig und ausschließlich ist" (FC 19).

Auch die Fruchtbarkeit gehört wesentlich zur Ehe. Denn es liegt im Wesen der ehelichen Liebe selbst, dass sie fruchtbar werden will. Das Kind als Frucht der gemeinsamen Liebe kommt deshalb nicht äußerlich oder beliebig zur gegenseitigen Liebe der Eheleute hinzu; es ist vielmehr deren Verwirklichung und Erfüllung. Dieser Dienst am Leben ist den Eheleuten von Gott selbst bei der Schöpfung aufgetragen, ja eingeschrieben worden: "Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch" (Gen 1,28). Durch die Fruchtbarkeit nehmen die Eheleute teil an Gottes schöpferischer Liebe; sie sind gleichsam Mitarbeiter des liebenden Schöpfergottes und Interpreten seiner Liebe. Die Fruchtbarkeit der ehelichen Liebe beschränkt sich jedoch nicht auf die Zeugung; sie wird weiter und reicher durch Früchte des sittlichen, geistigen und übernatürlichen Lebens, welche die Eltern ihren Kindern durch die Erziehung weitergeben. Die Eltern sind ja die ersten und die bevorzugten Erzieher ihrer Kinder (vgl. GE 3). In diesem umfassenden Sinn ist es die grundlegende Aufgabe von Ehe und Familie, dem Leben zu dienen (vgl. GS 50; FC 28). Aus diesem Grund können auch ältere Christen, die bei Eheabschluss keine Kinder mehr erwarten können, und Eheleute, denen Kindersegen versagt ist, eine menschlich und christlich sinnvolle Ehe führen.

Diese Sendung trifft heute aus vielfältigen Gründen auf eine gesellschaftliche und kulturelle Situation, in der es vielen Eheleuten schwerfällt, sich die Lehre der Kirche innerlich zu eigen zu machen und sie in ihrem Tun zu verwirklichen. Die Kirche weiß um die oft belastende und manchmal quälende Situation vieler Eheleute und um die vielfältigen Schwierigkeiten persönlicher und sozialer Art. Sie muss sich aber gerade angesichts der oft lebensfeindlichen Mentalität der Gegenwart auf die Seite des Lebens stellen. Die sittliche Ordnung wurde ja nicht von der Kirche geschaffen und hängt nicht von deren Gutdünken ab; sie ist von Gott selbst dem Menschen gegeben, ja eingeschrieben. Deshalb müssen die Eheleute in verantwortlicher Elternschaft die Entscheidung über die Zahl ihrer Kinder im Angesicht Gottes letztlich selbst treffen. Sie dürfen dabei freilich nicht nach eigener Willkür vorgehen, sondern müssen sich von einem Gewissen leiten lassen, das sich ausrichtet am göttlichen Gebot und dessen Auslegung durch das Lehramt der Kirche, wonach die eheliche Liebe offen sein muss für das neue Leben. In dieses Urteil müssen sie ihr eigenes Wohl wie das ihrer Kinder - der schon geborenen wie der noch zu erwartenden -, die materiellen und geistigen Verhältnisse, das Wohl der Gesamtfamilie, der weltlichen Gesellschaft und der Kirche einbeziehen (vgl. GS 50; FC 29-33). Besonders angesichts der genannten Schwierigkeiten gilt für die verantwortliche Elternschaft das Gesetz des stufenweisen Weges, der ständigen Bemühung, die entgegenstehenden Schwierigkeiten durch die Haltung von Zucht und Maß, durch Gebet und regelmäßigen Empfang der Sakramente zu überwinden (vgl. FC 34).

Schließlich gehört zum Wesen ehelicher Liebe ihre unauflösliche Treue. Sie ergibt sich aus der Ganzheitlichkeit, mit der sich die Eheleute gegenseitig schenken und annehmen; Liebe, die diesen Namen verdient, ist immer endgültig und kann nie nur bis auf weiteres und zur Probe geschenkt werden. Dazu kommt, dass auch das Wohl der Kinder die unbedingte und unauflösliche Treue der Ehegatten erforderlich macht. Sie ist von Gott bei der Schöpfung selbst gewollt: "Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen" (Mk 10,9).
 
Die tiefste Begründung liegt in der Treue Gottes zu seinem Bund, besonders in der unauflöslichen Treue, die Christus seiner Kirche entgegenbringt und von der das Sakrament der Ehe Zeichen und Frucht darstellt. So erhält die Unauflöslichkeit der Ehe durch das Sakrament der Ehe eine besondere Festigkeit. Gerade heute ist es eine der wichtigsten und dringlichsten Pflichten der Kirche, den Wert der Unauflöslichkeit und der ehelichen Treue herauszustellen und denen, die es für schwierig, ja für geradezu unmöglich halten, sich für das ganze Leben an einen Menschen zu binden, die Frohbotschaft von der Endgültigkeit der Liebe und Treue Gottes zu uns, an der die Ehe teilhat und von der sie gehalten und getragen wird, zu bezeugen; die Kirche will damit auch denen Anerkennung, Hilfe und Ermutigung geben, die sich oft unter erheblichen Schwierigkeiten um die Treue in der Ehe bemühen. Aber auch der Wert des Zeugnisses jener Eheleute muss Anerkennung finden, die, obwohl sie von ihrem Partner verlassen wurden, in der Kraft des Glaubens und der christlichen Hoffnung keine neue Verbindung eingegangen sind (vgl. FC 20).

Die Kirche hat freilich von allem Anfang an die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass auch Ehen unter Christen scheitern können. Es gibt Situationen, in denen, nachdem sich jeder andere vernünftige Versuch, die Ehe zu retten, als vergeblich erwiesen hat, als äußerstes Mittel die Trennung der Ehegatten angesehen werden muss. Sie ist kirchlich möglich, und die kirchliche Gemeinschaft muss solchen Menschen helfen, damit sie mit ihrer schwierigen Situation zurechtkommen und die Treue wahren können (vgl. FC 83).

Viele von denen, die sich scheiden lassen, gehen freilich ohne kirchliche Trauung eine neue Verbindung ein. Man muss die Situation solcher bürgerlich wiederverheiratet Geschiedener gerecht beurteilen. Es ist nämlich ein Unterschied, ob jemand trotz aufrichtigen Bemühens um die frühere Ehe zu Unrecht verlassen wurde oder ob jemand eine gültige Ehe durch eigene schwere Schuld zerstört hat. Es ist wichtig zu wissen, dass diese Christen in ihrer schwierigen Situation nicht aus der Kirche ausgeschlossen sind. Die Priester und die ganze Gemeinde sollen ihnen vielmehr in fürsorgender Liebe beistehen, damit sie sich nicht als von der Kirche getrennt betrachten, an deren Leben sie als Getaufte teilnehmen können und sollen. So können und sollen sie vor allem das Wort Gottes hören, an der Feier der Eucharistie teilnehmen, regelmäßig beten, an den Werken der Nächstenliebe und Initiativen zur Förderung der Gerechtigkeit mitwirken. "Die Kirche soll für sie beten, ihnen Mut machen, sich ihnen als barmherzige Mutter erweisen und sie so im Glauben und in der Hoffnung stärken" (FC 84).

Die katholische Kirche hält jedoch in Treue zum Wort Jesu Christi daran fest, dass sie eine solche Verbindung, wenn die erste Ehe gültig war und solange der erste Ehepartner lebt, nicht als sakramentale Ehe anerkennen kann. Da solche bürgerlich wiederverheiratet Geschiedenen objektiv im Widerspruch zu Gottes Ordnung leben, können sie, solange sie an der vollen ehelichen Gemeinschaft festhalten, nach der Praxis der Kirche nicht zum eucharistischen Mahl zugelassen werden (vgl. FC 84). Daraus ergeben sich ohne Zweifel
nicht nur für die betroffenen Christen, sondern auch für viele Seelsorger oft schwierige Probleme, bei denen es nicht leicht ist, die Treue zur Wahrheit, zu der die Kirche um der Liebe willen verpflichtet ist, mit der von der christlichen Liebe und Barmherzigkeit in einer schwierigen konkreten Situation geforderten Duldung und Nachsicht zu vereinbaren (vgl. Gem. Synode, Christlich gelebte Ehe und Familie 3.4). Das kirchliche Recht kann nur eine allgemein gültige Ordnung aufstellen, es kann jedoch nicht alle oft sehr komplexen einzelnen Fälle regeln. Immer muss es freilich das erste pastorale Anliegen sein, dass bei den Gläubigen keinerlei Irrtum und Verwirrung hinsichtlich der Lehre und der Praxis der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe entsteht. Gerade in unserer Zeit muss die Kirche in dieser Frage ein eindeutiges Zeichen sein.


7.3 Die bekenntnisverschiedene Ehe

Eine große Zahl verheirateter Katholiken in Deutschland lebt heute in einer bekenntnisverschiedenen Ehe. Durch die stete Umschichtung weiter Bevölkerungsteile ist die konfessionsverschiedene Ehe heute längst keine Ausnahme mehr; auch die Einstellung vieler Katholiken dazu hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert. Die Situation der bekenntnisverschiedenen Ehe hat vielfache Aspekte, die in diesem Zusammenhang nicht alle behandelt werden können. Wir beschränken uns im folgenden auf die Ehe zwischen einem katholischen und einem evangelischen Christen. Über die teilweise anderen Bestimmungen für Ehen mit orthodoxen Christen sollte man sich beim zuständigen Pfarramt informieren.

Auf der einen Seite kann die Konfessionsverschiedenheit der Ehepartner eine befruchtende Wirkung für den Glauben der Gatten und damit auch für ihre Ehe haben, wenn beide Partner ihr eigenes kirchliches Erbe in Ehe und Familie einbringen, voneinander lernen und so ihr gemeinsames Leben vertiefen und bereichern. Andererseits dürfen aber auch die Schwierigkeiten konfessionsverschiedener Ehen nicht unterschätzt werden. Sie ergeben sich aus der noch nicht überwundenen und noch immer schmerzlich spürbaren Trennung der Kirchen. Nicht nur wichtige, bisher nicht überwundene Unterschiede im Glauben, auch konfessionelle Vorurteile, unterschiedliche konfessionelle Mentalitäten u. a. können zur Belastung der Ehe werden und unter Umständen zu einer Entfremdung der Ehepartner führen. Die Schwierigkeiten zeigen sich meistens in der Frage der Kindererziehung und des Gottesdienstbesuches. Nicht selten weichen konfessionsverschiedene Ehen wegen solcher Schwierigkeiten in eine vermeintliche Neutralität aus; sie klammern religiöse Fragestellungen aus, was dann zur Entfremdung beider Partner sowie ihrer Kinder von ihrer Kirche führt.

Die Unterschiede zwischen den getrennten Kirchen betreffen nicht zuletzt auch das Verständnis der Ehe. Gemeinsam sind sie der Auffassung, dass die Ehe Gottes Ordnung darstellt und unter seinem Segen steht. Doch während die katholische Kirche die Ehe zu den Sakramenten der Kirche zählt, hat Luther die Ehe als "ein äußerlich-weltlich Ding" bezeichnet. Er wollte damit nicht sagen, die Ehe sei eine rein profane Größe, vielmehr gehöre die Ehe nicht der Heilsordnung, sondern allein der Schöpfungsordnung an. Von dieser Voraussetzung her musste Luther der Kirche die Kompetenz für eine rechtliche Ordnung der Ehe absprechen und den Eheabschluss in die Hand der weltlichen Autorität legen. Deshalb ist für einen Protestanten die vor dem Standesamt geschlossene Ehe auch vor Gott und vor der Kirche gültig; sie wird kirchlich nur eingesegnet. Für den Katholiken dagegen kommt eine vor Gott und der Kirche gültige Ehe nur durch einen kirchlichen Eheabschluss zustande, es sei denn, es werde von dieser "Formpflicht" ausdrücklich dispensiert. Die standesamtliche Trauung regelt nach katholischem Verständnis normalerweise nur die bürgerlichen Rechtsfolgen. In diesen konkreten Unterschieden zeigt sich nochmals die unterschiedliche Verhältnisbestimmung von Schöpfungs- und Erlösungsordnung, von Kirche und Welt wie überhaupt das unterschiedliche Kirchenverständnis.

Um den veränderten Verhältnissen und der inzwischen geschehenen ökumenischen Annäherung gerecht zu werden, wurden die kirchenrechtlichen Bestimmungen für bekenntnisverschiedene Ehen im Jahr 1970 erneuert und dann durch das neue kirchliche Gesetzbuch von 1983 teilweise nochmals neu gefasst (vgl. can. 1124-1129). Nach dem neuen kirchlichen Recht stellt die Bekenntnisverschiedenheit nicht mehr wie bisher ein Ehehindernis dar; zum Abschluss einer bekenntnisverschiedenen Ehe ist jedoch eine ausdrückliche Erlaubnis der zuständigen kirchlichen Autorität notwendig. Die Erlaubnis setzt voraus, dass der katholische Partner sich bereiterklärt, in seiner Ehe als katholischer Christ zu leben und den Glauben zu bezeugen und sich nach Kräften für die Taufe und die Erziehung der Kinder im katholischen Glauben einzusetzen. Da aber die Erziehung der Kinder Sache beider Eltern ist und keiner der Ehepartner zu einem Handeln gegen sein Gewissen veranlasst werden darf, besteht diese Verpflichtung darin, das in der konkreten Situation nach bestem Wissen und Gewissen Mögliche zu tun.

Der Eheabschluss soll in katholischer Form geschehen. Stellen sich dem schwerwiegende Gründe entgegen, dann kann der Bischof von dieser Verpflichtung dispensieren; freilich muss zur Gültigkeit der Trauung irgendeine öffentliche Form des Abschlusses, sei es standesamtlich, sei es in einer anderen Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft, stattfinden. Dabei ist eine religiöse Form des Eheabschlusses normalerweise einer rein standesamtlichen vorzuziehen. Wenn die Brautleute es wünschen, dass Pfarrer beider Kirchen bei der Trauung mitwirken, soll nach Möglichkeit diesem Wunsch entsprochen werden. Eine solche "Gemeinsame kirchliche Trauung" stellt freilich keine Doppeltrauung dar; die Trauung findet vielmehr entweder in katholischer oder in nichtkatholischer Form statt, wobei jeweils der Pfarrer der anderen Kirche durch Gebet und Segen mitwirkt.

Die gewandelte ökumenische Situation hat dazu geführt, dass die Kirchen im letzten Jahrzehnt eine gemeinsame ehebegleitende Seelsorge für konfessionsverschiedene Ehen und Familien begründet haben. Ihre Aufgabe ist es, zu helfen, dass die Ehepartner zu einer guten Ehe finden und es lernen, ihre Ehe aus christlichem Glauben zu leben. Sie soll zudem helfen, die Spannungen zwischen der Bindung der Ehepartner aneinander und an ihre Kirchen tragbar zu machen. Sie soll dazu ermutigen, dass das im Glauben der Ehepartner Gemeinsame zum Tragen kommt und das Trennende vom anderen Partner bewusst respektiert wird. Eine solche gemeinsame ehebegleitende Seelsorge setzt ein Klima vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen den Kirchen, besonders den Pfarrern beider Kirchen auch auf anderen Gebieten, voraus.

Bezüglich des Gottesdienstbesuchs sollte der Grundsatz gelten: Jeder der beiden Partner soll gemäß seinem Gewissen in seinem Glauben verwurzelt und in seiner Kirche beheimatet bleiben. Dazu gehören der regelmäßige Gottesdienstbesuch in der eigenen Kirche und das liebevolle Verständnis dafür, dass der Ehepartner am sonntäglichen Gottesdienst seiner Kirche teilnehmen möchte. Bei passender Gelegenheit sollten bekenntnisverschiedene Paare die Gottesdienste ihrer Kirchen aber auch gemeinsam besuchen (vgl. Gem. Synode, Pastorale Zusammenarbeit der Kirchen im Dienst an der christlichen Einheit 7).

In keinem anderen Sakrament wird die Schöpfungswirklichkeit so unmittelbar zu einem sakramentalen Zeichen des Heils wie in der Ehe. In keinem anderen Sakrament kommt es aber auch zu einer solchen Überlagerung und Spannung zwischen der alten, von der Sünde verwirrten Welt und der neuen, in Jesus Christus erschienenen Welt. Die schwierigen pastoralen Situationen, von denen die Rede war, sind Zeichen von diesem im Einzelfall oft kaum entwirrbaren Ineinander.

So weist gerade das Sakrament der Ehe über die gegenwärtige Zeit zwischen dem Kommen Jesu Christi in Niedrigkeit und seiner Ankunft in Herrlichkeit hinaus auf das himmlische Hochzeitsmahl und das Leben der kommenden Welt.